Nomoi

Nomoi

Die Nomoi (griechisch Νόμοι „Gesetze“) sind das letzte vom griechischen Philosophen Platon wahrscheinlich vor 347 v. Chr. verfasste Werk. Es enthält den ausführlichen Entwurf eines, auf einem religiösem Fundament basierten[1] Gesetzbuches für eine neu zu gründende Stadt, die in Kreta lokalisiert wird. Die „Nomoi“ sollen einen technokratischen Erziehungsstaat schaffen, der die Prinzipien der Freiheit, Einheit und Weisheit[2] verfolgt und somit dem Einzelnen die eudaimonia, die „Glückseligkeit“ ermöglicht. Während die Politeia dem Philosophen aufzeigt, was er beim Verlassen der „Höhle“ (vgl. Höhlengleichnis) beachten muss, stellen die Nomoi eine Anleitung für die Umsetzung der politischen Konzepte in der Höhle dar.[3]

Die Nomoi sind der einzige Dialog Platons, in dem Sokrates nicht namentlich vorkommt; es wird allerdings immer wieder die Meinung vertreten, der fast monologisierende Hauptteilnehmer, genannt „der Athener“, sei eine Sokrates-Figur, die gewissermaßen doch nicht Selbstmord begehen hätte müssen und seinen Feinden in Athen entkommen wäre, so z. B. von Leo Strauss. Andererseits könnte Platon selbst den "Athener" darstellen, da der Athener im vierten Buch über Erfahrungen mit Tyrannen berichtet, was eine autobiographische Anspielung auf seine Sizilienreisen sein könnte. Es gilt als das älteste überlieferte rechtsvergleichende Werk.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau des Werkes

In Form eines dramatischen Dialoges, in dem „der Athener“ die dominante Rolle übernimmt, teilt sich das Werk in zwei große Komplexe: In den Büchern I–III werden ausgehend von der spartanischen und kretischen Gesetzgebung prinzipielle Fragen erörtert, in den Büchern IV–XII wird eine Mustergesetzgebung entwickelt.

Äußerer Rahmen des Gesprächs

Der Athener, Megillos aus Sparta und Kleinias aus Kreta, alle im Greisenalter (50+), wandern von Knossos zur Zeusgrotte auf den Berg Ida, um sich den Weg zu verkürzen, diskutieren sie über die bestehenden Gesetze bzw. Verfassungen. Die Wanderung der drei Greise soll also einerseits den Weg des Minos nachvollziehen, andererseits einen „symbolischen Gang“ zum Ursprung, dem Göttlichen darstellen. Der Ruheplatz unter den Zypressen zur Mittagsstunde hat wohl einerseits eine gliedernde Funktion, andererseits galt die Mittagsstunde als Stunde göttlicher Epiphanie, als eine Zeit poetischer Initiierung und Inspiration (vgl. Phaidros – Erosrede). Bis 734e, könnte der gesamte Text als „Präambel“ gelten, um den Entwurf zu legitimieren.

Gewaltherrschaft als Ausgangspunkt für eine Umgestaltung der Gesetze

In den Nomoi wird eine Herrschaft der Gesetze als zweitbeste Lösung akzeptiert[4], doch gibt sich auch hier Platon überzeugt, dass die Ideale Herrschaftsform eine Herrschaft des Einzelnen über die Masse ist[5]. Diese Überzeugung hat zunächst schlicht pragmatische Ursachen, denn Gesetze würden vor allem durch Armut, Krankheit, Krieg, Misswirtschaft gestaltet werden[6] und seien ebenso wie die Seefahrt, die Kunst des Arztes oder Feldherren, ja generell jegliche menschliche Tätigkeit, von der „tyche“, dem Zufall abhängig[7].

