Parlamentsgebäude (Wien)

Parlamentsgebäude (Wien)
Parlamentsgebäude an der Wiener Ringstraße

Das Parlamentsgebäude an der Wiener Ringstraße, in dem die beiden Kammern des Österreichischen Parlaments tagen, wird umgangssprachlich auch als „das Parlament“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Das provisorische Parlamentsgebäude

Das Schmerlingtheater oder die Bretterbude
Das provisorische Abgeordnetenhaus, dahinter der noch unverbaute Schottenring, aufgenommen 1861 von der Votivkirche aus

Als Schmerlingtheater wurde der provisorische Bau des Reichsratsgebäudes in Wien nach dem Ministerpräsidenten Anton von Schmerling benannt. Der spöttischere Name war nur "Bretterbude".[1]

Vor dem Bau des heutigen Parlamentsgebäudes von Theophil Hansen wurde in der Währinger Straße 2–6 (gegenüber der Baustelle der den Platz beherrschenden Votivkirche, nur einen Häuserblock von der Ringstraße entfernt) vom Architekten Ferdinand Fellner ein provisorisches Gebäude errichtet. Der Baubeginn des zweigeschoßigen Riegelwandbaues war am 12. März 1861. In nur sechs Wochen stand der Bau und war am 25. April schlüsselfertig. In dieser kurzen Zeit waren an die 500 Arbeiter rund um die Uhr beschäftigt. Nachtschichten wurden bei Fackelbeleuchtung durchgeführt.

Das Grundkonzept des Gebäudes mit der Rampe und der Vorhalle, durch die man in den Sitzungssaal kam, entsprach schon dem späteren Parlamentsgebäude. Auch die Kaiserloge durfte nicht fehlen.

Das Gebäude diente bis zur Fertigstellung des heutigen Parlaments im Jahr 1883 dem Abgeordnetenhaus als Versammlungsort.

Die andere Kammer des österreichischen Reichsrates, das Herrenhaus, nutzte als Versammlungsort das Niederösterreichische Landhaus in der Herrengasse 13 in der Altstadt.

Das heutige Parlamentsgebäude

Parlament um 1900

Die Grundsteinlegung für das heutige, von Theophil von Hansen entworfene Parlamentsgebäude erfolgte am 2. September 1874, die erste Plenarsitzung fand neun Jahre später, am 4. Dezember 1883, statt.[2] Maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des Gebäudes hatte der Unternehmer Nikolaus Dumba.[3] Auffallend ist die architektonische Ähnlichkeit zum ebenfalls von Theophil von Hansen entworfenen und ebenfalls 1874 begonnenen Athener Zappeion.[4] Ausführende Baufirma war die Union-Baugesellschaft. Es ist der erste Bau in Wien, der nicht in Klafter, sondern in Meter ausgeführt wurde. (Mit Umrechnung)[5]

2011 wurden die seit Jahren bekannten Gebäudeschäden in einem Bericht zusammengefasst; die Gebäudesanierung soll 300 Millionen Euro kosten. [6]

Politische Funktionen

Der Sitz des Reichsrates hatte zwei deutlich voneinander abgesetzte Hälften, die der damaligen Gliederung des Reichsrates in Herrenhaus und Abgeordnetenhaus entsprachen; ursprünglich waren sogar zwei separate Gebäude vorgesehen gewesen. Der offizielle Name war „k.k. Reichratsgebäude“, der Name „Parlament“ war aber schon von Anfang an in Gebrauch.

Am 12. November 1918 fand hier die letzte Sitzung des Abgeordnetenhauses des k.k. Reichsrates statt, dann trat die Provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich (die bis dahin im Niederösterreichischen Landhaus getagt hatte) erstmals im Parlamentsgebäude zusammen und beschloss, dass der neue Staat Republik und Teil Deutschlands sei (Erste Republik Österreich). Hierauf wurde vor der auf der Ringstraße wartenden Menschenmenge auf der vier Meter hohen Parlamentsrampe die Republik ausgerufen. Seit März 1919 tagte hier die Konstituierende Nationalversammlung, die 1920 die Bundesverfassung beschloss, und seit 10. November 1920 (1933 / 1934–1945 unterbrochen) tagen hier Nationalrat und Bundesrat.

Nach der „Selbstausschaltung des Parlaments“ (ein Begriff der Dollfuß-Diktatur) im März 1933 tagte hier ab Mai 1934 der Bundestag, das formale Gesetzgebungsorgan des austrofaschistischen Ständestaates. 1938–1945 wurde das Gebäude vom nationalsozialistischen Regime als „Gauhaus“ bezeichnet.

