Olympiatriebwagen

Olympiatriebwagen
DB-Baureihe 420
DB-Baureihe 420/421
Anzahl: 480 Einheiten
Hersteller: MAN, WMD, LHB, MBB, O&K, Uerdingen, WU
Baujahr(e): 1969–1997
Achsformel: Bo'Bo'+Bo'Bo'+Bo'Bo'
Spurweite: 1.435 mm
Länge über Kupplung: 67.400 mm
Höhe: 3.760 mm
Breite: 3.080 mm
Drehzapfenabstand: 16.500 mm (Endwagen)
14.000 mm (MIttelwagen)
Drehgestellachsstand: 2.500 mm
Leermasse: 139,8 t
Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h
Stundenleistung: 2.400 kW
Beschleunigung: 1,0 m/s²
Treibraddurchmesser: 850/780 mm
Motorentyp: Tatzlager
Stromsystem: 15 kV 16,7 Hz AC
Stromübertragung: Oberleitung
Anzahl der Fahrmotoren: 12
Kupplungstyp: Scharfenbergkupplung
Sitzplätze: 194
Stehplätze: 254
Fußbodenhöhe: 1.000 mm

Die Baureihe 420 ist eine Baureihe von Elektrotriebzügen für den S-Bahn-Verkehr in den Wechselstrom-S-Bahn-Netzen München, Stuttgart, Rhein-Main (Frankfurt) und Rhein-Ruhr (Köln–Dortmund).

Inhaltsverzeichnis

Fahrzeug

420 002 im Deutschen Museum Verkehrszentrum

Das Fahrzeug besteht aus drei kurzgekuppelten Teilen, zwei Endwagen und einem Mittelwagen (Baureihennummer 421); zwischen den Fahrzeugteilen ist kein Übergang möglich. Alle Mittelwagen sind in Aluminium-Leichtbauweise gefertigt; die Endwagen waren zunächst noch in Stahlbauweise gehalten, wurden aber ab 420 131 ebenfalls in Aluminium ausgeführt, was neun Tonnen Leermasse einsparte. An den Endwagen sind Scharfenberg-Kupplungen eingebaut, um schnelles Kuppeln und Entkuppeln der Einheiten zu ermöglichen. So sind die im deutschen S-Bahn-Betrieb möglichen Konfigurationen von Kurzzug (eine Einheit), Vollzug (zwei Einheiten) und Langzug (drei Einheiten) schnell herstell- und auflösbar.

Während in den Endwagen nur Plätze der 2. Klasse vorhanden sind, findet sich im Mittelwagen das 1.-Klasse-Abteil, was heute noch bei den S-Bahnen in Stuttgart und Frankfurt am Main vorhanden ist; in München wurde Mitte der 1970er Jahre, also bereits kurz nach der Olympiade, wegen akutem Mangel an Beförderungskapazität für die dortigen Fahrgastmassen die 1. Klasse aufgegeben: man entfernte schlicht die Trennwände im Wagen und änderte außen die Beschriftung. Auch bei der S-Bahn Frankfurt hat der Bereich 1. Klasse nur noch die Hälfte seiner konstruktiv ursprünglich vorgesehenen Größe, welche sich anhand des größeren Sitzplatzabstands noch immer auch im jetzigen 2.-Klasse-Bereich leicht nachvollziehen lässt.

Innenraum (geringfügig modernisiert)

Weiterhin befinden sich pro Wagen vier Türen auf jeder Seite (insgesamt also 24 pro Einheit), was zusammen mit dem höhengleichen Einstieg einen schnellen Fahrgastwechsel ermöglicht. Der wesentlich größere Anteil der Fahrzeuge ist dabei mit Taschenschiebetüren ausgestattet, die in den ersten Wintern in München durch eingedrungenen Flugschnee Probleme bereiteten. Nur die letzten beiden Bauserien haben Schwenkschiebetüren.

