Notkompetenz

Notkompetenz

Die Notkompetenz ist ein 1992 von der Bundesärztekammer in einem Schreiben geprägter Begriff, welches empfiehlt, Rettungsassistenten explizit aufgeführte Maßnahmen, die eigentlich einem Arzt obliegen, im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes durchführen zu lassen. Dies darf jedoch nur geschehen,

  • wenn minder invasive Maßnahmen bereits gescheitert,
  • kein Arzt in absehbarer Zeit verfügbar ist,
  • die Maßnahme dringend erforderlich ist um Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Patienten abzuwenden und[1]
  • der Rettungsassistent diese Maßnahmen erlernt hat und beherrscht.

Die Notkompetenz ist jedoch keine rechtliche Regelung, sondern eine in der Praxis oft verfolgte Empfehlung, die sich im Spannungsfeld zwischen „rechtfertigendem Notstand“ (§ 34 StGB) und diversen anderen Gesetzen (Arzneimittelgesetz, Strafgesetzbuch, Heilpraktikergesetz etc.) befindet. Nach der Empfehlung der Bundesärztekammer wird ausschließlich Rettungsassistenten die Notkompetenz zugeschrieben.

Zu den ärztlichen Maßnahmen, die demnach von Rettungsassistenten durchgeführt werden können, gehören z. B. die Endotracheale Intubation ohne Relaxierung, das Legen von peripheren venösen Zugängen, die Gabe von kristalloiden Lösungen, Frühdefibrillation (mit Halbautomaten) sowie das Verabreichen von ausgewählten Medikamenten.[2] Die Entscheidung über die Art der Medikamente trägt der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes. Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass die Notkompetenz in keinem Gesetz zu finden ist (siehe unten). Sie lässt sich nur auf Empfehlungen verschiedener Organisationen zurückführen.

Neben der Bundesärztekammer haben bereits auch andere Gremien Stellung bezogen, die auch Rettungssanitätern oder gar „allen hinreichend qualifizierten Personen“ (theoretisch also auch Rettungshelfern und Sanitätern mit entsprechendem Kenntnisstand) die Notkompetenz zuschreiben.[3]

Ergreift ein Rettungsdienstmitarbeiter (egal ob Arzt oder ärztliches Assistenzpersonal) eine invasive Maßnahme, so begeht er zunächst zumindest den Tatbestand einer vorsätzlichen Körperverletzung. Dies gilt nicht, wenn der Patient durch den Rettungsdienstmitarbeiter über die Maßnahme aufgeklärt wird und dieser in die Maßnahme einwilligt. Bei nicht entscheidungsfähigen Patienten (z.B. bewusstlos, bewusstseingestört, unter Drogeneinfluss), gilt die mutmaßliche Annahme, dass der Patient die Maßnahme im bewusstseinsklaren Zustand wünschen würde. Kommt es trotzdem zum Strafverfahren, wird nach derzeitiger Rechtsprechung im Einzelfall entschieden, ob dieser Tatbestand erfüllt ist oder die durchgeführte Maßnahme gerechtfertigt war. Zivilrechtliche Ansprüche neben dem strafrechtlichen Vorgehen nach § 34 StGB bleiben hiervon allerdings unberührt.

Rettungssanitätern und Rettungsassistenten, die hinreichend qualifiziert und sicher sind, ist es selbst überlassen zu entscheiden, ob sie die Notkompetenz ergreifen oder nicht. Durch Nichtergreifen der Notkompetenz wird der Tatbestand des „Begehen durch Unterlassen“ nur erfüllt, wenn bewiesen werden kann, dass es dem Tätigen zumutbar und möglich gewesen wäre dem Patienten durch Notkompetenzmaßnahmen suffizienter zu helfen – dies gilt im übrigen auch für jeden Bürger (bei nicht medizinisch ausgebildetem Personal spricht man hierbei von der unterlassenen Hilfeleistung).

Einzelnachweise

  1. Stellungnahme der Bundesärztekammer zur Notkompetenz von Rettungsassistenten und zur Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst, 2. November 1992, Bundesärztekammer
  2. Medikamente, deren Applikation im Rahmen der Notkompetenz durchgeführt werden kann, Stand 11. März 2004, Bundesärztekammer
  3. Vgl. Erik Hahn: Die Bedeutung der Physiotherapeuten-Entscheidung des BVerwG für die Diskussion um das Verhältnis von HPG und RettAssG im Rahmen der Notkompetenz. Notfall & Rettungsmedizin 2011, S. 51–56.

Siehe auch

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