Kriegsfolgen

Im Verlauf der Kriegshandlungen wurde auch das Wiener Parlamentsgebäude stark durch Bomben in Mitleidenschaft gezogen. Am 7. Februar 1945 zerstörte ein Treffer zwei der insgesamt 24 monolithischen, aus einem rotgrauen Kalkstein vom Typ Rot-Grau-Schnöll aus Adnet (Salzburg) bestehenden Säulen der zentralen Halle. Die beiden zerstörten Säulen wurden bereits 1950 durch zwei neue aus dem selben Steinbruch gebrochene, ersetzt. [7]

Details zum Gebäude

Der Giebel des Parlamentsgebäudes zeigt bis heute Symbole der 14 Kronländer des k.k. Österreich. An den unteren Enden der Auffahrtsrampe befinden sich Bronzestatuen von Rossbändigern als Symbol der Unterdrückung von Leidenschaften als Voraussetzung für konstruktive parlamentarische Zusammenarbeit. Die vier Bronzeplastiken wurden von dem Bildhauer J. Lax entworfen und in der k.k. Kunst-Erzgießerei 1897 und 1900 gegossen.

Pallas Athene
Grundriss des Parlamentsgebäudes
Historischer Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses
Sitzungssaal des Nationalrates
Sitzungssaal des Bundesrates
Budgetsaal

Der Bau wurde im griechisch-römischen Stil mit neogotischen Einflüssen gehalten. Die Besonderheit an der Konstruktion liegt in der Aufteilung der Stilrichtungen. Der linke Flügel und der linke Teil der Front wurde im römischen Stil gebaut, während die rechte im griechischen gehalten wurde. Die auf dem Dach befindlichen Statuen stellen berühmte Philosophen, Schriftsteller und Politiker ebendieser Ären dar. So sind zum Beispiel Sokrates, Platon oder Plutarch auf dem Dach zu finden.

Der von Theophil Hansen entworfene Pallas-Athene-Brunnen vor dem Parlament wurde erst 1898 bis 1902 erbaut, obwohl die Pläne schon seit 1870 bestanden. Allegorisch stellen die vier liegenden Figuren die wichtigsten Flüsse Altösterreichs dar: vorne die von Hugo Härdtl gestaltete Donau als Frau und der Inn als bärtiger Mann, die Elbe und die Moldau hinten. Darüber befinden sich zwei von Josef Tautenhayn geschaffene Frauenfiguren, die die gesetzgebende und die vollziehende Gewalt darstellen. In der Mitte des symmetrisch angelegten Brunnens befindet sich auf einer Säule die von Carl Kundmann entworfene, vier Meter hohe Figur der Pallas Athene, der griechischen Göttin der Weisheit. Sie hält in der linken Hand einen Speer, in der rechten die Nike. Dass die Göttin der Weisheit dem Parlamentsgebäude den Rücken zukehrt, führte im österreichischen Volksmund zu verschiedenen Witzen und Spottworten, wonach die Weisheit nicht im Parlament anzutreffen sei.[8]

Der historische Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses, der für 512 Abgeordnete von der Bukowina bis Dalmatien Platz bot, wird heute normalerweise nur für die Sitzungen der Bundesversammlung anlässlich der Angelobung des Bundespräsidenten und für andere Staatsakte, bei denen beide Kammern des Parlaments anwesend sind, genutzt. Während des bevorstehenden Umbaus des Nationalratssitzungssaales wird der Saal vom Nationalrat benützt werden.

Der heutige Sitzungssaal des Nationalrates befindet sich an Stelle des früheren Sitzungssaales des Herrenhauses, der 1945 durch Bombentreffer zerstört und danach völlig neu aufgebaut wurde. Der 1956 fertiggestellte Sitzungssaal ist ein typisches Beispiel der Architektur der 1950er Jahre und ist bis auf einen in Stahl getriebenen Bundesadler von Rudolf Hoflehner weitgehend schmucklos. Hinter dem Rednerpult befindet sich die Regierungsbank, die aber meist nur bei wichtigen Anlässen wie der Regierungserklärung oder der Budgetrede vollständig besetzt ist. Der Sitzungssaal ist technisch veraltet und nicht behindertengerecht und soll daher demnächst komplett erneuert werden.

Das ehemalige Vorzimmer des Herrenhauses ist seit 1920 Sitzungssaal des Bundesrates. Die Innengestaltung des Raumes wurde im Laufe der Jahrzehnte mehrfach verändert.

