- Oberungarn
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Oberungarn[Anm. 1] war im 16. und 17. Jahrhundert ein Verwaltungsbezirk im Nordosten des Königreichs Ungarn.
Bei ,Oberungarn‘ handelt sich um die deutsche Übersetzung der ungarischen Ausdrücke Felvidék oder Felföld (slowakisch Horná Zem ,obere Gegend‘, ,Oberland‘) oder ursprünglich Felső-Magyarország (slowakisch Horné Uhorsko ,Oberungarn‘).
Nach der Vertreibung der Osmanen im 17. Jahrhundert wurde die Verwaltungseinheit aufgelöst, der Begriff wird aber bis heute in Ungarn als ungenaue Umschreibung der Slowakei verwendet. Mit dem Gegenbegriff Niederungarn bezeichnete man in der Regel die übrigen Teile des Königreichs Ungarn.
Inhaltsverzeichnis
16. und 17. Jahrhundert
Nach der Eroberung des heutigen Ungarns durch das Osmanische Reich im 16. Jahrhundert bezeichnete „Oberungarn“ die heutige Ostslowakei und die angrenzenden Gebiete des heutigen Ungarns, die nicht von den Osmanen besetzt waren. Dieses Gebiet bildete ein eigenes Verwaltungs- und vor allem militärisches Gebiet – die österreichische Oberungarische Grenzoberhauptmannschaft (auch Oberungarisches Grenzgeneralat, lat. supremus capitaneatus (confiniorum) partium regni Hungariae superiorum, 1564–1686) mit Sitz in Kaschau (Košice) innerhalb des Königlichen Ungarns.
Mit „Niederungarn“ war damals in erster Linie die heutige West- und Mittelslowakei gemeint, ausnahmsweise auch damals das gesamte übrige Ungarn.
18. und 19. Jahrhundert
Vom 18. Jahrhundert (in den meisten Texten jedoch erst ab dem 19. Jahrhundert) bis 1918 wurde inoffiziell, aber häufig, das Gebiet des Königreichs Ungarn oberhalb der Theiß und der Donau, dessen Großteil der Slowakei entspricht, als Oberungarn bezeichnet. Andere Völker als die Magyaren verwendeten parallel die Begriffe Slowakei (im Sinne von „das zusammenhängend von Slowaken bewohnte Gebiet“) und Oberungarn (als Teil des Königreichs Ungarn). Die Slowaken hingegen bezeichneten die Gebiete des Königreichs Ungarn außerhalb der Slowakei als Dolná Zem („Unterland“).
20. und 21. Jahrhundert
Bei der Entstehung der Tschechoslowakei am Ende des Ersten Weltkriegs wurde ursprünglich verlangt, dass das gesamte Oberungarn (d. h. auch das Gebiet zwischen der Theiß und der heutigen Grenze) Bestandteil der Tschechoslowakei wird – allerdings nicht aufgrund des Begriffes Oberungarn, sondern aufgrund der Tatsache, dass auch in den fraglichen Gebieten teilweise Slowaken lebten.
Mit dem ungarischen Begriff Felvidék werden seit der Entstehung der Tschechoslowakei (1918) im weiteren Sinne nur noch die ehemaligen ungarischen Gebiete bezeichnet, die Bestandteil der Tschechoslowakei geworden sind, d. h. vor dem Zweiten Weltkrieg die Slowakei und die Karpatoukraine und danach nur noch die Slowakei.
Im engeren Sinne (und eher selten) werden seit 1918 als Oberungarn (Felvidék) nur die mehrheitlich von Ungarn bewohnten Gebiete der Slowakei, d. h. die Südslowakei, bezeichnet. So wurden auch die im Zusammenhang mit dem Ersten Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938 von der (Tschecho-)Slowakei an Ungarn abgetretenen Grenzgebiete als Oberungarn bezeichnet (diese Grenzrevision wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder rückgängig gemacht).
Vor allem in der Slowakei unter Slowaken gelten die Begriffe Felvidék und Oberungarn heute als politisch belastet und als Ausdruck des ungarischen Revisionismus. Im heutigen Ungarn und unter ungarischen Minderheiten wird der Begriff Felvidék (Oberungarn) in historischen, kulturellen oder touristischen Kontexten weiterhin gebraucht.
Mittelalter
In modernen Publikationen wird der Begriff Oberungarn auch als Übersetzung anderer mittelalterlicher (lateinischer) Begriffe verwendet, die ungefähr dasselbe Gebiet bezeichneten, nämlich das seinerzeitige Gebiet des Neutraer Fürstentums. Es waren Bezeichnungen wie Partes Danubii septentrionales (Gebiete nördlich der Donau) oder Partes regni superiores (Obere Teile des Königreichs). Aus letzterem entstand dann historisch die Bezeichnung „Oberungarn“.
Siehe auch
- Slowakei – Zum Namen des Landes
- Wappen der Slowakei – über die Bedeutung der Partes Danubii septentrionales etc.
- Mährische Slowakei
Literatur
- Iván Balassa, Gyula Ortutay: Oberungarn. In: Ungarische Volkskunde., 1979
- Gertraud Marinell-König (Hrsg.): Oberungarn (Slowakei) in den Wiener Zeitschriften und Almanachen des Vormärz (1805–1848). Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2004. (Rezension auf Kakanien Revisited)
Weblinks
- Friedrich Gottas: Eintrag Oberungarn, Enzyklopädie des Europäischen Ostens (Universität Klagenfurt)
Anmerkungen
- ↑ im 16.–19. Jahrhundert auch Oberhungarn, Ober-Hungarn, Ober-Ungarn
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