- Naturstoffe
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Naturstoffe (engl. natural products) sind chemische Substanzen, die von Organismen gebildet werden, um biologische Funktionen zu erfüllen; ein modernes Synonym für Naturstoff ist Biomolekül. Im Gegensatz zum umgangssprachlichen Begriff Naturstoff werden darunter aus naturwissenschaftlicher Sicht stets Reinsubstanzen oder definierte Stoffgemische verstanden.
Nicht zu den Naturstoffen zählen organische Naturprodukte wie Federn, Holz oder Baumwolle. Diese sind zwar aus Naturstoffen aufgebaut, sie sind jedoch uneinheitliche Stoffgemische. Auch alle natürlich vorkommenden anorganischen Stoffe wie Minerale oder Gesteine gehören nicht hierzu.
Obwohl es sich bei den Naturstoffen um definierte Verbindungen handelt, kommen sie in Organismen in vielen reversiblen Modifikationen vor. Dadurch wird die biologische Funktion kontrolliert bzw. gesteuert. Nach der Extraktion und Aufreinigung erhält man meist die stabile Grundstruktur, die man den Naturstoffklassen zuordnen kann.
Naturstoffe werden in allen lebenden Organismen aufgebaut oder ineinander umgewandelt. Ihre Synthese ist für den Organismus mit einem Energieaufwand verbunden. Ihre Aufgaben sind je nach Substanzklasse vielfältig und reichen vom einfachen Stoffwechsel oder der Energiegewinnung über Zellbestandteile und Baustoffe des Organismus bis zu komplexen Steueraufgaben. In Bezug auf ihre Funktionen kann man zwischen primären und sekundären Naturstoffen unterscheiden. Zu den primären Naturstoffen werden alle Verbindungen gezählt, die für den Organismus zur Lebenserhaltung und zum Wachstum benötigt werden. Dazu zählen vor allem die Fette und die Biopolymere der Kohlenhydrate und Proteine. Die sekundären Naturstoffe werden aus häufig noch unbekannten Gründen gebildet und unterteilen sich in die großen Stoffklassen der Terpene, der Aromaten und der Alkaloide.
Die Chemie der Naturstoffe ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die mit Methoden der organischen und analytischen Chemie Fragestellungen der Biologie, Biochemie, Physiologie und der Pharmazie aufklären kann. Naturstoffchemie hat eine große Bedeutung in der Pharmakologie, bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe und generell bei der Methodenentwicklung in diesen Disziplinen.
Geschichte
Der ursprüngliche Begriff Naturstoff wurde durch die historische Definition der Organischen Chemie bestimmt; sie umfasste die Gesamtheit der Stoffe, die dem Aufbau von Tieren und Pflanzen dienen. Noch Jöns Jakob Berzelius nahm 1827 auf Grund des unzureichenden Wissenstandes und des komplizierten chemischen Aufbaus der Naturstoffe an, dass es für ihre Erzeugung eine Lebenskraft (vis vitalis) geben müsse.[1] Diese Vorstellung wurde durch Friedrich Wöhler (1828) revidiert, der mit der Harnstoffsynthese bewiesen hatte, dass aus der als anorganisch definierten Verbindung Ammoniumcyanat die als organisch definierte Verbindung Harnstoff hergestellt werden kann.
Zur Organischen Chemie gehört in der heutigen Definition praktisch die Gesamtheit der Kohlenstoffverbindungen. Die Naturstoffchemie entwickelte sich im Laufe der Zeit zu deren Teilgebiet und beschäftigt sich mit der Isolierung, Strukturaufklärung, Synthese bzw. Biosynthese und den Eigenschaften von Verbindungen, die in Organismen (wie Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen) vorkommen.
Zunächst befasste sich die Naturstoffchemie nur mit Inhaltsstoffen pflanzlicher Herkunft, da sie sehr von der Pharmakognosie (Drogenkunde) geprägt war. Aus Pflanzenextrakten wurde Verbindungen (zunächst meist Alkaloide) isoliert und man versuchte, deren Struktur aufzuklären.
Justus Liebig weitete dann den Naturstoffbegriff zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch auf Verbindungen tierischer Herkunft aus. Emil Fischer wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein Pionier bei der Strukturaufklärung und Synthese der Kohlenhydrate und Proteine.
Bis Ende der 1930er Jahre wurden die wichtigsten Naturstoffklassen gefunden, untersucht und deren Struktur aufgeklärt. Wichtige Meilensteine sind hier:
- Terpene durch Otto Wallach aus etherischen Ölen
- Steroide durch Adolf Windaus und Heinrich Otto Wieland
- Carotinoide durch Paul Karrer
- Porphinfarbstoffe durch Richard Willstätter und Hans Fischer
- Vitamine unter anderem durch Paul Karrer, Adolf Windaus, Robert R. Williams, Richard Kuhn und Albert von Szent-Györgyi Nagyrápolt
- Hormone durch Adolf Butenandt und Edward Calvin Kendall
Mit der Entdeckung des Penicillins im Jahr 1940 durch Alexander Fleming, Ernst Boris Chain und Howard Walter Florey wurden auch Mikroorganismen als lohnende Quelle für Naturstoffe erkannt.
Die Naturstoffchemie wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Entwicklung von neuen und sehr leistungsfähigen analytischen und physikalischen Methoden voran getrieben. Sowohl die Massenspektrometrie, Röntgenstrukturanalyse und später auch die NMR-Spektroskopie ermöglichten bis dahin ungeahnte Möglichkeiten der Strukturaufklärung ohne Derivatisierung des Naturstoffes und bei geringen Mengen des Analyten. Die erst jetzt langsam etablierten Methoden der Chromatographie und Elektrophorese erlaubten eine Trennung der Stoffgemische in bisher nicht erreichbarer Geschwindigkeit und Reinheit.[2][3]
Definition im Chemikalienrecht
Der Begriff Naturstoff wird definiert als: „Unter diese Definition fallen natürlich vorkommende Stoffe als solche, die unverarbeitet sind oder lediglich durch mechanische oder auf Wasser basierende Extraktionsmethoden (Flotation, Extraktion mit Wasser, Dampfdestillation usw.) gewonnen werden.“[4][5]
Nach Anhang V Abs. 8 der REACH-Verordnung (EG 1907/2006) sind Naturstoffe von einer Registrierungspflicht ausgenommen, wenn sie nicht chemisch verändert wurden. Dies gilt nicht, wenn sie nach den Kriterien der Richtlinie 67/548/EWG (Richtlinie zur Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe aus dem Jahr 1967) als gefährlich eingestuft werden.
Bedeutung der Naturstoffchemie
Bedeutung für die Pharmakologie
Naturstoffe sind spätestens seit der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming[6] zu einer wichtigen Quelle für Leitstrukturen pharmazeutischer Wirkstoffe geworden. Man findet bei Naturstoffen pharmakologische Wirkungen als Antibiotika, Immunsuppressiva, Enzym-Inhibitoren, Rezeptor-Antagonisten und -Agonisten, Toxine, antitumorale und antivirale Wirkstoffe.
Eine ganze Reihe von Wirkstoffen leiten sich heute von Naturstoffen ab. Dazu gehören neben β-Lactam-Antibiotika auch Chemotherapeutika wie Paclitaxel aus der Pazifischen Eibe (Taxus brevifolia)[7] oder Epothilon aus dem Myxobakterium Sorangium cellulosum.[8]
Nucleoside wurden so modifiziert, dass sie als Virustatika Verwendung finden, wie etwa den HIV-Wirkstoff Zidovudin.[9]
Die jahrhundertelange Erfahrung aus der Volksmedizin hat die Aufmerksamkeit auf viele Pflanzen und damit auf ihre Inhaltsstoffen als Leitstrukturen gelenkt. So sind beispielsweise schon seit langem Ginseng (Panax ginseng),[10][11] Ginkgo (Ginkgo biloba)[12] oder der Niembaum (Azadirachta indica)[13] Objekt intensiver Untersuchungen.
Die so erhaltenen Leitstrukturen dienen als Grundlage für die pharmakologische Optimierung des Wirkstoffes. Dabei werden Struktur-Wirkungs-Beziehungen (QSAR) aufgestellt und versucht, die physikalischen Eigenschaften wie die Löslichkeit in wässrigen Medien zu optimieren. Dazu werden häufig Techniken wie die Parallelsynthese oder die der Kombinatorische Chemie angewandt.[14][15]
Bei Naturstoffen wird auch pharmakologisch von privilegierten Strukturen gesprochen da sie unter physiologischen Bedingungen gebildet werden und vorteilhafte pharmakokinetische Eigenschaften zeigen.[16] Die Tatsache, dass etwa die Hälfte der meistverkauften Wirkstoffe Naturstoffe oder derer Derivate sind, zeigt die besondere Bedeutung der Naturstoffe für die Pharmakologie auf.[17]
Bedeutung für die Biologie
Für die Biologie ist die Aufklärung von physiologischen Zusammenhängen wichtig. Dazu gehören auf dem Gebiet der Naturstoffe die Biosynthese und die biologische Funktion in Organismen, sei es als Enzym, Botenstoff oder als Energielieferant bzw. Speicher. Zu den Botenstoffen gehören u. a. Hormone, Neurotransmitter, Pheromone. Energielieferanten und Speicher sind in der Regel Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate. Die Biosynthese von Naturstoffen ist so vielfältig wie ihre Varianz in der Struktur.
Die Aufklärung eines Biosynthesewegs erfordert häufig großen Aufwand. Dabei werden verschiedene Techniken eingesetzt:[18][19]
- Isotopentechnik
- enzymatische Technik
- gentechnische Methoden.
Bei der isotopentechnischen Methode werden potentielle Vorläufermoleküle mit einem stabilen Isotop, wie zum Beispiel dem 14C-Isotop (Halbwertzeit 5736 Jahre), markiert. Nach dem Einschleusen in den Stoffwechsel (z. B. durch Verfüttern oder Einspritzen) wird der Verbleib des Isotops im Zielmolekül beobachtet. Daraus kann auf den Weg der Biosynthese geschlossen werden.
Bei der enzymatischen Technik muss der Biosyntheseweg annähernd bekannt sein. Man arbeitet hier an isolierten Enzymen oder mit Zellkulturen, um Biosynthesewege unter Laborbedingungen und nicht mehr in vivo zu untersuchen.
Bei der gentechnischen Methode wird die Biosynthese durch Bakterien mit Hilfe von Genmutationen unterbrochen; ein Intermediat einer Biosynthesesequenz reichert sich dabei an.
Bedeutung für die Organische Chemie
Für die organische Chemie stellt die Naturstoffchemie in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar. Zum einen auf dem Gebiet der Strukturaufklärung, also der Analytik. Nicht selten arbeiten an der Strukturaufklärung mehrere Arbeitsgruppen über Jahre. Komplexe Strukturen wie z. B. das Azadirachtin bedurften mehrerer Anläufe, bis die korrekte Struktur bewiesen wurde.[20] Auch die Totalsynthese eines Naturstoffes beweist nicht immer die richtige Struktur – wie sich am Patchulialkohol und der Synthese von Büchi gezeigt hat.[21][22]
Generell ist auch die Synthese eines komplexen Naturstoffes eine Herausforderung für die organische Chemie. Um als Pharmakon eine Bedeutung zu erlangen, muss eine Totalsynthese oder Partialsynthese entwickelt werden. Noch wichtiger ist dies im Rahmen der Strukturoptimierung, denn dabei müssen tausende Verbindungen auf der Basis eines Naturstoffes synthetisiert werden, um eine Struktur-Wirkungs-Beziehung aufstellen und die pharmakologischen Eigenschaften optimieren zu können.[23] Naturstoffe sind in der Regel komplexe Verbindungen mit Chiralitätszentren, welche in der gewünschten stereochemischen Konfiguration aufgebaut werden müssen. Die verwendeten Reagenzien müssen kompatibel mit den funktionellen Gruppen im Molekül sein oder es muss zusätzlich eine entsprechende Schutzgruppenstrategie gewählt werden.
Wie lange und arbeitsintensiv eine Naturstoffsynthese sein kann, zeigen beispielsweise die Totalsynthesen von Vitamin B12 durch Robert B. Woodward und Albert Eschenmoser aus dem Jahr 1973,[24] die Synthese von Palytoxin durch Yoshito Kishi aus dem Jahr 1994[25] oder der Wettlauf um die erste Totalsynthese von Taxol zwischen Robert A. Holton, Kyriacos C. Nicolaou und Samuel J. Danishefsky aus demselben Jahr.[26] Die Synthese von Vitamin B12 hat etwa 20 Jahre Entwicklungsarbeit erfordert. Hierfür mussten jeweils ganz neue Reaktionsschritte entwickelt werden und beim Vitamin B12 mit den Woodward-Hoffmann-Regeln sogar neue theoretische Grundlagen geschaffen werden. Für deren Entwicklung wurde Roald Hoffmann mit dem Nobelpreis gewürdigt.[27] Robert B. Woodward war schon im Jahr 1965 für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Naturstoffchemie ausgezeichnet worden.[28][29][30]
Eine weitere Bedeutung von Naturstoffen in der Organischen Chemie ist ihre Nutzung als Quelle für Synthesebausteine. Sehr viele Naturstoffe, wie z. B. Zucker oder Aminosäuren, sind chirale Verbindungen und können so als Vorläufermoleküle für chirale Synthesen oder als Reagenzien benutzt werden. Naturstoffe können aber auch einfach eine Quelle für komplexe Ausgangsverbindungen und sogar für industrielle Synthesen darstellen. So stellt beispielsweise die Shikimisäure das Startmaterial für die großtechnische Synthese des Grippewirkstoffs Oseltamivir (Tamiflu) der Firma Roche dar.[31]
Klassifikation nach biologischer Funktion
Bei der Klassifikation von Naturstoffen nach biologischer Funktion unterscheidet man zwischen primären Naturstoffen und sekundären Naturstoffen. Die Unterscheidung geht auf den Nobelpreisträger Albrecht Kossel zurück.[32][33]
Diese Einteilung ist heute eher willkürlich und historisch bedingt; wird jedoch immer noch in der Literatur verwendet. Sowohl von der chemischen Struktur als auch von der biologischen Funktion ist diese Gliederung überholt, da ein Naturstoff sowohl eine lebenserhaltende Funktion im Sinne von Kossel haben kann aber auch klassische Funktionen der sekundären Naturstoffe (Transmittermoleküle, Pheromone, Fraßabwehr usw.) haben kann.
