Nordman

Nordman
Natalia Nordman auf einem Gemälde von Ilja Repin, 1900

Natalia Borissowna Nordman (russisch Ната́лья Бори́совна Но́рдман; * 1863 in Helsingfors, Finnland; † 30. Juni 1914 in Orselina bei Locarno, Schweiz), genannt Sewerowa, war eine russische Schriftstellerin. Sie war die Tochter eines schwedischen Admirals und einer russischen Adligen.

Nordman war eine frühe Frauenrechtlerin, Reformerin und Vegetarierin.

Biografie

Trotz lutherischer Taufe war Zar Alexander II. ihr Taufpate. Sie erhielt eine ausgezeichnete Hauserziehung, soll vier bis sechs Sprachen beherrscht haben. Sie wurde unterrichtet in Musik, Bildhauerei, Zeichnen und sogar Fotografie. Wie zu der Zeit in gehobeneren Kreisen üblich überließ man die Betreuung den Ammen und Kammerjungfern. Nordman litt schmerzlich unter der Distanz zu ihrer Mutter. In diesem Schmerz liegt möglicherweise der Schlüssel für die Ablehnung vieler gesellschaftlicher Konventionen. In der autobiographischen Erzählung „Maman“ (1909), die als eine der besten russischen Kindererzählungen gilt, beschreibt sie die schädliche Wirkung des Ammensystems auf die kindliche Psyche.

1884 lebte Nordman für ein Jahr auf einer amerikanischen Farm und arbeitete als Kuhhirtin. Nach der Rückkehr spielte sie in verschiedenen Theatern. Ihr gesellschaftlicher Tatendrang brachte sie mit einigen der bedeutendsten russischen Persönlichkeiten zusammen. 1891 begegnete sie dem russischen Maler Ilja Repin (1844-1930), den sie 1900 heiratete.

Repin lebte schon seit etwa 1891 unter dem Einfluss Tolstois vegetarisch. Durch ihn wandte sich Nordman verstärkt dem Vegetarismus zu und durchlebte dabei verschiedene Stadien. Anfangs waren es hauptsächlich gesundheitliche Gründe. Nordman litt an Tuberkulose und hoffte, sich von ihrer Erkrankung heilen zu können. Aus Tierliebe lehnte sie später sogar den Verzehr von Milch, Butter, Eiern und Honig ab und lebte quasi vegan. In ihren letzten Lebensjahren wandte sie sich der Rohkost zu. Für Nordman war die vegetarische Lebensweise eines der zentralen Themen. Mit der einfachen, natürlichen Lebensweise verknüpfte sie auch ihre reformerischen Anliegen.

Eines ihrer wichtigsten Ziele war die Verbesserung der Lage der Hausbediensteten. Bereits 1881 hob Alexander II. die Leibeigenschaft auf. 18-Stunden-Tage blieben dennoch die Regel. Nordman forderte die gesetzliche Einführung eines 8-Stunden-Tages und setzte sich für eine menschlichere Behandlung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen ein. Sie vertrat die Ansicht, dass die Selbstverwirklichung der Frau sich nicht auf das Dasein als Mutter beschränken solle. Ihre einzige Tochter Natascha starb 1867 bereits im Alter von nur zwei Wochen.

Ilja Repin: Selbstporträt mit Natalia Nordman (1903)

Nach dem Tod der Mutter (1898) erwarb Nordman im Mai 1899 nordwestlich von Sankt Petersburg im finnischen Kuokkala ein Anwesen und begann mit der Errichtung der Villa „Penaten“. Seit der Kapitulation Finnlands gehört Kuokkala zu Russland und heißt heute Repino. Sie ließ ein Theater errichten und Bildungsstätten. Kuokkala entwickelte sich in dieser Zeit zu einem lebendigen kulturellen Zentrum. Für Repin richtete sie ein Atelier ein. 1903 ließ Repin sich in Kuokkala nieder und lebte dort bis zu seinem Tode. In ihrem Testament hinterließ die Nordman Repin das Anwesen. Heute befindet sich dort ein Repin-Museum.

Nordman engagierte sich energisch für die vegetarische Lebensweise und hielt zahlreiche Vorträge, unter anderem am Psycho-Neurologischen Institut in Sankt Petersburg. Dessen damaliger Leiter war der Neurologe Wladimir Bechterew. Sie predigte eine einfache Lebensweise und setzte sich für die Naturheilkunde ein, beispielsweise für die Kneippsche Wassertherapie und die Kräuterheilkunde. Nordman erkannte, dass es für die Verbreitung des Vegetarismus unbedingt nötig sei, dass er auf eine solide wissenschaftliche Basis gestellt würde.

Sie schrieb an Bechterew und machte ihm den Vorschlag, einen Lehrstuhl für Vegetarismus einzurichten. Bevor sie jedoch beginnen konnte, ihre Pläne in die Tat umzusetzen, starb Natalia Nordman.

Ihre Bücher erschienen nur in kleinen Auflagen und sind heute Raritäten (u.a. „Paradiesverheissungen“ 1913, „Intime Seiten“ 1910 mit der Erzählung „Maman“ und Berichten über die Aufenthalte Repins und Nordmans in Jasnaja Poljana bei Leo Tolstoi). Repin fertigte zahlreiche Illustrationen für ihre Erzählungen und Bücher.

In der Sowjetunion wurde sie totgeschwiegen.

Literatur

  • Peter Brang: Ein unbekanntes Russland. Kulturgeschichte vegetarischer Lebensweisen von den Anfängen bis zur Gegenwart.. Böhlau, 2003, ISBN 3412079022.

Weblinks


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