Parlamentsgebäude (Budapest)

Parlamentsgebäude (Budapest)
Blick von Süd
Vorderansicht
Sitzungssaal

Das Parlamentsgebäude, deutsch veraltet Reichstag (ungarisch: Országház; wörtlich: Landeshaus), ist Sitz des ungarischen Parlaments in Budapest. Das 268 Meter lange Gebäude, direkt am Donauufer gelegen, ist eines der Wahrzeichen Budapests und das größte Parlamentsgebäude Europas. Als Vorbild diente der Palace of Westminster, Sitz des britischen Parlaments in London.

Architekt des im neogotischen Stil errichteten Gebäudes war der Ungar Imre Steindl. Die Bauzeit verlief von 1885 bis 1904.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ferenc Wiesers Projekt aus 1861
Wettbewerbsbeitrag von Otto Wagner, 1883

Schon in den 1830er-Jahren gab es Pläne zur Übersiedlung des ungarischen Landtags aus Pressburg (Pozsony) in die traditionelle ehemalige Hauptstadt Pest. Der von Palatin Josef geförderte Architekt Mihály Pollack arbeitete dazu 1840 Pläne aus. 1844 wurde aber vom Landtag ein internationaler Wettbewerb ausgelobt, dessen Ergebnisse allerdings im Gefolge der revolutionären Wirren von 1848/49 nicht bearbeitet wurden.

Nach dem Ende der Ära Bach und des Neoabsolutismus in Ungarn beschäftigte sich der Landtag ab 1861 erneut mit der Frage der Errichtung eines Parlamentsgebäudes in Pest. Der Architekt Ferenc Wieser erhielt den Zuschlag, wieder scheiterte der Bau allerdings an größeren politischen Ereignissen. 1865 durfte schließlich Miklós Ybl ein neues provisorisches Landtagsgebäude planen, das noch im selben Jahr in kürzester Zeit errichtet wurde und bis heute erhalten ist (Das Gebäude in der Bródy Sándor utca 8 beherbergt derzeit das italienische Kulturinstitut in Budapest).

1873 vereinigten sich die drei Städte Buda, Pest und Óbuda zu Budapest. Sieben Jahre später beschloss man, ein neues und repräsentatives Parlamentsgebäude zu errichten, welches die Eigenständigkeit und Souveränität der Nation symbolisieren sollte. Bei der folgenden Ausschreibung gewann der ungarische Architekt Imre Steindl, wobei auch die Pläne der Zweit- und Drittplatzierten in Bauten wie dem Ethnographischen Museum und dem Landwirtschaftsministerium umgesetzt wurden. Die meisten Wettbewerbsentwürfe waren im Stil der Neorenaissance gehalten, so auch die Beiträge von Otto Wagner (mit zwei ungarischen Partnern und dem bekannten Büro Fellner & Helmer), Steindl aber orientierte sich am britischen Vorbild.

Mit dem Bau des Parlaments begann man 1885. Etwa 1000 Arbeiter waren die nächsten Jahre damit beschäftigt, über 40 Millionen Steine (darunter eine halbe Million Schmucksteine) für das Bauwerk aufeinander zu schichten. Des Weiteren wurden etwa 40 Kilogramm Gold verwendet. Eröffnet wurde das Gebäude 1896 zu den Millenniumsfeierlichkeiten, aber endgültig abgeschlossen werden konnten die Bauarbeiten erst im Jahre 1904.

Tragisch für den Architekten Imre Steindl war allerdings, dass er sein Werk niemals selbst zu Gesicht bekam, da er vor der Vollendung erblindete.

Das Gebäude

Die Fassade des Parlaments besteht aus neogotischen Elementen, die ihre Charakteristik durch die zahlreichen Türme und Giebel bekommen.

Das Parlament hat eine Länge von 268 und eine Breite von 123 Metern. Mit seiner Höhe von 96 Metern ist es neben der St.-Stephans-Basilika das höchste Gebäude Budapests. Es besitzt 10 Innenhöfe, 13 Personen- und Lastenaufzüge, 27 Eingänge, 29 Treppenhäuser, 691 Räume (darunter mehr als 200 Räume für offizielle Anlässe und Empfänge) und 365 Türmchen.