Primäre Naturstoffe
Zu den primären Naturstoffen zählen nach der Definition von A. Kossel alle Verbindungen, die im Organismus für den Lebenserhalt und das Wachstum notwendig sind. Es handelt sich hierbei aber um keine streng abgegrenzte Klasse und die Übergänge zwischen den primären und sekundären Stoffwechselwegen sind fließend.[34]
Primäre Naturstoffe findet man beim Aufbau (Wachstum) von Lebewesen aber auch während des Abbaus zu kleineren Molekülen, was mit einem Energiegewinn für den Organismus einhergehen kann. Diese Energie kann wiederum zum Aufbau von anderen primären oder sekundären Biomolekülen verwendet werden. Aufbau und Abbau von Naturstoffen sind die Grundlage für den Energie- und Massestoffwechsel in allen Organismen.
Sekundäre Naturstoffe
Sekundäre Naturstoffe werden aus vielen Gründen gebildet, sind jedoch nicht essentiell für den Lebenserhalt des Organismus. Sie stellen eine sehr große Vielfalt an chemischen Strukturen dar und werden im sogenannten Sekundärstoffwechsel gebildet. Dieser schließt sich an den primären Stoffwechsel an und kann daher nicht unabhängig von diesem stattfinden. Der sekundäre Stoffwechsel ist jedoch nicht am Energiestoffwechsel beteiligt und ist weder Bestandteil des anabolen (aufbauenden) noch des katabolen (abbauenden) Stoffwechsels. Sekundäre Naturstoffe werden nur in speziellen Zelltypen gebildet. Die Übergänge von primären Stoffwechselprodukten zu sekundären Stoffwechselprodukte ist fließend. Die biologische Funktion von sekundären Naturstoffen ist sehr vielfältig und auch häufig nicht bekannt.
Klassifikation nach chemischer Struktur
Bei der Klassifikation von Naturstoffen nach chemischer Struktur (Stoffklasse) unterscheidet man die Biomoleküle und Biomolekülgruppen nach ihren funktionellen Gruppen, d. h. ihrem strukturellen Aufbau. Bei Naturstoffen findet man sowohl kleine, einfache Moleküle wie z. B. Steroide, Aromatische Verbindungen oder Fettsäuren, aber auch sehr komplexe Biopolymere wie Proteine, DNA und Kohlenhydrate. Auch diese Klassifizierung ist nicht als absolut anzusehen, da komplex zusammengesetzte Stoffe (z. B. ein hochgradig glycosyliertes Protein (Glycoprotein) nicht einer reinen chemischen Stoffklasse zugeordnet werden können.
Aminosäuren, Peptide und Proteine
Die proteinogenen Aminosäuren sind ausschließlich α-Aminosäuren. Es kommen jedoch auch β-Aminosäuren wie β-Alanin, β-Aminobuttersäure oder γ-Aminobuttersäure natürlich vor. Alle natürlich vorkommenden α-Aminosäuren (mit Ausnahme des Glycins) sind chiral. Es handelt sich praktisch ausschließlich um L-Aminosäuren.[35]
Vollständige Synthese aller 20 biogenen Aminosäuren findet man nur in Mikroorganismen und Pflanzen. Tiere – also auch der Mensch – müssen bestimmte Aminosäuren – Valin, Leucin, Isoleucin, Threonin, Lysin, Phenylalanin und Tyrosin - als essentielle Aminosäuren mit der Nahrung aufnehmen. Für Fische und Insekten sind zusätzlich auch noch Arginin und Histidin essentiell.
Grundlage für alle Varianten von Aminosäuren bilden die proteinogenen Aminosäuren. Weitere Aminosäuren wie z. B. Ornithin oder Homoserin kommen in Proteinen und als Stoffwechselprodukte vor. Weitere nicht proteinogene Aminosäuren werden durch Hydroxylierung von proteinogenen Aminosäuren gebildet. Dazu gehört z. B. 4-Hydroxyprolin. Des Weiteren findet man Produkte aus N-Methylierungen oder Iodierungen. In Mollusken wurden einige halogenierte Aminosäuren gefunden. Insgesamt wurden bisher über 400 Aminosäuren identifiziert, die nicht in Proteine eingebaut werden. Viele davon werden durch Hydroxylierung oder Methylierung von homologen proteinogenen Aminosäuren gebildet. Sie kommen in Peptidantibiotika oder als Toxine (wie z. B. im Knollenblätterpilz) vor. Seltene Aminosäuren wie Canavanin (Fabaceae), Mimosin (Mimosen-Arten) und 2-Methylen-cyclopropylglycin (Sapindaceae) wirken als Antagonisten der strukturverwandten Aminosäuren Arginin, Phenylalanin und Tyrosin bzw. Leucin und sind daher toxisch.
Peptide und Proteine
Sowohl Peptide als auch Proteine sind Ketten von Aminosäuren, welche über eine Amidbindung miteinander verknüpft sind. Man unterscheidet hier Oligopeptide, Peptide und Proteine je nach Anzahl der Aminosäuren und der Molmasse.
Name Anzahl der Aminosäuren Molmasse Oligopeptid 2–10 Aminosäuren Peptid >10 – etwa 80–90 Aminosäuren Protein ab etwa 80–90 Aminosäuren ab 10.000 bzw. 10 kDa Die Unterteilung zwischen Peptid und Protein beruht darauf, dass Proteine infolge ihrer hohen Molmasse keine Dialysemembranen passieren können. Da die Molmassen von Proteinen recht groß sind, benutzt man hier gebräuchlicherweise die Maßeinheit Kilodalton (Einheitenzeichen kDa), welches der normalen gebräuchlichen Masse entspricht, jedoch um das Präfix Kilo (den Faktor 103) erweitert ist.
Aufgrund der vektorellen Verknüpfung eines acylischen Peptides oder Proteins unterscheidet man zwischen den beiden Enden den N-Terminus (das Ende mit freier oder modifizierter Amingruppe) und den C-Terminus (das Ende mit freier Carboxylatgruppe).
Peptide, welche nur aus Aminosäuren aufgebaut sind, werden als homöomere Peptide bezeichnet. Peptide, die auch Pseudoaminosäuren enthalten, werden als heteromere Peptide bezeichnet. Zu den Pseudoaminosäuren werden z. B. Hydroxycarbonsäuren gerechnet, welche die alternierende Amidstruktur eines Peptides durch eine Esterbindung unterbrechen.
