Personzentrierte Systemtheorie

Personzentrierte Systemtheorie

Die Personzentrierte Systemtheorie von Jürgen Kriz ist eine Mehr-Ebenen-Konzeption zum Verständnis von psychotherapeutischen und klinischen Prozessen unter besonderer Berücksichtigung des Zusammenwirkens unterschiedlicher Ebenen (u.a. Körper, Psyche, interpersonelle und gesellschaftliche Prozesse).

Im Zentrum der Personzentrierten Systemtheorie steht das notwendige Anliegen, aus der unfassbaren Komplexität einer (physikalisch-chemischen) Reizwelt durch Reduktion in Form von sinnhafter Ordnungs-, Muster- und Regelbildung eine fassbar einfache Lebenswelt zu gestalten. