- Oscar Hertwig
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Oscar Wilhelm August Hertwig (* 21. April 1849 in Friedberg (Hessen); † 25. Oktober 1922 in Berlin) war ein deutscher Zoologe und Anatom. Mit seinem Lehrbuch Allgemeine Biologie eröffnete er eine Denkrichtung in der Biologie, in der nicht mehr die Vielfalt der Formen und Prozesse, sondern die gemeinsamen Kennzeichen alles Lebendigen im Vordergrund standen.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Oscar Hertwig kam als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns zur Welt. Kurz nach der Geburt zogen die Eltern nach Mühlhausen in Thüringen um, wo Oscar zusammen mit seinem Bruder Richard 1868 sein Abitur ablegte. Beide Brüder gingen 1868 nach Jena, um bei Ernst Haeckel zu studieren. 1871 vertieften sie ihre mikroskopische Technik bei Max Schultze in Bonn, bei dem sie zum Dr. med. promoviert wurden. 1874 starb Schultze plötzlich, und 1875 begleiteten beide Brüder wieder Haeckel auf einer Forschungsreise ans Mittelmeer.
Nach einigen Jahren als freier Forscher wurde Oscar Hertwig 1881 zum ordentlichen Professor für Anatomie an der Universität Jena berufen. 1888 ging er als Direktor des II. Anatomischen Instituts nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod blieb. Oscar Hertwig hatte nur wenige Schüler und Doktoranden, errang aber über seine Lehrbücher und Monografien einen großen Einfluss auf die deutsche Biologie.
Werk
Befruchtung des Seeigel-Eis
Auf der Reise von 1875 beobachtete Oscar Hertwig erstmals am nahezu durchsichtigen Seeigel-Ei in seinen einzelnen Stadien unterm Mikroskop die Befruchtung einer weiblichen Eizelle durch eine männliche Samenzelle. Noch im selben Jahr habilitierte er sich in Jena für Anatomie und Entwicklungsgeschichte über die Befruchtung des tierischen Eis.
Später erforschte er den Befruchtungsprozess noch genauer, wobei er seine mikroskopischen Präparate mit Osmiumtetroxid fixierte. Er konnte zeigen, dass bei der Befruchtung die Kerne beider Keimzellen erhalten bleiben und später zum Synkarion verschmelzen. Es kommt also nicht zu einer Neubildung des Zellkerns, wie lange Zeit etwa von Eduard Strasburger behauptet wurde. Die Chromosomen hielt er für die Träger der Erbanlagen.
Coelomtheorie
In den Jahren nach 1875 konnte Oscar Hertwig durch kein Amt behindert – häufig gemeinsam mit seinem Bruder – forschen. Sie arbeiteten über das Nervensystem und die Sinnesorgane der Hohltiere und verfolgten das Schicksal der einzelnen Keimblätter. 1881 publizierten sie die ihre Coelomtheorie, wonach sich bei vielen Tieren aus der Gastrula durch Abfaltung des Mesoderms aus dem Entoderm eine „Coelomlarve“ entwickelt.
Gegner des Sozialdarwinismus
Oscar Hertwig distanzierte sich vom Vitalismus ebenso wie von einem unreflektierten Physikalismus. Trotzdem stempelte ihn sein Lehrer Ernst Haeckel als Vitalisten ab, weil er sich kritisch über dessen Selektionstheorie, das biogenetische Grundgesetz und den Monismus geäußert hatte. Oscar Hertwig brach alle Beziehungen zu Haeckel ab, während sein Bruder Richard ihm freundschaftlich verbunden blieb. In seinen letzten Werken „Zur Abwehr des ethischen, des sozialen, des politischen Darwinismus“ und „Der Staat als Organismus“ wandte er sich gegen den zunehmenden Sozialdarwinismus.
Werke (Auswahl)
- Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies. Eine Theorie der Vererbung. Gustav Fischer, Jena 1884.
- Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. Gustav Fischer, Jena 1886 (1.Auflage) bis 1915 (10. Auflage)
- Das Werden der Organismen. Zur Widerlegung von Darwin's Zufallstheorie durch das Gesetz in der Entwicklung Gustav Fischer, Jena 1916 (1. Auflage), 1918 (2. Auflage), 1922 (3. Auflage) [1].
- Allgemeine Biologie. Zweite Auflage des Lehrbuchs „Die Zelle und die Gewebe“. Gustav Fischer, Jena 1906.
- Die Elemente der Entwicklungslehre des Menschen und der Wirbeltiere : Anleitung und Repetitorium für Studierende und Ärzte. - 5. Aufl. - Jena : Fischer, 1915. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
- Zur Abwehr des ethischen, des sozialen, des politischen Darwinismus. Gustav Fischer, Jena 1918.
Literatur
Heinz Penzlin: Oscar Hertwig legt den Grundstein zu einer Allgemeinen Biologie. In: Biologie in unserer Zeit. Band 40, Nr. 4, 2010, S. 280-282.
Weblinks
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