Cyclische Peptide werden auch Peptolide genannt. Je nachdem, ob in einem Peptid die Aminosäuren nur über Amidbindungen untereinander verknüpft sind, oder ob noch weitere Bindungen vorhanden sind, wie beispielsweise Disulfid-Brücken, spricht man im ersten Fall von homodeten Peptiden und sonst von herodeten Peptiden. Sehr viele Peptide sind streng linear aufgebaut – aber es gibt auch verzweigte Peptide, die durch Reaktionen an den Seitenketten gebildet werden. Die Ribonukleasen sind ein Beispiel für verzweigte Peptide.[36]
Aufgrund ihres modularen Aufbaus sind Proteine und Peptide sehr variabel in ihren physikalischen Eigenschaften und haben deshalb in Organismen sehr spezielle und sehr unterschiedliche Funktionen. Zu den wichtigen Aufgaben von Proteinen gehören die als Enzym das heißt sie katalysieren biochemische Reaktionen, sind Toxine zu Abwehr, sind wichtiger Bestandteil des Immunsystems, sie bilden Körperstrukturen wie Muskeln aus und sind Transmittermoleküle.
Kohlenhydrate
Man unterscheidet innerhalb der Kohlenhydrate zwischen Monosacchariden, Oligosacchariden und Polysacchariden nach folgendem Schema:
Name Anzahl der
Monosaccharid-
EinheitenBeispiele Monosaccharide 1 Glucose, Fructose Oligosaccharide 2–9 Saccharose, Maltose, Raffinose Polysaccharide > 10 Stärke, Cellulose Bei den Polysacchariden unterscheidet man zwischen Homopolysacchariden wie Stärke, die aus einer alternierenden Zuckereinheit aufgebaut ist, und Hetereopolysacchariden, die verschiedene Zucker enthalten.
Kohlenhydrate haben vielfältige Funktionen im Organismus. Sie sind Energiespeicher welche sehr schnell mobilisiert werden kann, bilden in Form der Chitine das Exoskelett der Gliederfüßern (Arthropoden), sind als Cellulose ein wichtiger Baustein der Zellwände von Pflanzen und Bakterien und sind mit der Stärke ein Energiespeicher für Pflanzen aber auch damit ein wichtiger Energielieferant für die tierische und menschliche Ernährung.
Monosaccharide
Die verbreitetsten Monosaccharide sind die Aldohexosen und -pentosen sowie deren 2-Ketovarianten. Davon hat die Glucose eine zentrale und wichtige Rolle im Kohlenhydratstoffwechsel und damit auch im Energiehaushalt der Organismen. Der Abbau von Monosacchariden zur Energiegewinnung in Form von Adenosintriphosphat (ATP) wird Glycolyse genannt. Sie findet in praktisch allen Organismen in gleicher Form statt.
Alle Monosaccharide sind chirale Verbindungen und praktisch alle natürlich vorkommenden Monosaccharide entstammen der D-Reihe. Wurde im Stoffwechsel eine Hydroxygruppe entfernt, so spricht man von Desoxy-Zuckern. Die Desoxy-Zucker sind meist Desoxylaldosen, die normalerweise glycosidisch gebunden vorkommen. Ein Beispiel dafür ist die Desoxyribose als Baustein der Desoxyribonukleinsäure (DNA). Verzweigte Desoxyzucker werden auch als Methylosen bezeichnet und haben Bedeutung als Blutgruppensubstanz oder in den Herzglycosiden. Sie werden im Organismus durch Kohlenstoffübertragung oder Umlagerungsreaktion gebildet.[37]
Neben den Monosacchariden, die außer Sauerstoff kein weiteres Heteroatom aufweisen, sind die Aminozucker von Bedeutung. Sie sind, glycosidisch gebunden, Bestandteil von Antibiotika, Bestandteil der Zellwände von gram-positiven Bakterien und Bausteine von Chitin-Panzern.
Monosaccharide kommen in der Natur frei, aber auch gebunden als Kohlenhydrate, als Zuckeranteil eines Glycosides und als Ester von anorganischen Säuren wie Phosphorsäure oder Monoschwefelsäure vor.
Sie werden im Calvinzyklus des Photosyntheseprozesses aus Kohlendioxid und Wasser in Pflanzen aufgebaut. Tiere und der Mensch müssen im Fall einer mangelnden Zufuhr von Kohlenhydraten auf Aminosäuren zurückgreifen, um hieraus Monosaccharide zu synthetisieren. Diese Vorgang ist jedoch mit einem erhöhten Energieaufwand verbunden. Die verschiedenen Monosaccharide können von allen Organismen ineinander umgewandelt werden, so dass im Gegensatz zu den Fettsäuren und Aminosäuren, keine essentiellen Zucker bekannt sind.[38]
Cyclitole
Eng verwandt mit den Monosacchariden sind die Cyclitole. Man versteht darunter Cycloalkane mit mindestens drei Hydroxygruppen. Die verbreitetsten Vertreter sind hier die Hexahydroxycyclohexane, die auch Inosite genannt werden. Sie kommen in freier Form oder phosphoryliert vor. In neuerer Zeit wurde ihre Rolle als sekundärer Botenstoff (second messenger) erkannt. Durch die Substitution einer oder mehrerer Hydroxygruppen durch eine Aminogruppe erhält man Aminodesoxyinosite.
Di- und Oligosaccharide
Oligosaccharide sind aus zwei oder mehr Zuckereinheiten aufgebaut und werden entsprechend als Di-, Tri-, Tetrasaccharide usw. bezeichnet. Das bei weitem häufigste Disaccharid ist die Saccharose (Rohr- oder Rübenzucker), welche aus einer Glucose- und einer Fructose-Einheit besteht.
Saccharose kommt in vielen Pflanzen vor. Industriell wird sie aus Zuchtformen des Zuckerrohrs (Saccharum officinarum, 14–20 % Gehalt) und der Zuckerrübe (Beta vulgaris, 16–20 % Gehalt) gewonnen.
Ein weiteres sehr wichtiges Disaccharid ist die Lactose, die in der Ernährung Neugeborener von Säugetieren (Mammalia) praktisch die einzige Kohlehydratquelle darstellt. Lactose besteht aus 1,4-verknüpfter Galactose mit Glucose. Weitere wichtige Vertreter der Disaccharide sind Trehalose (Insekten, Pilze, Hefen, Algen, Bakterien und Moose), Gentiobiose (bspw. als Zuckerrest des Amygdalins – das Glycosid der Bittermandel (Prunus amygdalus amara)) und das Primaverin (aus Primeln (Primula)).[39]
Polysaccharide
Polysaccharide sind allgegenwärtige Naturstoffe. Ein bedeutendes Polysaccharid ist die Stärke, ein pflanzlicher Reservestoff, der eine große Bedeutung für die menschliche und tierische Ernährung hat. Polysaccharide dienen als Reservestoff oder sind Strukturbildner von Zellen oder Organismen. So bilden sie auch die Grundlage für die Zellwände, die die Zellen von Bakterien und Pflanzen umgeben. Als Zellwandbestandteil der Pflanzen ist Cellulose von herausragender Bedeutung, welche auch eine wichtige Funktion bei der Ernährung der Wiederkäuer darstellt. Weitere wichtige Polysaccharide, die in Pflanzen Zellwandbaustein sind, sind Pektine und Hemicellulosen. Polysaccharide, welche Aminozucker enthalten, kommen bei Tieren und Pilzen in Form von Chitin vor, welches ein Homopolysaccharid vom N-Acetyl-glucosamin darstellt.