Inneres

Das Innere des Gebäudes ist im historischen Klassizismus gehalten, was die außergewöhnlichen Fresken und Wandbilder, welche die Geschichte Ungarns darstellen, unterstreichen. Überall im Parlament sind reiche, in Gold gehaltene Verzierungen zu finden. Das Parlamentsgebäude besteht aus drei Bereichen. Mittig angeordnet ist der beeindruckende Kuppelsaal, in dem die Stephanskrone mit den Reichsinsignien aufbewahrt werden. Nördlich und südlich davon befinden sich die Sitzungssäle und Räume für repräsentative Zwecke, sowie knapp 700 weitere Räume. Dazu gehören auch die Amtszimmer des Präsidenten der Republik, des Ministerpräsidenten und der Nationalversammlung.

Besonderheiten

Da die Sommer in Budapest relativ heiß werden können, erdachte sich der Architekt des Parlaments eine besondere Art von Klimaanlage. Man platzierte zwei Springbrunnen vor dem Gebäude, unter denen man verborgene Öffnungen anbrachte. Diese Öffnungen dienten der Luftzufuhr und der Luftzirkulation. Dazu liefen Tunnel von den Brunnen bis in das Parlament und lieferten so die wassergekühlte Frischluft bis in die Sitzungssäle. Später wurden einige der Tunnel allerdings zugemauert. Die verbliebenen offenen dieser Luftkanäle werden auch heute noch genutzt, so werden an heißen Sommertagen hier große Mengen von Eis deponiert, um die Räume des Parlaments zu kühlen.

Politisch bedingte Veränderungen

In den ehemaligen Amtsräumlichkeiten des Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses wurden 1929 drei al secco-Gemälde angebracht, die ursprünglich Jànos Hunyadi, Ferenc Kossuth und Miklós Horthy darstellten. Das Horthy darstellende Bild wurde nach 1945 entfernt, nach 1977 auch das sozialistisch-realistische Gemälde, das an seine Stelle getreten war. Durch den Wegfall des Magnatenhauses nach 1945 und die dadurch freiwerdenden Räumlichkeiten haben heute auch der Staatspräsident und der Ministerpräsident im Parlament ihre Arbeits- und Repräsentationsräume. Der ehemalige Sitzungssaal des Oberhauses wird für Tagungen und Kongresse genutzt.

Der im mittleren Teil angeordnete Kuppelsaal, mit seiner 96 Meter hohen und mit neogotischen Motiven geschmückten Kuppel, dient heute vor allem zu repräsentativen Zwecken. In den Sitzungssälen, nördlich und südlich angrenzend an den Kuppelsaal, werden Konferenzen und Sitzungen der Nationalversammlung durchgeführt. Der an der Spitze der Kuppel 1950 angebrachte rote Stern wurde 1990 abgenommen und 1992 durch eine Nachbildung der originalen Spitze ersetzt.

Seit dem 1. Januar 2000 werden hier auch die Stephanskrone und die ungarischen Kronjuwelen aufbewahrt und durch die Kronwache mit ihren traditionellen Uniformen bewacht. Viele Ungarn nutzten seitdem die Gelegenheit, die wichtigsten Symbole der Nation in Form des Szepters und des Reichsapfels zu besichtigen. Gruppenführungen werden in verschiedenen Sprachen durchgeführt. Für EU-Bürger ist der Besuch des Parlaments gratis.

Park

Im Park hinter dem Gebäude findet man die beiden Statuen von Ferenc Rákóczi II und Lajos Kossuth, die einen großen Anteil am ungarischen Kampf für die Unabhängigkeit des Landes hatten. Eine ewige Flamme auf einem weiteren Denkmal aus grauem Granit ehrt die Helden und Opfer des ungarischen Volksaufstandes von 1956.

Literatur (Auswahl)

  • Anton Palóczi: Die Entwürfe für das ungarische Parlamentsgebäude, Pester LLoyd, 27.,28. April, 1. Mai, 3. Mai 1883
  • Ludwig Hevesi (L. H-i):Vom neuen Reichstagsgebäude, Pester LLoyd, 12. März 1884
  • Imre Steindl:Az uj országházrol(Vom neuen Parlamentsgebäude, Akadémiai Értesitö X (1899), S 117-125
  • Lászlo Csorba, József Sisa, Zoltán Szalay: Das Ungarische Parlament, Budapest 1993

Galerie

Weblinks

 Commons: Parlament Budapest – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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