Oberlausitzisch

Oberlausitzisch
Oberlausitzer Mundart - Schlesisch Lausitzische Mundarten

Die Oberlausitzer Mundart, Äberlausitzer Mundoart, ist ein Dialekt, der heutzutage ausschließlich im äußersten Süden der Oberlausitz gesprochen wird. Er gehört zu den Mitteldeutschen Dialekten, siehe auch unter Lausitzisch. Seine genaue Herkunft und Verwandtschaft zu bestimmen ist recht schwer. Es wird angenommen, dass diese Form des Dialektes von fränkischen, hessischen und thüringischen Siedlern stammt, welche sich in dieser Region niedergelassen hatten. Die deutsche Besiedlung des Gebietes zwischen Pulsnitz im Westen und Queis im Osten, zwischen der tschechischen Bevölkerung im Süden und der sorbischen im Norden erfolgte in der Zeit, als die Oberlausitz zur böhmischen Krone gehörte. Die Grenze zwischen Kursachsen (Meißen) und der Oberlausitz war Staatsgrenze. Die sprachliche Beeinflussung aus westlicher Richtung wurde damit gebremst. Die wirtschaftlichen, kulturellen und sprachlichen Kontakt der Oberlausitzer waren ausgerichtet in Richtung Böhmen und Schlesien, wobei letzteres ebenfalls zu Prag gehörte. Innerhalb des Herrschaftsbereiches des böhmischen Königs bildete sich durch Handel und Verkehr ein oberlausitz-schlesisches Sprachgebiet heraus. Eine konkrete Abgrenzung der Sprachregionen ist kaum möglich. Anhand alter Literatur zum Thema Mundart ist aber gut nachzuvollziehen, wie eine allmähliche Verschmelzung stattfindet. Deutschböhmische Sprachforscher ordnen auch die nordböhmische Mundart, die von der deutschsprachigen Bevölkerung zwischen Tetschen-Bodenbach (Děčin) und Reichenberg (Liberec) gesprochen wurde, dem Oberlausitzischen zu. Das Ostlausitzische schwang sich bis 1945 über die historische am Queis gelegenen Grenze zwischen der Markgrafschaft Oberlausitz und dem Herzogtum Schlesien bis nach Bunzlau (Bolesławiec). Erst ab Liegnitz (Legnica) spricht man vom der mittelschlesischen Mundart.

Vom obersächsischen Dialekt unterscheidet sich die Mundart vor allem durch das "amerikanische" cerebrale R und das Nichtvorhandensein der Konsonantenerweichung. Sie fügt sich eher in den Reigen der verschiedenen sächsischen Bergdialekte ein und weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem osterzgebirgischen Dialekt auf. Eine größere historische Nähe existiert allerdings zu den früher weiter östlich und südlich von den Deutschen in Böhmen gesprochenen Dialekten, dem Nordböhmisch und Gebirgsschlesisch bzw. Schlesisch (deutscher Dialekt). Man kann die Mundart so im weitesten Sinne auch als einen der wenigen verbliebenen Sudetendialekte bezeichnen. Stärkste Kennzeichen sind der (an amerikanische Aussprache erinnernde) weit im hinteren Rachen gebildete cerebrale R-Laut, sowie die typischen Partikel "nu"/"no" (als Ausdruck der Zustimmung) und "oack" (nur, bloß). Der Oberlausitzer nennt seine Sprache quirln (Süd- und Ostlausitz: quurln, Westlausitz: querln, quarln, quoarln), da die Konsonanten qu, r und l und der Vokal i eine andere Klangfarbe haben als in der Hochsprache. Beim Sprechen des mundartlichen R-Lautes werden die etwas angehobenen Zungenflanken fest an den mittleren Gaumen gedrückt. Die Zunge bildet eine kleine nach hinten geöffnete Wanne und bleibt regungslos liegen. Der (auch von Oberlausitzern) gebrauchte Begriff "Rollen/Rulln" gibt diesen Sachverhalt nicht unmissverständlich wieder, da beispielsweise auch das fränkische Zungen-R so bezeichnet wird