Eine Reihe Polysaccharide besitzen nativ oder chemisch modifiziert Bedeutung als Zusätze in der Lebensmittel-, pharmazeutischen, Textil- und Kosmetikindustrie. Sie werden entweder aus pflanzlichen Material oder biotechnologisch gewonnen. Dazu gehören Xanthan, Dextran, Levan und Pullulan.[40]
Glycoside
Glycoside sind Konjugate von Mono- oder Oligosacchariden mit Alkoholen, Thiolen, Aldehyden oder Amiden, welche über das anomere Kohlenstoff-Atom direkt oder über ein Heteroatom verknüpft sind. Man kennt auch C-Glykoside, bei denen eine reine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung vorliegt, weil die anomere Hydroxygruppe vor der Verknüpfung entfernt wurde. Je nach Bindungstyp spricht man von O-, S-, N- oder C-Glycosiden.
Streng genommen sind Oligo- und Polysaccharide auch Glycoside, aber der Begriff Glycosid wird in der Regel nur für Konjugate mit Nicht-Kohlehydratresten benutzt. Dieser Rest wird als Aglycon bezeichnet. Für das Aglycon wurden eine Vielzahl von Verbindungen gefunden. Hier werden nur einige wichtige Vertreter exemplarisch aufgeführt.[41]
Funktionelle Gruppe des Aglycons mit Bindung zum Zucker Name Struktur Vorkommen Phenol Arbutin Arbutin ist ein einfaches Glycosid und kommt in verschiedensten Früchten vor. Das Aglycon ist hier ein Hydrochinon und der Zuckerrest eine β-Glucose. Alkohol Oleandrin Oleandrin ist ein Inhaltsstoff des Oleanders (Nerium oleander) und hat als Aglycon ein Steroid Alkohol Digitoxin Digitoxin ist ein Inhaltsstoff des Roten Fingerhutes (Digitalis purpurea) und hat als Aglycon ein Steroid Thiocarbonsäureamid Sinigrin Sinigrin ist ein Inhaltsstoff des Schwarzen Senfs (Brassica nigra) und des Meerrettich (Armoracia rusticana) und trägt als Aglycon ein Allylthiocarbonsäureamid Aldehyd (Cyanhydrin) Amygdalin Amygdalin ist das cyanogene Glycosid der Bittermandel (Prunus amygdalus amara) und trägt das Cyanhydrin von Benzaldehyd als Aglycon Stickstoffheterocyclus Adenosin Adenosin ist ein Baustein der DNA und hat als Aglycon eine Purinbase Anthrachinon Barbaloin Barbaloin kommt unter anderen in verschieden Aloe-Arten (Aloe) vor und trägt als Aglycon ein Anthrachinonderivat Glycoside finden pharmazeutisch vor allem als Herzglycoside (Digitoxin) oder als Antibiotikum (Erythromycin) Verwendung und werden aus natürlichen Quellen gewonnen. Biologisch sind sie als Bausteine der DNA und RNA von unverzichtbarer Bedeutung.
Die Bildung von Glycosiden dient in Organismen häufig dazu, ein eher apolares Aglykon in eine wasserlösliche Form zu bringen.
Peptidoglycane
Peptidoglycane, auch Murein genannt, sind Konjugate von Polysachaccriden mit Peptiden. Sie geben den Zellwände von Bakterien ihre Festigkeit. Sie bestehen aus einem Disaccharid (N-Acetylglucosamin β-(1,4)-verknüpft mit der Transpeptidase gebildet welche durch Antibiotika gehemmt werden kann und damit den Aufbau stabiler Zellmembrane verhindern kann.[42]
Lipide
Lipide ist eine Sammelbezeichnung für unpolare und mit unpolaren organischen Lösungsmitteln wie Ether, Petrolether oder Chloroform aus organischem Material extrahierbare Verbindungen. Diese Bezeichnung ist rein historisch begründet, da hier Verbindungen extrahiert werden, die strukturell keine Ähnlichkeit zueinander haben (wie etwa Terpene oder Steroide), andere dagegen ähneln strukturell den Fetten – wie die Glycolipide.
Heute versteht man unter Lipiden solche Verbindungen, die sich von den Fetten ableiten, also Ester von Fettsäuren mit ein- oder mehrwertigen Alkoholen sind.[43]
Fettsäuren
Die häufigsten natürlichen Fettsäuren sind langkettige Carbonsäuren mit einer gradzahligen Anzahl an Kohlenstoffatomen. Man unterscheidet zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren, also ohne oder mit (einer oder mehreren) Doppelbindungen in der Alkylkette. Die Doppelbindungen von natürlichen Fettsäuren sind immer Z-konfiguriert (cis-Konfiguration).
Ein Teil der ungesättigten Fettsäuren sind für den Menschen essentiell, da sie vom Körper nicht synthetisiert werden können und daher mit der Nahrung aufgenommen werden müssen. Sie werden teilweise als Vitamin F bezeichnet.
Fettsäuren liegen in der Natur nur selten frei vor, sondern sind in der Regel über eine Esterbindung mit Alkoholen verknüpft. Die häufigste Alkoholkomponente ist Glycerin (Glycerolipide). Man kennt aber auch Ester mit Aminoalkoholen (Sphingolipide), Monosaccharide (Glycolipide), von Diolen (Diollipide) und vom myo-Inositol.[44]
Verzweigte längerkettige aliphatische Carbonsäuren werden infolge ihrer völlig verschiedenen Biosynthese nicht zu den Fettsäuren, sondern zu den Terpenen gezählt.
Eicosanoide
Ungesättigte Fettsäuren bilden die Ausgangsverbindungen für eine Vielzahl von Regulierungsstoffen. Die Basis hierfür bildet die Arachidonsäure, welche eine ungesättigte Fettsäure ist und zwanzig Kohlenstoffe enthält. Daher leitet sich der Name Eicosanoide ab. Die Arachidonsäure wird im Organismus aus der essentiellen Linolsäure durch Kettenverlängerung und Dehydrierung gebildet.
Das Gerüst der Prostaglandine, die die wichtigsten Eicosanoide darstellen, leitet sich von der Prostansäure ab. Sie bestehen immer aus einem Fünfring mit zwei zueinander benachbarten Seitenketten. Sowohl die Seitenketten als auch der Fünfring können verschiedene funktionelle Gruppen tragen.
