Nutationsperiode

Nutationsperiode

Unter Nutation (zu lateinisch nutare „nicken“) versteht die Astronomie eine kleine periodische Schwankung der Richtung der Erdachse um etwa 9,2" im Rhythmus von 18,6 Jahren (Nutationsperiode), die sich dem gleichmässigen Kegelumlauf der Erdachse, der Präzession, überlagert. Daneben gibt es weitere Nutationsanteile mit Amplituden unter 1" und kürzeren Perioden.

Dieser in der Astronomie gebräuchliche Begriff der Nutation ist nicht identisch mit dem in der Mechanik gebräuchlichen Begriff der Nutation in der Kreiseltheorie, der die Bewegung der Figurenachse eines rotierenden Körpers um die Achse des Drehimpulses beschreibt und auch bei einem Körper, auf den kein Drehmoment wirkt, auftritt.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Rotation (grün), Präzession (blau) und Nutation (rot) der Erdachse (schematisch)

Die Richtung der Rotationsachse der Erde im Raume ist nicht konstant. Ihre Änderung ist im wesentlichen die Präzession, ein kegelförmiger Umlauf um den Normalenvektor der Ekliptik mit einem Öffnungswinkel von etwa 23,5° (der Schiefe der Ekliptik) und einer Umlaufdauer von 25.800 Jahren. Dieser gleichmäßigen Präzessionsbewegung überlagern sich kleinere periodische Abweichungen: die Nutation. Hervorgerufen werden die Präzession und die Nutation durch Drehmomente, die die Gravitationskräfte des Mondes und der Sonne auf die nicht streng kugelförmige, sondern etwas abgeplattete Erde ausüben. Die Nutation entsteht dadurch, dass diese Drehmomente nicht konstant sind, sondern, entsprechend den Bahnbewegungen des Mondes und der Sonne relativ zur Erde, periodische Änderungen aufweisen.

Der Hauptanteil der Nutation ändert die Richtung der Erdachse mit einer Amplitude von 9,2" und einer Periode von 18,6 Jahren. Er wird verursacht durch eine langsame Verlagerung der Ebene der Mondbahn, die gegenüber der Ekliptik um etwa 5,1° geneigt ist und deren Schnittgerade mit der Ekliptik sich in 18,6 Jahren um 360° dreht.

Die Dauer der Nutationsperiode beträgt genauer 18 Jahre und 223,898 Tage (gültig für den Anfang des Jahres 2000).[1]

Es gibt außer diesem knapp 19-jährigen Hauptanteil der Nutation noch weitere Anteile mit kürzeren Perioden (u.a. von einem halben Monat), die jeweils weniger als 1" betragen.

Nutation in Länge und Schiefe

Man zerlegt den Einfluss aus rechentechnischen Gründen in zwei Komponenten:

  • die Nutation in Länge zwischen −17,24" und +17,24", die die durch die Nutation verursachte Abweichung des wahren Frühlingspunktes von seiner mittleren – gleichmäßig durch die Präzession veränderlichen – Lage auf der Ekliptik angibt, und
  • die Nutation in Schiefe zwischen −9,21" und +9,21", die die Änderung der Schiefe der Ekliptik, also des Winkels zwischen dem Normalenvektor der Ekliptik und der Erdachse, angibt.

Einfluss auf die Sternkoordinaten

Da Erdachse und Ekliptik das astronomische Koordinatensystem definieren, verändert jede Verlagerung der Erdachse die Koordinaten (Sternörter) aller Himmelskörper. Für die etwa 2000 Fundamentalsterne – die den meisten Messungen am Himmel zugrundeliegen – werden die Sternörter unter Berücksichtigung der Präzession und der Nutation in 10-Tages-Abständen vorausberechnet und in astronomischen Jahrbüchern bzw. im Internet publiziert. Das wichtigste dieser Jahrbücher heißt Apparent Places of Fundamental Stars und wird vom astronomischen Recheninstitut (ARI) in Heidelberg jeweils jährlich im voraus herausgegeben.

Der Einfluss der „kurzperiodischen“ Nutationsanteile mit Perioden unter 35 Tagen ist jedoch bei Sternen, deren Örter in Zeitabständen von zehn Tagen tabelliert sind, nicht berücksichtigt; sie müssen mit Hilfstabellen oder kleinen Zusatzprogrammen berechnet und zu den publizierten Sternörtern addiert werden. Der Einfluss der Polbewegung wird hingegen an den Messungen selbst angebracht, ebenso wie die Zeitkorrektur dUT1 der Erdrotation.

Geschichte

Entdeckt wurde der Nutationseffekt 1728 von James Bradley, als er genaue Analysen von Sternkoordinaten vornahm. Die Ursache konnte man aber erst 20 Jahre später klären. Die Nutation hat eine ähnliche Größenordnung wie die ebenfalls von Bradley entdeckte Aberration des Lichtes.

Einzelnachweise

  1. Vollmann, 3.5, S. 26

Siehe auch

Literatur

Weblinks


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