Inhaltsverzeichnis

Mundart-Dichtung

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde auf beiden Seiten der deutsch-böhmischen Grenze der Dialekt besonders gepflegt und Gedichte, Sprüche und selbst Dramen in diesem verfasst. Johann Andreas von Wagner, genannt Johannes Renatus, war der erste Oberlausitzer-Mundart-Autor. Mit den hohen Auflagen seiner Bände "Allerlee aus dar Äberlausitz" rückte er die Oberlausitzer Mundart ins Bewusstsein literarisch interessierter Kreise. Seine Erzählungen aus dem dörflichen Milieu sind aber weder vom Gestus noch vom Satzbau her echte Mundart, eher in Mundart übersetzte deutsche Schwänke, für die der – aus der Distanz betrachtet – tölpelhafte Lausitzer ein lohnendes Objekt bot. Sein Wirken bereitete jedoch einer ganzen Generation produktiver Mundart-Autoren (von "Bihm's Koarle", geb. 1854, bis Herbert Andert, geb. 1910, siehe unten) literarisch das Feld. Die Masse der Oberlausitzer Mundartliteratur erschien in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Damals begann auch das Aufblühen von Gesangs-, Brauchtums- und Schauspieltruppen, die sich der Mundart zuwandten. Besondere Förderung erfuhren diese im Nationalsozialismus, als die Lausitz als deutsche "Grenzgau" aufgewertet werden sollte. Seit den 50er Jahren änderten sich die Vorzeichen: Nun war es vor allem die (zuvor unterdrückte) sorbische Kultur und Sprache, die sich staatlicher Förderung erfreuen durfte. Die Oberlausitzer Mundart dagegen wurde wenig propagiert, wohl auch wegen der sprachlichen Verwandtschaft zu den von der SED als "Revanchisten" gebrandmarkten schlesischen Vertriebenen.

Während die meisten der nachstehend aufgeführten Schriftsteller die für Außenstehende seltsame Mundart für satirische, kauzige oder schwankhafte Darstellungen benutzten, versuchte Herbert Andert nachzuweisen, dass auch qualitätsvolle Naturbeschreibung und Stimmungslyrik in Mundart möglich ist. Zudem war er, neben seiner Eigenschaft als Verfasser zahlreicher beliebter Mundart-Lieder, der wohl profilierteste wissenschaftliche Analytiker der Oberlausitzer Mundart seiner Zeit. Hans Klecker (geb. 1946) ist der bekannteste und produktivste Vertreter einer jüngeren Schriftstellergeneration, die in ihren Werken auch das Zeitgeschehen, politische und soziale Fragen, Modetorheiten etc. kritisch reflektiert. Besondere Bedeutung hat auch das vielfältige Liedgut, welches die Liebe zur Lausitzer Heimat zum Ausdruck bringt.

Oberlausitzer Mundartdichter:

  • Johann Andreas von Wagner (1833 - 1912), Pseudonym "Johannes Renatus"
  • August Matthes (1854 - 1937), bekannt als "Bihm’s Koarle" aus Wehrsdorf
  • Emil Barber (1857 - 1917; Vertreter der Ostlausitzer Mundart)
  • Emil Eichhorn (1889 - 1974)
  • H.Schurf
  • Herbert Andert sen. (1879 - 1945)
  • Herbert Andert (* 1910) aus Ebersbach/Sachsen
  • Bruno Israel (1900 - 1986)
  • Hermann Klippel (1896 - 1960)
  • Kurt Piehler aus Dresden
  • Kurt Junge
  • Rudolf Gärtner (1875 - 1952)
  • Bruno Barthel aus Lohmen
  • Helmut Petzold
  • Hans Klecker (* 1946)