Die analogen Verbindungen mit einem Sechsring werden als Thromboxane bezeichnet.
Fette
Fette sind die Ester von Fettsäuren mit Glycerin. Dabei handelt es sich meist um Triglyceride, denn Mono- und Diglyceride spielen nur als Stoffwechselintermediat eine Rolle und kommen selten frei vor. Da Glycerin ein dreiwertiger Alkohol ist, findet man neben Estern von drei Molekülen der gleichen Fettsäure auch gemischte Ester. Wenn der Glycerinrest dadurch ein Asymmetriezentrum bekommt, sind Fette chirale Verbindungen und durch die Biosynthese über das Bearbeiten] Wachse
Wachse sind unpolare Ester von Fettsäuren und cyclischen oder langkettigen aliphatischen Alkoholen. Natürlich vorkommende Wachse sind in der Regel schwer trennbare Stoffgemische, welche eher von technischer Bedeutung sind. Wachse dienen in der Regel als Strukturbildner wie etwa bei den Bienenwaben und können meist wahrscheinlich nicht mehr dem Stoffwechsel zugeführt werden. Eine Ausnahme bilden bestimmte Meerestiere, die Wachse als Reservestoffe herstellen, wie z. B. Walrat (Cetaceum). Bei Pflanzen bilden Wachse die Cuticula als Verdunstungsschutz. Der Alkylrest der Alkoholgruppe kann verzweigt oder unverzweigt sein. Bei Säugetieren besteht die Alkoholgruppe meist aus Cholesterin.[45]
Komplexe Lipide
Als komplexe Lipide oder membranbildende Lipide werden solche Lipide bezeichnet, die am Aufbau von Zellmembranen beteiligt sind. Diese Lipide tragen außer den unpolaren Fettsäureresten polare Gruppen. Durch diese polaren Gruppen erhalten sie die Fähigkeit zur Selbstorganisation in wässrigen Medien. Dies lässt sich unter Laborbedingungen durch die Bildung von Liposomen zeigen.[46] Einen ähnlichen Aufbau findet man in Zellmembranen. In wässrigen Medien organisieren sich die polaren Gruppen in Richtung des polaren Wassers und die unpolaren Gruppen bilden eine Lipiddoppelschicht aus – mit Wasser außerhalb und innerhalb der Lipiddoppelschicht.[47]
Phospholipide, Sphingolipide und Glycolipide sind zellmembranbildende Lipide. Sie unterscheiden sich durch ihre polaren Reste. Im Fall der Phospholipide handelt es sich um einen Phosphorsäureester des Diglycerides. Am Phosphatrest befinden sich noch polare Reste wie Cholin (Lecitin) oder Ethanolamin (Kephalin). Sphingolipide leiten sich im Gegensatz zu den Phospholipen vom Sphingosin ab. Über eine Amidbindung ist die Fettsäure an das Sphingosin gebunden, das wiederum über einen Phosphatrest durch Esterbindungen mit einer polaren Gruppe wie Serin, Ethanolamin oder Cholin verbunden ist. Glycolipide hingegen sind verschiedene Fettsäurederivate mit einer Zuckergruppe als polarem Rest. Diese können entweder vom Glycerid-Typ, vom Sphingolipid-Typ oder einfache Fettsäureester der Monosaccaride sein.[48]
Isoprenoide Verbindungen
Isoprenoide Verbindungen leiten sich vom Isopren ab und sind formal Oligomere oder Polymere des Isoprens. Dieses Prinzip wurde vom Nobelpreisträger Leopold Ružička erkannt.[49] Daraus wird die Naturstoff-Gruppe der Terpene und Stereoide gebildet. Letztere sind im eigentlichen Sinne ebenfalls Terpene, werden aber aufgrund ihrer besonderen biologischen Bedeutung separat betrachtet. Allen Terpenen ist gemeinsam, dass sie aus der Mevalonsäure und über den gleichnamigen Mevalonsäureweg aufgebaut werden.
Terpene
Die Stoffgruppe der Terpene besitzt eine riesige Vielfalt an Kohlenstoff-Gerüsten. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie sich vom Isopren ableiten und Vielfache dieses Moleküls darstellen. Man unterscheidet die Terpene nach der Anzahl ihrer Kohlenstoffatome. Praktisch alle Terpengerüste tragen Trivialnamen und sind nach ihrer biologischen Quelle benannt. Funktionelle Gruppen werden dabei häufig als Präfix oder Suffix zum Namen des Kohlenstoffgerüstes hinzu gefügt.
Name Anzahl der Kohlenstoffatome Anzahl der Isopreneinheiten Beispiele Isopren 5 1 Isopren Monoterpene 10 2 Menthol, Carvon, Thujanon, Campher Sesquiterpene 15 3 Farnesol, Sesquiisabinen, Cadalenol, Artemisiten Diterpene 20 4 Retinal (Vitamin A), Paclitaxel, Rosan, Nimbion, Giberellan Sesterterpene 25 5 Neomanoalid, Scalarin, Hyrial Triterpene 30 6 Squalen, Protostan, Lanosterol, Oleanan Tetraterpene 40 8 Carotine (Provitamin A), Xanthophylle Polyterpene >40 >8 Naturkautschuk, Guttapercha Zu den Monoterpenen zählen auch die Iridoide, welche sich durch den Grundkörper Iridodial auszeichnen.[50]
Die Sesterterpene stellt eine quantitativ kleine Gruppe an Terpenen dar. Wenn während des Stoffwechsels Kohlenstoffatome entfernt werden, dann bekommen die Verbindungen das Präfix Nor wie etwa das Sesquiterpen Norpatchoulenol, bei welchem aus dem ursprünglichen Patchoulialkohol formal ein Methan-Molekül entfernt wurde. Terpene erfüllen eine Vielzahl von biologischen Funktionen, die von Aromen, Duftstoffe über Pheromone bis zu Vitaminfunktionen (Vitamin A) und Hormonvorläufern (Steroidhormone) reichen.[51]
Terpen bilden sehr vielfältige Kohlenstoff-Gerüste. Ihre technische Anwendungen reichen von Pharmakon (Taxol) oder Steroiden, über Insektizide (Pyrethroide) bis zu den Geruchsstoffen für die Kosmetikindustrie.
