- Volksgruppe
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Der Begriff Volksgruppe bezeichnet ethnische Gruppen oder Minderheiten innerhalb eines Staates.
- Autochthone Volksgruppe bezeichnet eine ethnische, rechtlich geschützte nationale Minderheit.
- Wenn es um den Schutz von Volksgruppen innerhalb eines Staates geht, spricht man von Minderheitenschutz, auch von Volksgruppenförderung (in Österreich).
- Im landläufigen Gebrauch wird der Begriff zumeist synonym für ethnische Minderheiten verwendet. Gleichzeitig bezeichnet er ethnische Gruppen innerhalb einer polyethnischen Gesellschaft bzw. eines polyethnischen Staates.
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Anders als bei den Begriffen Minderheit und indigene Völker existiert – abgesehen vor der rechtlichen Definition des Gesetzgebers in Österreich[1] – keine allgemein anerkannte spezifische Definition einer Volksgruppe, was sich auch in seiner wechselnden Anwendung auf Minder- und Mehrheiten niederschlägt.
So werden etwa Hutu und Tutsi oftmals gleichermaßen als „Volksgruppen“ bezeichnet, obwohl die erstere in Ruanda und Burundi die zahlenmäßige Mehrheit darstellt, wohingegen die letztere die parlamentarische Mehrheit in Ruanda stellt. Traditionell – außer der Zeit seit der Unabhängigkeit 1962 bis zum Genozid – beherrscht das Hirtenvolk der Tutsi die bäuerliche Hutu-Mehrheit.
In Fällen, wo mehrere Gruppen zahlenmäßig in etwa gleich stark sind, werden auch diese als „Volksgruppen“ bezeichnet, z. B. Flamen und Wallonen in Belgien. Gleichzeitig werden sehr häufig ethnische Minderheiten mit diesem Begriff benannt, so etwa deutschsprachige Minderheiten in Ostmitteleuropa (vgl. Nationalität).
Der Begriff Volksgruppe kennt keine genaue Entsprechung in anderen Sprachen. Im Englischen, Spanischen und Französische wird er zumeist als „ethnische Gruppe“ wiedergegeben.
Volksgruppenkonzept
Der Begriff wurde durch die deutsche Kulturpropaganda und die politische „Grenzlandarbeit“ im Ersten Weltkrieg bekannt. Max Hildebert Boehm von der „Arbeitsstelle für Nationalitäten- und Stammesprobleme“ prägte diesen Begriff in der völkischen Bewegung und versuchte ihn zu verwissenschaftlichen. Der Begriff der Volksgruppe ist aufgrund der explodierenden Bevölkerungszahlen und damit einer zuvor nie gekannten Bevölkerungsdichte insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert zu einem besonderen Thema der Völker geworden. Dies führte schließlich in Europa zum Entstehen einer verbrecherischen Volksgruppenpolitik der Nationalsozialisten. Diese benutzten die deutsche Minderheiten in Nachbarländern nicht allein um territoriale Ansprüche geltend zu machen, sondern förderten insbesondere auch in Südosteuropa eine Politik des Divide et impera, deren Kern es war, verschiedene Volksgruppen gegeneinander auszuspielen.
Nach dem Volksgruppenkonzept organisieren sich die Menschen nicht nur nach ihren sozialen Bedürfnissen, sondern ordnen diesen auch abstammungsorientierten (Volk) und daher nationalen Idealen unter.
Kritiker des Volksgruppenkonzeptes
Kritik nach Samuel Salzborn und Heribert Schiedel
Das Volksgruppenkonzept bezieht sich auf den romantischen Volksbegriff und politisiert diesen insofern, als eine raumordnerische Konsequenz aus der kulturellen Teilung der Menschheit in Völker und Volksgruppen gezogen werden soll. Soziale und politische Konflikte werden damit naturalisiert und einen ethnischen Entstehungszusammenhang gerückt. Indem Ethnizität als essentielle Kategorie gedacht wird und zum höchsten Gut des „menschlichen Wesens avanciert, besteht das politische Ziel in einer kompletten sozialen und politischen Segregation von Menschen entlang ethnischer Kriterien sowie in der Schaffung separierter Ethnoregionen für die einzelnen Volksgruppen.[2]
Kritik nach Günther Pallaver
„Betont wird die ethnisch-kulturelle Homogenität der Bevölkerung, oder zumindest ihre kulturell-mentalitätsmäßige Ähnlichkeit bis hin zur gemeinsamen Betroffenheit durch negative Einwirkungen von außen. Davon ausgehend wird die Gleichartigkeit der Interessen der Betroffenen gegenüber anderen Regionen oder dem übergeordneten System behauptet.“[3]
Literatur
- Minderheitenschutz und Volksgruppenrecht
- Michael Krugmann: Das Recht der Minderheiten. Legitimation und Grenzen des Minderheitenschutzes, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 955, 445 S., Berlin: Duncker & Humblot, 2004
- Jürgen Schlögel: Der Schutz ethnischer Minderheiten als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts. Studien zum Völker- und Europarecht, Bd.5, XXI, 467 S., Hamburg: Kovac, 2004
- Felix Ermacora und Christoph Pan: Grundrechte der europäischen Volksgruppen. Wien 1993
- Felix Ermacora: Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht. München 1978
- Theodor Veiter (Hrsg.): Neueste Entwicklungen auf dem Gebiet des internationalen Volksgruppenrechts und des Schutzes ethnischer Minderheiten. 3 Bände, Wien 1970–1978
- Zur Begriffsgeschichte und Kritik
- Boehm, Max Hildebert 1921: Die Selbsterneuerung des lebendigen Rechts, in: Deutsche Rundschau 47 (1921), Bd. 186
- Boehm, Max Hildebert 1932: Das eigenständige Volk. Volkstheoretische Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften, Göttingen.
- Boehm, Max Hildebert 1940: Ein Leben im Kampf um den großdeutschen Lebensraum.
- Boehm, Max Hildebert 1951: Schafft ein Europa der Völker! In: Ostdeutsche Zeitung / Die Stimme der Vertriebenen Nr. 15
- Boehm, Max Hildebert (unter dem Pseudonym Hugin) 1933: Kämpfer für deutsches Volkstum – Führer im Grenz- und Ausland: 10. Karl C. von Loesch, in: Vossische Zeitung v. 4. Februar 1933
- Ulrich Prehn: Die wechselnden Gesichter eines „Europa der Völker“ im 20. Jahrhundert. Ethnopolitische Vorstellungen bei Max Hildebert Boehm, Eugen Lemberg und Guy Héraud. In: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Münster, 2005. ISBN 3-89771-737-9
Quellen
- ↑ Die österreichische Rechtslage auf den Seiten des Bundeskanzleramts Österreichs
- ↑ Vgl. Samuel Salzborn/Heribert Schiedel: „Nation Europa“. Ethnoföderale Konzepte und kontinentale Vernetzung der extremen Rechten.
- ↑ Günther Pallaver: Kopfgeburt Europaregion Tirol. Genesis und Entwicklung eines politischen Projekts. In: Geschichte und Region/Storia e regione. Jahrbuch der Arbeitsgruppe Regionalgeschichte, Bozen 2000, S. 247
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