Ein 420 besteht aus zwei voneinander unabhängigen elektrischen Anlagen, hat also zwei Hauptschalter, zwei Trafos, zwei Batteriesätze usw. Ursprünglich waren die 420 auch mit zwei Stromabnehmern ausgerüstet (von denen im Betrieb nur einer - der jeweils hintere - anzuliegen hatte), bei den allermeisten Fahrzeugen wurde der zweite Stromabnehmer aber im Laufe der Jahre entfernt. Jeder der drei Wagen ruht auf zwei luftgefederten, zweiachsigen Triebdrehgestellen. Alle zwölf Achsen des Zuges sind somit angetrieben. Die Tatzlager-Einzelachsmotoren (Tatzrollenlager, gefederte Großräder) werden über eine Thyristor-Anschnittsteuerung mit zwei unsymmetrisch-halbgesteuerten Gleichrichterbrücken in Folgeschaltung stufenlos angesteuert. Betriebsbremse ist die elektrische Bremse, die durch eine elektropneumatische Druckluftergänzungsbremse bei Bedarf (in der Regel im unteren Geschwindigkeitsbereich, das heißt in zunehmendem Maße mit abnehmender Elektrobremskraft unterhalb 60 km/h) ergänzt wird.

Der Führerstand der Baureihe 420

Weiterhin ist eine durchgehende, selbsttätig und indirekt wirkende Druckluftbremse der Bauart Knorr-Einheitsbremse vorhanden (in jedem Führerstand befindet sich ein Führerbremsventil Bauart Knorr-Selbstregler EE4; Bremsanschrift der 420: KE-P-A-E (D) bzw. KE-R-A-E (D) bei der 7./8. Bauserie). Der 420 verfügt über drei Steuerventile (eines je Wagen) und separat absperrbare (d.h. ausschaltbare) Drehgestellbremsen; bei einer mechanischen Bremsstörung muss also nicht gleich die Bremse eines ganzen Wagens ausgeschaltet werden, sondern nur die des betroffenen Drehgestells, was den resultierenden Verlust an Bremsleistung und vorhandenen Bremshundertsteln reduziert. Je Achse ist eine Radbremsscheibe vorhanden, also zwei je Drehgestell, diagonal versetzt (Ausnahme: 7. und 8. Bauserie, diese haben je Achse zwei Radbremsscheiben, d. h. eine an jedem Rad). Diese eher schwach dimensionierte mechanische Bremsanlage erfordert bei Ausfall der elektrischen Bremse eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h, um die Radbremsscheiben nicht thermisch zu überlasten. Sofern die elektrische Bremse nur an einer elektrischen Anlage ausfällt und der Zug länger als ein Kurzzug ist, sind höhere Geschwindigkeiten wieder zulässig, nachdem an der gestörten Anlage die Druckluftergänzungsbremse ausgeschaltet wurde, beim Anhalten ist dann kurz vor Stillstand des Zuges mit dem Führerbremsventil einzubremsen, um Längsrucke im Zug zu vermeiden. – Die Bremsberechnung erfolgt ausschließlich auf Grundlage der Druckluftbremse, d.h. es werden nur Bremshundertstel abgezogen, wenn Drehgestellbremsen oder Steuerventile ausgeschaltet werden; die elektrische Bremse samt Druckluftergänzungsbremse bleibt bei der Bremsberechnung aufgrund ihrer Abhängigkeit von elektrischem Strom (und sei es nur der Batteriestrom, der für die Druckluftergänzungsbremse nötig ist) unberücksichtigt.

Einsatzgeschichte

BR 420 älterer und neuer Bauserien im Betriebswerk Plochingen (1997)

Als 1972 in München ein neues S-Bahn-Netz eröffnet wurde, dessen Bau durch die im selben Jahr stattfindenden Olympischen Spiele gefördert wurde, mussten neue, moderne Fahrzeuge für den schnellen Verkehr beschafft werden. Die dreiteiligen Triebzüge der Baureihe 420 erwiesen sich als sehr gelungene Konstruktion. Sie fanden nicht nur in München ein Zuhause, auch auf der S-Bahn Rhein-Ruhr, der S-Bahn Frankfurt Rhein-Main und im Stuttgarter S-Bahn-Netz waren sie schon kurze Zeit später anzutreffen. Die in Köln und Düsseldorf stationierten Garnituren wurden allerdings später durch lokbespannte Wendezüge mit x-Wagen ersetzt. Die frei gewordenen S-Bahn-Züge wurden an die anderen S-Bahn-Netze abgegeben, wo sie dringend benötigt wurden. Im Laufe der Zeit veränderte sich das Farbkleid der Triebzüge immer wieder erheblich. Anfangs waren die Züge für das Münchner S-Bahn-Netz mit einem blauen Fensterband versehen. Nach und nach wurden die meisten Züge, zuerst in den anderen S-Bahn-Netzen, später auch in München, mit einer orange/kieselgrauen Lackierung versehen. Ein Teil der Münchner Züge trug nach der Eröffnung des neuen Flughafens einige Jahre lang einen himmelblauen Anstrich mit großen "M" als Werbung für den Flughafen. Auch in anderen Netzen gab es Werbeanstriche. Heute fahren alle Züge, dem neuen DB-Farbschema entsprechend, in verkehrsrot (außer dem als Museumsfahrzeug verwendeten 420 001).

