- Paruresis
-
Klassifikation nach ICD-10 F40.2 Spezifische (isolierte) Phobien ICD-10 online (WHO-Version 2011) Unter einer Paruresis (umgangssprachlich auch schüchternen Blase) versteht man eine Blasenentleerungsstörung unterschiedlichen Schweregrades – von mehr oder weniger langem Warten bis zum Beginn der Miktion, einer unvollständigen Blasenentleerung bis hin zur Unmöglichkeit überhaupt urinieren zu können – unter der Betroffene hauptsächlich auf öffentlichen Toilettenanlagen beziehungsweise außerhalb des privaten Wohnbereiches leiden und die sich meist während der Pubertät entwickelt. Es handelt sich dabei um eine psychische Störung, nämlich eine Form der sozialen Phobien, die wiederum eine Unterform der Angststörungen darstellen. Die Bezeichnung selbst wurde 1954 von G. W. Williams und E. T. Degenhardt eingeführt.
Trotz der weiten Verbreitung und des teils großen Leidensdrucks ist der Begriff zumeist nicht einmal den Betroffenen bekannt. Auch gibt es in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur bis dato kaum Veröffentlichungen zum Thema. Somit verfügen selbst Ärzte und Psychotherapeuten meist über wenig Informationen. Die Therapie richtet sich nach den Grundsätzen zur Behandlung sozialer Phobien. Allerdings nehmen Männer im Vergleich zu Frauen bei psychischen Problemen generell weniger Hilfe in Anspruch.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Körperliche Komponente
Paruresis gründet auf einer psychisch bedingten Anspannung der Sphinkter, die das Wasserlassen erschwert oder unmöglich macht. Diese Anspannung lässt sich auf psychische Faktoren wie Angst und Stress zurückführen. Entspannungsübungen wie autogenes Training oder Tiefenentspannung können einem Betroffenen helfen, die Kontrolle über die Blasenmuskeln zurückzugewinnen. Schwerer als die körperliche Komponente wiegt aber die psychische Ursache.
Psychische Komponente
Durch ein Referenzerlebnis erfährt der Betroffene zum ersten Mal eine paretische Reaktion (oft in der Pubertät), die einen derart prägenden Eindruck hinterlässt, dass er ab dem Zeitpunkt des Erlebnisses keine Toilette mehr unbefangen aufsuchen kann. Die Ursache des Referenzerlebnisses kann mannigfaltig sein: Vom Minderwertigkeitskomplex bis hin zu Stress in der Schule oder Streit mit der Familie. Auf Grund des Referenzerlebnisses verknüpft das Unterbewusstsein die Umstände der ersten paretischen Reaktion mit der Anspannung der Harnröhrenschließmuskeln, was in der Regel dazu führt, dass die Miktionsstörung auf die Anwesenheit anderer Personen zurückgeführt wird, obwohl die Ursache ganz wo anders liegen kann. Diesen Mechanismus bezeichnet man als Konditionierung (siehe Iwan Petrowitsch Pawlow).
Der unmittelbare Eindruck eines Paruresispatienten basiert auf der gefühlten Gewissheit, dass ihn andere Menschen auf der Toilette beobachten und bewerten und sich – im Falle des Versagens – über ihn lustig machen. Bei männlichen Patienten ist zu beobachten, dass diese ihre Männlichkeit oft an der Fähigkeit, am Pissoir Wasser lassen zu können, festmachen.
Betroffene sprechen in den seltensten Fällen über ihre Krankheit, da die Schamgrenze zu hoch ist. Befürchtungen, verspottet oder nicht ernst genommen zu werden, sorgen für die zunehmende soziale Isoliertheit eines Patienten.
Patienten wollen ihre Paruresis vor anderen Menschen (Freunde, Familie, Bekannte, etc.) verbergen, was dazu führt, dass Paruresis ein Schattendasein fristet.
Literatur
- Philipp Hammelstein: Lass es laufen! Ein Leitfaden zur Überwindung der Paruresis. 2005, Pabst Science Publishers, Lengerich, ISBN 3-89967-221-6.
- Philipp Hammelstein, Britta Jäntsch, Winfried Barnett: Paruresis. Ein bisher vernachlässigtes psychotherapeutisches Problem. Psychotherapeut, 2003, 48: 260-263. (PDF-Datei)
- Heinz Alexander: Nie wieder gehemmt pinkeln
- Steven Soifer u. a.: Shy Bladder Syndrome (nur auf englisch verfügbar), ISBN 1-57224-227-2
- Carol Olmert: Bathrooms Make Me Nervous: A Guidebook for Women with Urination Anxiety (nur auf englisch verfügbar), ISBN 978-0-615-24024-4
Weblinks
- International Paruresis Association internationale Paruresis Gesellschaft
- Therapieprojekt unter Leitung von Philipp Hammelstein vom Institut für Experimentelle Psychologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Bitte den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!
Wikimedia Foundation.