Neutral-Null-Methode

Neutral-Null-Methode

Die Neutral-Null-Methode (NNM, Nulldurchgangsmethode) ist ein standardisierter orthopädischer Bewertungs- und Dokumentationsindex für die Beweglichkeit von Gelenken. Sie wird als Code ausgedrückt, der das Bewegungsausmaß eines Gelenks in Winkelgraden um eine bestimmte Achse wiedergibt. Auf diese Weise ist die Beweglichkeit eindeutig nachvollziehbar und in Befunden und Briefen dokumentierbar. Anhand von bekannten Normwerten kann eine Bewegungseinschränkung somit bewertet und als eine Grundlage für die gutachterliche Stellungnahme eingesetzt werden.

Inhaltsverzeichnis

Bewegungsausmaß

Die Bewegungsfreiheit wird als maximale Auslenkung des Gelenkes aus der Neutralstellung in Winkelgraden angegeben, wobei die Neutralstellung mit 0° bezeichnet wird. Ausgangslage ist die „Neutrale Position“:
Der Mensch steht aufrecht, die Arme sind nach unten hängend entspannt, die Daumen nach vorn gerichtet und die Füße stehen parallel. Das bedeutet in der Regel, dass die Ellbogen und Kniegelenke nicht komplett gestreckt sind, sondern ganz leicht gebeugt. Die anliegenden Winkel werden als Null-Stellung definiert. Diese Neutralnullstellung entspricht weitestgehend der anatomischen Nullstellung (anatomische Normalposition), bei welcher die Handflächen allerdings nach vorne zeigen.

Zur Beschreibung der Beweglichkeit wird nun als erster Winkel die Auslenkung in körperferne Richtung (Streckung (Extension), Auswärtsbewegung (Abduktion), Auswärtsdrehung (Außenrotation, Pronation) usw.) angegeben. Der zweite Winkel lautet im Normalfall 0° (=Neutralstellung), der dritte Winkel die Auslenkung in körpernahe Richtung (Beugung (Flexion), Einwärtsbewegung (Adduktion), Einwärtsdrehung (Innenrotation, Supination)).

Der normale, ungestörte Bewegungsumfang des Ellbogengelenks beträgt 10°-0°-150°. Das Gradzeichen wird in der Regel nicht angeführt.
Das bedeutet, dass sich der Arm

  1. aus der Null Stellung noch 10 Grad strecken lässt (Extension),
  2. in die physiologische Nullstellung gehen kann,
  3. und bis zu einem Winkel von 150 Grad beugen lässt (Flexion).

Bei Gelenken mit mehreren Freiheitsgraden wird für jede Achse ein Datensatz angegeben. Für das Hüftgelenk lauten die Normalwerte also:

  • Streckung/Beugung: 10-0-120
  • Abspreizen/Anführen: 45-0-30
  • Aussendrehung/Innendrehung: 50-0-40

Sonderfälle

Kann die Neutralstellung des Gelenks aufgrund einer Schädigung nicht erreicht werden, erscheint der Wert 0 nicht mehr in der Mitte, sondern entweder vor dem Wert der minimalen Beugung oder nach dem Wert der minimalen Streckung (analog für die anderen Bewegungsrichtungen).

Ein typisches Beispiel ist die Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk nach einer Fraktur mit Gelenkbeteiligung. Ist hier die maximale Beugung bei 100° eingeschränkt, die Streckung aber nur bis 30° Beugestellung möglich, lautet der Befund: 0-30-100.

Im Fall eines Spitzfußes durch Sprunggelenkverletzung, bei dem die Neutralstellung (= 0°) von 90° zwischen Unterschenkelachse und Fußachse nicht erreicht wird, lautet der Befund beispielsweise 0-15-30. Der Fuß steht durchweg in Beugestellung. Man beachte, dass die Bewegung des Fußes nach oben (also Richtung Kopf) als Streckung (Extension) und die Bewegung nach unten (also zum Boden) als Beugung (Flexion) definiert sind. Mediziner bezeichnen diese Bewegungen auch als Plantarflexion (= Beugung) und Dorsalextension (= Streckung).

Dokumentation

Zur Dokumentation der erhobenen Befunden existieren im Bereich der Gesetzlichen Unfallversicherung standardisierte Messblätter für die oberen[1] und unteren[2] Extremitäten. Diese Messblätter enthalten die Normwerte der Bewegungsausnahme aller Gelenke und verdeutlichen die Systematik der Befunddokumentation. Sie werden außer im Bereich der GUV auch für private Unfallversicherungen und andere, beispielsweise sozialgerichtliche Begutachtungen eingesetzt.

Einzelnachweise

  1. Messblatt obere Extremitäten, PDF, 219,54 KB
  2. Messblatt untere Extremitäten, PDF, 48,25 KB

Literatur

  • K.-D. Thomann (Hrsg.) et al.: Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung - Praxis der klinischen Begutachtung. Elsevier, Amsterdam 2008, ISBN 978-3-437-24860-3, S. 612.

Weblinks


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