Steroide
Steroide sind in der Tier- und Pflanzenwelt weit verbreitete Naturstoffe. Sie leiten sich alle vom Triterpen Squalen ab, welches zum tetracyclischen Steran-Gerüst cyclisiert. Bei den natürlich vorkommenden Steroiden sind die Ringe B und C sowie die Ringe C und D jeweils trans verbunden und diese werden Gonane genannt. Die Ringe A und B des Gonans können entweder cis-(5β-Gonan) oder trans-(5α-Gonan) verbunden sein. Bei den natürlichen Steroiden sind diese stets cis-verbunden, also 5β-Gonane. Das wichtigste Steroid bei Menschen und Tieren ist das Cholesterin, was in Pflanzen nicht vorhanden ist. Aus Cholesterin werden Lipoproteine und Steroidhormone aufgebaut, wie die Hormone der Nebennierenrinde (Corticosteroide). Die Sexualhormone von Säugetieren, also auch von Menschen, sind Steroide.[52]
Polyprenylhydrochinone
Das Vitamin K des Menschen sowie mehrere andere ähnliche Stoffe in allen Lebewesen haben die Gemeinsamkeit eines Hydrochinonrests sowie einen angehängten Polyprenylrest. Bekannteste Beispiele und ihre Abkürzungen sind Ubichinone (beim Mensch Ubichinon-10, Coenzym Q-10), Phyllochinon (Vitamin K), Menadion, Menachinone (MK), Plastochinon (PQ) und Tocochinon. Sie fungieren als Elektronentransporter in der mitochondriellen und bakteriellen Atmungskette.
Aromatische Verbindungen
In Organismen kommen grundsätzlich drei Biosynthesewege vor, die zu aromatischen Verbindungen führen – der Shikimatweg, der Malonatweg und der Mevalonatweg.[53]
Der Shikimatweg beruht auf dem Kohlenhydratstoffwechsel und verläuft über die Shikimisäure zu den aromatischen Naturstoffen. Dieser Weg findet vor allem in höheren Pflanzen statt. Charakteristisch für diese Naturstoffe sind häufig hoch oxidierte phenolische Aromaten mit einer linearen Seitenkette mit funktionellen Gruppen. Die phenolischen Gruppen befinden sich meist in 3-, 4- und 5-Stellung der Seitenkette.
Der Malonatweg beruht auf dem Fettsäurestoffwechsel. Durch Aneinanderlagerung von Acetat-Einheiten entsteht eine Polycarbonylverbindung, die in einer oder mehreren Aldolkondensationen zu ein- oder mehrkernigen Aromaten cyclisieren kann. Charakteristisch für diese Verbindungen sind hoch oxidierte Aromaten, die häufig auch Chinone oder Hydrochinone, jedoch ohne längere Seitenketten. Die Sauerstoffgruppen stehen also in 1,4-Stellung. Den Mevalonatweg findet man vor allem in Mikroorganismen.
Auch der Mevalonatweg führt zu aromatischen Naturstoffen, den Terpenen. Ein Beispiel ist die Biosynthese von Thymol. Die auf diesen Weg hergestellten Aromaten tragen häufig die für Terpene charakteristischen Isopropylgruppen.
Tierische Organismen stellen aromatische Verbindungen selten selbst her. Diese sind daher normalerweise essentielle Nahrungsbestandteile (aromatische Aminosäuren und Vitamine).[55]
Phenylpropan-Derivate
Phenylpropan-Derivate sind aromatische Verbindungen mit einer Propyl-Seitenkette. Der Aromat trägt dabei häufig Hydroxy- oder Methoxy-Gruppen. Die Propyl-Seitenkette kann sowohl gesättigt oder ungesättigt sein, einen Cyclus bilden oder verschiedene funktionelle Gruppen tragen. Diese Verbindungsklasse wird in Pflanzen und Mikroorganismen über den Shikimat-Biosyntheseweg gebildet. Phenylpropanoide bilden neben den Terpenen den zweithäufigsten Bestandteil der ätherischen Öle. Bekannte Phenylpropane sind der Zimtaldehyd, das Anethol und das Estragol. Die Lignine sind als Baustoff der Hölzer ein Polymer der Phenylpropan-Derivate.
Flavonoide
Flavonoide gehören zu den Pflanzenfarbstoffen und leiten sich strukturell von den Phenylpropanoiden ab. Daher findet man hier auch häufig Phenole oder Methoxyphenole. Sie sind häufig mit Kohlenhydraten glycosidisch gebunden und bilden das Aglycon. Je nach funktioneller Gruppe am heterocyclischen Ring unterscheidet man zwischen Flavan, Flavon, Flavonol, Flavonon und Flavonolol. Flavonoide sind vor allem als Pflanzenfarbstoffe von Bedeutung und bilden die Mehrzahl aller Blütenfarbstoffe.[56]
Gerbstoffe
Unter dem Oberbegriff Gerbstoffe werden anorganische und organische Verbindungen bezeichnet, die in der Lage sind, tierische Häute in Leder zu überführen. Den organischen Gerbstoffen ist gemeinsam, dass sie phenolische Gruppen enthalten, aber sie bilden keine einheitliche Stoffklasse. Der wichtigste und bekannteste Gerbstoff, welcher zu den Naturstoffen zählt, ist das Tannin und ist ein Polyhydroxyphenol. Zu den Gerbstoffen zählen auch einige phenolische Flavone und deren dimere Kondensationsprodukte. Häufig liegen diese, wie auch die Flavone selbst, als Aglycon von Glycosiden vor.[57]
Polyketide
Die Polyketide sind eine große und sehr heterogene Naturstoffgruppe. Sie umfasst sowohl aliphatische, cyclische, acyclische und aromatische Verbindungen. Ihre biologischen Funktionen sind häufig unbekannt. Sie haben sehr große strukturelle Unterschiede, aber gehören alle der gleichen Naturstoffklasse an. Polyketide zeichnen sich durch einen gemeinsamen Biosyntheseweg aus. Allen ist gemeinsam, dass sie ein Kohlenstoffrückgrat enthalten, welches aus Essigsäure und Propionsäure aufgebaut ist. Wie bei den Terpenen unterscheidet man bei den Polyketiden je nach Anzahl der Acetateinheiten.
Name Anzahl der Acetate Beispiele Triketide 3 Tetraketide 4 Pentaketide 5 Heptaketide 7 Polyketidalkaloide Einbau von Ammoniak Antrachinone 8 Tetracycline 8 Malonateinheiten Polyketocarbonsäuren bilden den Ausgang aller Ketide. Grundsätzlich findet man in der Biosynthese von Polyketiden die Reaktionen der Claisen-Esterkondensation, der Aldolkondensation und der Dieckmann-Kondensation.
Als Folgereaktionen kennt man Aldolreaktionen, die Bildung von Enolestern oder -ethern, Methylierungen, Chlorierungen oder Hydroxylierungen aber auch Reduktionen der Carboxyl- oder Carbonylgruppen zu Alkoholen bzw. Methylengruppen. Auch die Decarboxylierung der β-Ketosäure-Gruppe wird beobachtet.
Heterozyklen
Pteridine
Die Pteridine leiten sich von der Grundstruktur des Pteridin ab, so beispielsweise die Vitamine Riboflavin (Vitamin B2) und Folsäure, die Coenzyme FAD und FMN, sowie die Molybdän-Cofaktoren, die sich alle vom Molybdopterin ableiten. Ihre Funktionen als Cofaktoren sind vielfältig.
Pyridinderivate
Insbesondere Nicotinsäure (Vitamin B3) und Pyridoxalphosphat mit seinen Vorstufen Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin (Vitamin B6) fallen in diese Substanzklasse.