In Hinblick auf die äußerlichen Gegebenheiten, auf die der Gesetzgeber keinen Einfluss hat, wird die Berechtigung und Notwendigkeit von techne[8], nun immer deutlicher, falls der äußerst seltene „Glücksfall“ einer Person, die Macht und Weisheit in sich vereint, nicht eintrifft, so hofft der Gesetzgeber auf ein Geschenk[9] der tyche: Einen „zuchtvollen“ Tyrannen, der Kraft zur Mäßigung und Selbstbeherrschung[10] besitzt, sowie ein gutes Gedächtnis, eine rasche Auffassungsgabe, Tapferkeit, eine große Gesinnung hat und jung ist. Dem philosophisch geschulten Gesetzgeber fällt infolge seines Wissens um das Gute die Aufgabe zu, den Tyrannen „zum Staatsmann zu machen, da dieser die Bürger in jede beliebige Richtung, sei es zur Tugend, sei es „zum Gegenteil der Tugend“[11], zu lenken vermag, so muss dafür gesorgt werden, dass er die Bürger zum richtigen Ziel, also zur Tugend hin lenkt.“[12]

Hintergrund

Die Gesprächspartner aus Sparta und Kreta dürften kaum zufällig gewählt sein, da die Gesetze Kretas, Spartas und Athens hoch angesehen waren.

  • Minos, der mythologische Gesetzgeber Kretas, soll von Zeus selbst unterwiesen worden sein und der Legende nach alle neun Jahre in die idäische Grotte gewandert sein um von Zeus unterwiesen zu werden.
  • Lykurg war nach Plutarch ein spartanischer Königssohn, der die Verfassungen in Kreta, Ägypten, Libyen, Spanien und Kleinasien untersuchte, um schließlich, durch die Weissagungen des Orakels von Delphi legitimiert, eine neue politische Ordnung für Sparta zu entwerfen. Über das Leben von Lykurg ist so gut wie nichts bekannt, bereits in der Antike scheiterte ein Versuch der Biographie, es ist anzunehmen, das er, ähnlich wie die angebliche Herkunft der Lakedaimonier (Nachfahren des Herakles) dazu diente, die Verfassung zu legitimieren.
  • Solon wird zu den „sieben Weisen“ Griechenlands gezählt. Er war „der“ große Reformer, der z.B. der wachsenden Not und Verarmung der unteren Schicht entgegen steuerte, indem er eine Seisachtheia, also „Lastenabschüttelung", vornahm und somit dem Wucher ein Ende setzte. Dadurch mussten sich z.B. Kleinbauern nicht in die Sklaverei begeben. Ferner führte er Dinge wie den „Rat der 400“, die „Berufungsinstanz“, die „Popularklage“ oder den Zwang der Parteiergreifung (Wer sich im Falle eines Bürgerkrieges für keine Seite entschied, wurde rechtlos.) ein. Außerdem unterteilte er die Bevölkerung in die Klassen Pentakosiomedimnoi, Hippeis, Zeugiten und Theten.

Literatur

  • G. R. Morrow: Plato’s Cretan City: A Historical Interpretation of the Laws, Princeton 1960.
  • Ada Babette Hentschke: Politik und Philosophie bei Plato und Aristoteles. Die Stellung der "Nomoi" im Platonischen Gesamtwerk und die politische Theorie des Aristoteles. Frankfurt a.M.: Klostermann 2004 (2), ISBN 978-3-465-03342-4
  • Karsten Kenklies: Die Pädagogik des Sozialen und das Ethos der Vernunft. Die Konstitution der Erziehung im platonischen Dialog Nomoi, Jena 2007.
  • Michael Erler: Platon, Basel, 2007 .
  • Klaus Schöpsdau: Nomoi (Gesetze). In: Ernst Heitsch, Carl Werner Müller (Hrsg.) Platon Werke, 2003, Göttingen.
  • Horn, Christoph: Antike Lebenskunst, Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern, München 1998.

Einzelnachweise

  1. Lg. 716 a-d, 733b
  2. Lg. 691d, 700
  3. Erler
  4. Lg. 283b-287a, 713c ff..
  5. Lg. 711-712.
  6. Lg. 709 ff.
  7. Lg. 709
  8. Lg. 709 c.
  9. Lg. 710 c-d.
  10. Aufgrund menschlicher Schwäche führt Macht zu Unvernunft und Maßlosigkeit: 691c-d,692b,713c,875b-c.
  11. Leg. 711 b.
  12. Schöpsdau: Nomoi Buch IV-VII, S.159.

Weblinks


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