De richtsche Aussproche

’s koam amol enner zu mir, woas kenner aus dr Äberlausitz woar. Dar wullte uff Äberlausitzsch woas viertroin, und ich sullt’s’n waaigen dr Aussproche ieberhiern. Ich soite: „Na, do mach oack lus!“ Und a fing oa. A hoatte aber’n Zungnschlag ne richtsch weg und kunnte sei Schmeckelappel ne, wie’ch’s gehirrt, an Maule rimwelkern. Dermitte kloang oalls su troige. ’s woar kee Soaft hinne. „Halt!“ soite iech, „woart amol! Do miß mer irschte a poar Vuriebungn machen derzu. Soit amol: ‚Rhoaboarber‘!“ Nur soite jerr: „Rhabarber.“ „Nee, doas is kenner, dar a dr Äberlausitz gewachsen is. Aber’s moag amol gutt senn dermitte. Do hoa’ch Euch nu woas ufgeschriebm. Iech war'sch Euch vierlasn; doas last’r derno anooch: A Rupperschdurf, do rissen de Riepel Riesler-Reinhulds Runkelriebm raus, und a Reinsch-Richard ruten Rampler-Rusen-Ranken ruppten die Räkel o noa droa rim!“ Nu loas dar’sch. Aber dos woar goar ne, oas wenn doas Rupperschdurfer Riepel gewaast wärn. „Nee“, soite iech, „su klingt doas ne. ’s fahlt abm dr Soaft. Nu last mer amol doas vier, woas’ch do ufgeschriebm hoa: „Lucke-Lobel, Lurenz-Laberecht und Liebschersch-Lui a Leckerschdurf gihn a leisen Laderloatschen und lussen’ch lange schune lange Loden wachsen!“ Nu loas dar’sch vern Blaatel oab, wie’s abm enner macht, dar aus Zschitzewitz is.- „Richtch is ne, aber mir missen wetter. Soit amol ‚Wojn‘!“ - „Woahn.“ Iech schuttelte mit’n Kuppe und meente: „Nu soit amol de Mehrzoahl ‚Waajne‘!“ - „Waahne.“ - „Lußt’s gutt senn! Euer Waajne senn ne geschmärt! Sprecht amol ‚Abernkoallchel‘!“ - „Abernkäuchel.“ - „Nee, nee!“

Satt’r, do woar amol enner, dar is vill Juhre a Amerika gewaast. Wie a na zwanzch Juhrn heem koam, hot’n niemand mih derkannt - ne amol sei Schulfreund Bihms-Fernand. Do hot dar Fremde gesoit, Bihms-Fernand sällt’n oack amol noa woase froin vu jesfahrten. Bihms-Fernanden schuuß a Bloat, und a meente: „Soit amol ‚Abernkoallchel‘!“ Und do soite dar Fremde ganz naturgetreu „Abernkoallchel“. Do fiel’n Bihms-Fernand im Hoals und meente ganz geruhrt: „Anu gleeb’ch’s! Itze bist’s!“ Und nu soit ihr oalle amol „Abernkoallchel“. Seid’r’sch oder seid’r’sch ne? Wams ne gegan is, dar brett’s abm ne. ’s muss oageburn senn.

Rudolf Gärtner aus: Anne Fuhre Freede aus dr Äberlausitz, Herbert Andert

Pflege der Mundart

Verschiedene Vereine, so vor allem Gesangs- und Theatervereine, widmen sich seit Jahrzehnten der Pflege der Oberlausitzer Mundart und der überlieferten Volkskunst. Als Beispiele seien hier der Volkschor Wehrsdorf und die Laienspielgruppen von Sohland an der Spree und die Volksspielkunst Thalia Jonsdorf sowie die Ebersbacher „Heedelirchen“ und „Edlroller“ zu nennen. Die Vereine treten mehrmals im Jahr öffentlich auf und bringen ihr Erlerntes zum Vortrag. In letzter Zeit wurden auch wieder verstärkt Bücher in der Mundart verfasst, welche besonders Gedichte, Sprüche und Anekdoten aus der Region beinhalten.

Redewendungen und Wortbeispiele

Wie bei den meisten Mundarten existiert für die Oberlausitzer Mundart keine einheitliche Orthographie. Schon in 10 km entfernten Orten der Oberlausitz können einzelne Silben ganz anders betont, einzelne Buchstaben „verschluckt“ werden. Auffallend in der Oberlausitzer Mundart bzw. der Neulausitzer Mundart ist, das zwei Wörter zusammengezogen werden, also verkürzt wird; z. B. „kömmer“ für „können wir“; „mer moachn'ch roaa“ für „wir machen uns dran“.

Einige häufig zutreffende Regeln sind bei der Wortbildung auszumachen:

  • Substantivierungen auf -heit und -ung enden auf -che: Achtche, Bescherche, Begabche
  • Adjektive auf -ig oder -lig enden auf -ch oder -lch: imbänd'ch; mahlch (mehlig)
  • Worte auf -rich enden auf -erch: Heinerch (Heinrich)

Die Mundart ist reich an slawischen, aber auch französischen Lehnwörtern (in der folgenden Tabelle mit * bzw. ° gekennzeichnet). Diese stammen einerseits aus der langen Zeit des Zusammenlebens mit den Sorben und Tschechen, andererseits aus der Präsenz französischer Truppen während der Napoleonischen Kriege sowie der "Salonsprache" des städtischen Bürgertums.