Nucleoside
Als Nucleoside werden N-Glycoside von heterocyclischen Systemen bezeichnet. Im engeren Sinn werden besonders die Bausteine der DNA und RNA als Nucleinsäuren so bezeichnet. Bei diesen Nucleinsäuren ist der Zuckerrest immer eine Ribose (RNA) oder Desoxyribose (DNA). In der DNA sind mit Hilfe der Desoxyribonucleinsäuren die Erbinformationen gespeichert. Die RNA kann mit Hilfe der Ribonukleinsäuren biochemische Reaktionen katalysieren und als Signalüberträger bzw. als Informationsspeicher dienen.
Man kennt natürliche Nucleoside mit Purinbasen (Adenin, Guanin) und mit Pyrimidinbasen (Cytosin, Thymin und Uracil).
Purine Pyrimidine
Adenin (A)
Cytosin (C)
Guanin (G)
Thymin (T)
Uracil (U)Strukturformeln der Nukleobasen in DNA (A,G,C,T) und RNA (A,G,C,U). Die N-glycosidische Bindung zu Ribose oder Desoxyribose in DNA findet jeweils an der in den Abbildungen nach unten zeigenden NH-Gruppe statt. Porphyrine und Corrinoide
Zu den primären Naturstoffen zählen noch eine Reihe weiterer Verbindungsklassen wie die Tetrapyrrole, welche aus vier Pyrrol-Resten die über eine Methin-Brücke verbunden sind, gebildet werden. Die größte Bedeutung hier haben die ringförmigen Tetrapyrrole, die Porphyrine und Chlorine. Die Phorphyrine bilden die Grundlage für das Chlorophyll, Cytochrom und Hämoglobin und sind der Komplexligand für ein Eisen(II)-Atom. Die Chlorine sind in den Chlorophyllen der Komplexligand für Magnesium(II) als Zentralatom. Sie haben vielfältige Aufgaben im Organismus, die von Sauerstofftransport bzw. -speicherung (Hämoglobin und Myoglobin), dem Elektronen- und Energietransfer und zur Katalyse biochemischer Reaktionen (Vitamin B12 und Cytochrom P 450) als Coenzym reichen.
Alkaloide
Bereits im Jahre 1806 wurde Morphin vom deutschen Apotheker Friedrich Sertürner als erstes Alkaloid isoliert. Der Begriff Alkaloide wurde 1819 von Carl Friedrich Wilhelm Meißner geprägt, der darunter alle basischen Naturstoffe verstand. Später wurde der Begriff auch auf andere stickstoffhaltige Naturstoffe erweitert. Heute fasst man unter dieser Bezeichnung alle stickstoffhaltigen Naturstoffe zusammen, auch wenn es bis heute keine einheitliche Definition gibt. Alkaloide haben oft biologische Wirkungen und bilden wichtige Grundlagen als Leitstrukturen für pharmazeutische Wirkstoffe.
Es gibt verschiedene Bezeichnungen für die Alkaloid-Klassen, die in der Literatur nicht einheitlich gehandhabt werden. Zum einen werden Alkaloide nach ihrer botanischen Herkunft – Solanum-, Papaver-, Angostura-, Lobelia-Alkaloide usw. bezeichnet – aber zum anderen auch durch ihre chemische Stammverbindung in Pyridin-, Chinolin- oder Steroid-Alkaloide unterteilt.
Häufig werden als Alkaloide auch nur Verbindungen bezeichnet, die sich von den proteinogenen Aminosäuren ableiten und aromatische Stickstoff-Heterocyclen enthalten. Nach dieser Definition allerdings sind verschiedene stickstoffhaltige Naturstoffe wie Coniin, Piperin und Coffein keine Alkaloide.
Auch die systematische Einteilung der Alkaloide ist nicht einheitlich. Zum einen gibt es die Einteilung nach ihrer chemischen Struktur, also nach der Art des Stickstoff-Heterocyclus: So gibt es dann beispielsweise Steroid-, Indol-, Pyridin- oder Tropan-Alkaloide. Auch die Einteilung nach dem Ursprung ist verbreitet: Mutterkorn-Alkaloide, Curare oder Opiate.
In der heutigen chemischen Literatur[58][59] werden Alkaloide in folgende Gruppen, die nach ihrer chemischen Struktur geordnet sind, zusammengefasst:
- Alkaloide mit Piperidin-, Pyrrol-, Pyrrolidin- und Pyridin-Gerüst
- Alkaloide mit Isochinolin-, Chinolin-, Chinazolin- und Indol-Gerüst
- Alkaloide mit Indolizin, Pyrrolizidin- und Chinolizidin-Gerüst
- Purin-Alkaloide
- Steroid-Alkaloide
Biogene Amine
Biogene Amine zählen im eigentlichen Sinne nicht zu den Alkaloiden. Sie sind Verbindungen, die durch einfaches Decarboxylieren einer Aminosäure gebildet werden und als wichtiger Bestandteil von Lipiden, als Coenzym oder als Neurotransmitter (Acetylcholin, Tryptamin, Serotonin oder Histamin) eine Rolle spielen. Pharmazeutisch spielt hier vor allem das L-Dopa als Parkinson-Medikament eine wichtige Rolle. Weitere bekannte Vertreter sind das Adrenalin, Ephedrin oder Mescalin.
Literatur
- Gerhard Habermehl, Peter E. Hammann, Hans C. Krebs: Naturstoffchemie, 2. Auflage, Springer Verlag, 2002; ISBN 3-540-43952-8.
- Peter Nuhn: Naturstoffchemie. Mikrobielle, pflanzliche und tierische Naturstoffe, 2. Auflage, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1990; ISBN 3-7776-0473-9.
- Phytochemische Grundlagen als PDF des Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württembergs. Abgerufen am 16. September 2010.
Weblinks
- Naturstoffchemie bei internetchemie.info – Linkverzeichnis; abgerufen am 16. September 2010
- Sammlung von Vorlesungsskripten am Hans-Knöll-Institut Jena; abgerufen am 16. September 2010
Einzelnachweise
- ↑ Walter Botsch Die Bedeutung des Begriffs Lebenskraft für die Chemie zwischen 1750 und 1850, Dissertation an der Universität Stuttgart (1997), S. 140.
- ↑ Peter Nuhn: Naturstoffchemie. Mikrobielle, pflanzliche und tierische Naturstoffe, 2. Auflage, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1990, S. 20–23; ISBN 3-7776-0473-9.
- ↑ Otto Krätz: 7000 Jahre Chemie, Nikol Verlagsgesellschaft, Hamburg 1999; ISBN 3-933203-20-1.
- ↑ Reachhelpdesk.at: Welche Ausnahmen gelten für Naturstoffe?; abgerufen am 16. September 2010.
- ↑ Konsolidierte Fassung der Richtlinie 67/548/EWG; abgerufen am 16. September 2010.
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- ↑ Gerhard Habermehl, Peter E. Hammann, Hans C. Krebs: Naturstoffchemie, S. 131–243.
- ↑ Peter Nuhn: Naturstoffchemie, S. 553–597.
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