Die repräsentative „Säulenhalle“ direkt hinter den großen Toren auf der Rampe wird gelegentlich für Ausstellungen und politisch-gesellschaftliche Anlässe genützt. Im Gebäude befinden sich weiters diverse kleinere Sitzungszimmer für Parlamentsausschüsse, Klubräume der Abgeordnetenklubs (Fraktionen), Arbeitsräume der Nationalratspräsidentin und ihrer beiden Stellvertreter, die Parlamentsdirektion, die Parlamentsbibliothek, der Stenographendienst, Diensträumlichkeiten des LVT Wien und ein als „Milchbar“ bezeichneter gastronomischer Betrieb. Die Büros der einzelnen Abgeordneten, eine Errungenschaft der letzten Jahrzehnte, sind in Nachbargebäuden untergebracht.

Seit Oktober 2005 kann das Parlament von der Ringstraßenseite durch ein Besucherzentrum betreten werden, das im Rahmen einer Generalsanierung neu geschaffen wurde. Der Eingang befindet sich unter der Rampe unmittelbar hinter dem Pallas-Athene-Brunnen.

Beflaggung

Das Parlamentsgebäude verfügt über insgesamt fünf Flaggenmasten, davon drei auf dem Dach des Gebäudes und zwei vor dem Gebäude an der Ringstraße.

Als Bundesgebäude führt das Parlamentsgebäude die Dienstflagge des Bundes am zentralen Mast auf dem Giebel des Mittelbaues. Am von der Ringstraße aus gesehen rechten Flaggenmast auf dem vorderen Seitengiebel wird die Landesdienstflagge des Bundeslandes, das den Präsidenten des Bundesrates stellt, geführt. Am von der Ringstraße aus gesehen linken Flaggenmast auf dem vorderen Seitengiebel wird die Flagge der Europäischen Union geführt.[9] Diese drei Beflaggungen werden ständig vorgenommen.

An den beiden Flaggenmasten vor dem Parlamentsgebäude, links und rechts des Pallas-Athene-Brunnens, wird an Sitzungstagen der Bundesversammlung, des Nationalrates oder des Bundesrates die Dienstflagge des Bundes geführt.[10] An sitzungsfreien Tagen bleiben diese Masten leer. Bis 1918 wurde hier an Sitzungstagen schwarzgelb beflaggt, die kaiserlichen Farben Cisleithaniens.

Einzelnachweise

  1. Der Weg zur Doppelmonarchie am Server des Österreichisches Parlament abgerufen am 15. Juni 2009
  2. Österreichisches Parlament - 120 Jahre Parlamentsgebäude, Seite 14 (PDF-Datei)
  3. http://www.stadtbibliothek.wien.at/cgi-ma09/embed-wo.pl?lang=-de&l=3&doc=http://www.stadtbibliothek.wien.at/ausstellungen/1997/wa-233/doc-Nikolaus-2-de.htm
  4. http://www.emporis.com/en/wm/bu/?id=281147
  5. Renate Wagner-Rieger: Die Wiener Ringstrasse, Bild einer Epoche: Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph, Band 8, Teil 4, H. Böhlaus Nachf, 1969, 3-515-02676-2, S. 128
  6. www.wienerzeitung.at
  7. Andreas Rohatsch: Werksteinbeschaffung für die Baudenkmalpflege während der Zeit des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege LVIII, 2004, Heft 3/4. S. 472ff.
  8. Österreichisches Parlament - 120 Jahre Parlamentsgebäude, Seite 18 (PDF-Datei)
  9. http://www.parlament.gv.at/PERK/RGES/HO/HO12.shtml Hausordnung für die Parlamentsgebäude (HO06) XII/64
  10. http://www.parlament.gv.at/PERK/RGES/HO/HO04.shtml Hausordnung für die Parlamentsgebäude (HO06) IV/26

Literatur

  • Hansen, Theophil von: Das neu zu erbauende Parlamentshaus in Wien. In: Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenverein, 1873, ISSN 0372-9605
  • Megner, Walter Donatus: Die Rezeption antiker Architektur durch Theophil Hansen am Beispiel des Wiener Parlamentsgebäudes. Wien 2007, nicht im Buchhandel. Signatur Parlamentsbibliothek Wien: 68.597
  • Wolf, Alfred: Alsergrund. Bezirk der Dichter und Denker. Wien 1993
  • Wolf, Alfred: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien 1981
  • Settele, Matthias: Denkmal. Wiener Stadtgeschichten. Deuticke, Wien 1995, ISBN 3-216-30196-6

Weblinks

 Commons: Parlamentsgebäude von Österreich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
48.20803055555616.358127777778

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