In der Umgangssprache ist, wie in anderen Mundarten, eine Nivellierung zu beobachte, in der grammatikalische Besonderheiten und ausgefallene Begriffe mit der Zeit verschwinden, so dass mehr oder weniger nur die Besonderheiten der Aussprache erhalten bleiben.

Oberlausitzer Mundart Hochdeutsch/Bedeutung
Abern Kartoffeln (Erdbirnen), vgl sorb. běrna
Abernmauke Kartoffelmus
...angst ...weh (Zahn-)
bälfern husten
bee a bee° nach und nach
braasch'n schwatzen
commode° bequem; faul
dan dichen diesen
daheeme° zu Hause
dischgeriern° sich unterhalten
duse, dusemank° langsam, bedächtig
oréschern° sich erregen (echauffieren)
Feierriepel Essenkehrer bzw. Schornsteinfeger
Gierschdurfer Schiss’n Neugersdorfer Schießen (Rummel)
'ch hämschen sich verletzen
Hitsch'l kleiner Schemel
Hietroaibroadel (Hintragebrettchen) = Tablett
Hoader Scheuerlappen
Huntschl* Ferkel, sorb. hunčo
Huschel* Gänslein, sorb. huso
Huxt Hochzeit
hurcht ock amol haar hört mal her
jenn Tag gestern
Kraatschn* Krug/Schänke (eingedeutscht "Kretscham")
Kummt oack rei! Kommt nur rein!
loaber ne rim (soviel wie) quatsch nicht rum
Luder... (negative Vorsilbe)
malade sein° krank sein, sich zerschlagen fühlen
murne morgen
Mutsche* Kuh
naajcht'n gestern Nacht
naatsch'n weinen, flennen
Nubber Nachbar
Nu! Zustimmung, Bestätigung (ja)
Plauze* Lunge, sorb. płuca
a de Rasche kumm° wütend werden
Roaber Schubkarren
Roaziehgloas (Ranziehglas) = Fernglas
satz'ch oack hie setz dich hin
Stacheete Zaunlatte
dr Tähts° der Kopf
Teichlmauke Kartoffelbrei mit Brühe
verdeefundiern° verteidigen
zerrn zanken
Zulker* Zopf

Typisch sind einige geflügelte Worte:

Oberlausitzer Mundart Hochdeutsch/Bedeutung
Dar stoand do wie de Kuhe vern neu'n Ture. Der stand da wie die Kuh vorm neuen Tor.
Dr Deifl schesst zu grußn Haufen. Der Teufel scheißt auf große Haufen.
Iech war derr glei halfm! Ich werd dir gleich helfen! (sarkastisch)
Oack ne jech'n! Immer mit der Ruhe!; wörtl.: Nur nicht jagen!
Woas sull oack warn? Was soll bloß werden?

Große Ähnlichkeiten mit dem Schlesisch (deutscher Dialekt) erkennt man an der nachstehenden Wörtern.

Oberlausitzer Mundart Schlesisch Dt. Dialekt Hochdeutsch/Bedeutung
gokeln kokkeln zündeln
Gusche Gusche Mund
Kließe Kließla Klöße
Kraatschn Kretscham (für Gasthaus)
loabern labern faseln (dumm reden)
Lurke Lorke dünner Kaffee
Loatschn Lotschen Latschen (Hausschuh/Pantoffel)
Maajgl Madla/Mädla Mädchen
oack ocke nur, bloß; doch
Ploatsch Plotsch (Dummkopf)
Hitsche Ritsche Hocker
seech'n sechen (wasserlassen)
Tippl Teppla, Tippla kleiner Topf (Tasse)
Tunke Tunke Soße

Literatur und Quellen

Andert, Herbert: I <3 [love] de Äberlausitz, Ruth Gering Verl. 1991 Klecker, Hans, Oberlausitzer Wörterbuch, Spitzkunnersdorf, Oberlausitzer Verl. 2003 (ISBN 3-933827-39-6)


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