BR 420 in Verkehrsrot

Nach und nach werden die Triebzüge der Baureihe 420 aber durch moderne Triebzüge, z.B. der Baureihe 423 ersetzt. So sind die 420 im Stuttgarter Raum auf den Linien S1 und S3 schon fast vollkommen verdrängt worden (teilweise noch auf der „kleinen S1“ bzw. als Übergangszwischentakter zur S4−S6, morgens und abends auch als reguläre S1). Bis 2013 sollen die 90 verbleibenden ET 420 im Stuttgarter S-Bahn-Netz durch 87 neue Triebzüge der Baureihe 430 ersetzt werden.

In München ist die Einsatzzeit der Baureihe 420 beendet, der letzte Zug wurde am Abend des 3. Dezember 2004 in Olching außer Dienst gestellt. Frankfurt am Main setzt die ET 420 mit Ausnahme der Linien S1, S4, S5 und S6 überall ein und rüstete 2004 und 2005 alle noch verbliebenen Einheiten auf GSM-R-Funkgeräte um.

BR 420 im Citytunnel Frankfurt am Main

Immer wieder gelangten die Fahrzeuge auch nach NRW, um die dort sonst verkehrenden lokbespannten Wendezüge zu unterstützen. Zum Fahrplanwechsel im Juni 2004 kamen erneut 420er der älteren Bauserie im Gebiet der S-Bahn Rhein-Ruhr auf den Linien S7 und S9 zum Einsatz. Diese wurden aber seit dem 17. November 2008 (S7) bis zum 27. Februar 2009 (S9) durch die neue Baureihe 422 ersetzt.

Der erste Prototyp 420 001 wurde nach Außerdienststellung durch die S-Bahn München im Dezember 2004 als Museumsfahrzeug betriebsfähig vorgehalten, wo er derzeit für Sonder- und Jubiläumsfahrten zur Verfügung steht und von der Interessengemeinschaft S-Bahn München e.V. betreut wird. Die Zukunft nach Ablauf der Hauptuntersuchung Anfang 2010 ist ungewiss. Ein Endwagen des zweiten Prototyps 420 002, der als erster die kieselgrau/blaue Lackierung hatte, war lange Zeit im Werk Steinhausen abgestellt und ist heute im Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München (Schwanthalerhöhe) ausgestellt. Zwei der drei Wagen waren stark ausgebleicht und wurden verschrottet. Daher und aus Platzgründen kam nur der eine Endwagen ins Museum.

SJ X420

Einige 420-Einheiten aus München sind als X420 an den S-Bahn-Betrieb der schwedischen Hauptstadt Stockholm verliehen worden. Diese liefen dort in blau-weißer Lackierung unter der DB-Tochter „DB Regio Sverige AB“ im Auftrag von AB Storstockholms Lokaltrafik. Bereits im November wurden die ersten dieser Einheiten zur Verschrottung nach Nykroppa in Mittelschweden abgefahren. Die Einsätze endeten am 14. Dezember 2005, und am 16. Dezember 2005 traten die letzten drei X420-Einheiten (054+058+044) ihre letzte Reise nach Nykroppa an. Somit ist diese 420-Variante bereits wieder Geschichte, da die ursprünglich bestellten X60-Züge nun geliefert werden konnten.

