- Assyrische Frage in der Gegenwart
-
Die Nationalfrage der Assyrer bezeichnet die politische Frage der Assyrer als einer mesopotamischen nationalen Volksgruppe. Die nationale Frage des indigenen Volkes Mesopotamiens durchlief in ihrer Entwicklung mehrere Phasen:
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Entwicklung erlaubt, zwischen der folgenden Phasen zu unterscheiden
- Die Phase der Entstehung der modernen nationalen Gedanken und der Entwicklung eines neuen Nationalgefühles im Osmanischen Reich des 19. Jahrhunderts: Hier kristallisierte sich eine Nationalbewegung im Rahmen pan-mesopotamistischen Vorstellungen.
- Die Phase der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der neuen Nationalstaaten des Nahen Ostens (vgl. Friedensvertrag von Sèvres): In dieser Phase kristallisierten sich nationale Ziele zur Durchsetzung von Unabhängigkeit und der Abwehr eines gefürchteten Genozids.
- Die Phase von 1919 bis zum Kuwaitkrieg 1990.
- Die Phase seither.
In der ersten Phase ging es um die Schaffung einer Basis für die Verwirklichung einer nationalen Konzeptes für die syrischen Christen. Hier spielte die Weckung eines konfessionsunabhängigen Nationalbewusstseins eine große Rolle. Im Mittelpunkt dieses Gedankengutes stand die Auffassung vom syrischen Christentum und von dessen besonderem Glaubensbekenntnis, doch auch von der Ursprungsheimat Mesopotamien als der historischen Heimat aller Assyrer, Chaldäer, Maroniten und Syrer. Kirchenübergreifend entfaltete sich ein mesopotamienbezogener Nationalismus - nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in der großen assyrischen Diaspora, nicht zuletzt in den USA. Hervor traten hier ausgewanderte Vordenker wie Farid Nazha, Gabriel Ibrahim Some und Naoum Faiq.
In der zweiten Phase hatte der Assyrismus beim Neuzuschnitt nahöstlicher Staaten keinerlei Berücksichtigung gefunden und es zeichnete sich eine Umwandelung im sozialen, kulturellen und politischen Feld der genannten Konfessionen in Richtung auf ein gemeinsames Volkstum ab. Die Nationalsache der Assyrer verkörperte sich in dieser Phase in der Erhaltung der Existenz und der Gewinnung einer gemeinsamen Identität als ethnisch unabhängiges Volk in Mesopotamien. Er wurde dadurch ein innenpolitisches Problem des Osmanischen Reiches.
Wachsende Befürchtungen vor einer Verfolgung durch die irakische Diktatur spiegelten sich dann ab 1919, in der dritten Phase, in der Forderung nach der Anerkennung des Völkermords an den Suryoye von 1915–1918 und dessen Anerkennung. Das Verlangen nach Rückkehr aus dem Ausland in die Heimat, auch nach einem eigenen Staat wurde für einen bedeutenden Teil der Assyrer zur politischen Hoffnung. Die Entwicklung des Iraks war nicht geeignet, in diesem Staatsgefüge einen eigenen Platz hoffen zu machen und bestärkte daher die nationalistische Komponente der Bewegung.
In der vierten Phase seit 1990 sind die meisten politischen Organisationen der Assyrer und anderer syrisch-christlicher Dnominationen neu gegründet, und ihren Funktionären geht bis in der Gegenwart oft die praktisch-politische Erfahrung ab, um politische Abkommen zu erzielen und Koalitionen mit anderen Kräften zu bilden. Sie vermeiden ihrer Schwäche wegen zumeist direkte politische Konfrontationen und suchen Kompromisse, um ihre Existenz auf dieser Weise zu sichern. Gegenwärtig [2006/7] bildet die Forderung nach einer internationalanerkannten Sicherheitszone zum Schutz vor Gewalt, Verfolgung und Vertreibung und zur Erlangung der Menschenrechte ein wichtiger Aspekt der assyrischen Nationalfrage. Daher wird eine assyrische Weltorganisation der einzelnen assyrischen Organisationen, kulturellen und kirchlichen Gruppen angestrebt, die verstreut und vereinzelt in zahlreichen Staaten des Nahen Ostens, in Europa, in Amerika und sonst in Übersee bestehen. Deren Scheitern würde die assyrische Auswanderung aus Mesopotamien vermutlich bestärken und langfristig die assyrischen Nationwerdung abbrechen bzw. ganz unterbinden.
Siehe auch
Literatur
- Gabriele Yonan: Assyrer heute: Kultur, Sprache, Nationalbewegung der aramäisch sprechenden Christen im Nahen Osten. Verfolgung und Exil. Mit e. Vorbem. von Tilman Zülch. Hamburg, Wien: pogrom, 1978.
- Michel Chevalier: Les montagnards chrétiens du Hakkâri et du Kurdistan septentrional. Dépt. de Géographie de l'Univ. de Paris-Sorbonne, Paris 1985. ISBN 2-901165-13-3
- James Farwell Coakley: The Church of the East and the Church of England. Clarendon Press, Oxford 1992. ISBN 0-19-826744-4.
- P. und M. Sluglett: Der Irak seit 1958 - Von der Revolution zur Diktatur. Frankfurt 1991
- Gabriele Yonan: Ein vergessener Holocaust. Die Vernichtung der christlichen Assyrer in der Türkei. Gesellschaft für bedrohte Völker, 1989, ISBN 3-922197-25-6
Weblinks
Wikimedia Foundation.