ET 420Plus

ET 420 Plus (Zug 420 400) bei der Ausfahrt aus Ludwigsburg-Favoritepark
Innenraum (Mittelwagen) des ET 420Plus

Zwei Triebzüge der 7. Bauserie (420 400 und 420 416) erhielten im Ausbesserungswerk Krefeld-Oppum ein umfangreiches Redesign-Programm unter dem Titel „ET 420Plus“. Äußerlich unterscheiden sich die Fahrzeuge wie folgt: digitale Zugzielanzeiger (LCD) vorn, an den Seiten und im inneren, Dachaufbauten für die Klimaanlage, LED-Scheinwerfer und Rückleuchten sowie automatische Türschließvorrichtungen mit TAV. Aufgrund der Ausstattung mit Klimaanlagen wurde außerdem der Großteil der klappbaren Fenster ausgebaut. An den Übergängen zwischen End- und Mittelwagen wurden Fenster eingebaut, so dass die Fahrgäste auch in den Nachbarwagen sehen können. An den Türen finden sich nun sowohl ein grüner Tastschalter zum Öffnen der Türen, als auch ein blauer Kinderwagen-Tastschalter direkt daneben, ähnlich denen, die sich an den Einstiegen des ET 423 wiederfinden.

Größere Änderungen gab es im Innenraum: die bisherigen grünen Sitzpolster wurden durch die aus den 423er Zügen bekannten blauen ersetzt, wobei dies (siehe oben) seit 2007 bei jeder Stuttgarter Einheit der Fall ist. Der gesamte Innenraum ist in hellgrau gehalten, der Boden dunkelgrau abgesetzt. Die Trennscheiben an den Kurzkuppelenden haben runde Oberkanten und sind mit Edelstahl-Stangen eingefasst. Die Innenbeleuchtung ist mit hochwertig verarbeiteten, anthrazitfarbenen Gittern abgedeckt. Die Feuerlöscher sind nicht mehr in den Gepäcknetzen untergebracht, sondern in Aussparungen unterhalb der Sitze. Die Innenraumaufteilung wurde so geändert, dass sich an den Köpfen der Endwagen zweimal vier Sitzplätze befinden, während der Raum zum Abstellen von Fahrrädern und Kinderwagen jetzt den Bereich auf einer Seite zwischen der 1. und 2. Tür einnimmt (vom Fahrstand aus betrachtet links). Zudem ist der Fußraum beleuchtet, die Türen sind mit Sprechstellen zum Triebfahrzeugführer ausgestattet und die Fahrzeuge verfügen über Videoüberwachung.

Darüber hinaus wurden auch die Halteansagen modernisiert, es werden nun auch die von Station zu Station unterschiedlichen Ausstiegsrichtungen genannt. Zusätzlich werden die Ausstiegsrichtungen in den im wagen-inneren befindlichen LCD-Bildschirmen angezeigt, abwechselnd zu Uhrzeit und dem genauen Namen der nächsten Station.

Seit dem 10. April 2006 befinden sich die beiden Fahrzeuge wieder auf den Linien S1, S4 und S5 des Stuttgarter S-Bahn-Netzes im Probebetrieb mit Fahrgästen.

Literatur

  • Christian Stanski: Absolut zuverlässig. Die Baureihe 420. In: LOK MAGAZIN. Nr. 252/Jahrgang 41/2002. GeraNova Zeitschriftenverlag GmbH München, ISSN 0458-1822, S. 36-45.
  • Markus O. Robold: Baureihe 420/421 – Umbauprogramm „ET 420plus“ im Werk Krefeld-Oppum. in: „Eisenbahn-Kurier“ Ausgabe 9-2005, Seite 13, 2 Bilder, 1 Grafik, EK-Verlag, Freiburg, 2005, ISSN 0170-5288
  • Markus O. Robold: Stuttgarts S-Bahn modernisiert – „Roll-Out“ des ersten ET 420 Plus. in: „Stadtverkehr“ Ausgabe November/Dezember 11/12-2005, Seiten 24-27, EK-Verlag, Freiburg, 2005, ISSN 0038-9013
  • Markus O. Robold: ET 420 Plus Klassiker aufgefrischt S-Bahn-Relaunch, in: „LOK MAGAZIN“ Ausgabe 5 (Mai 2006) Nr. 296, Seiten 64-29, GeraMond-Verlag, München, 2006, ISSN 0458-1822, 10813

Siehe auch

Weblinks


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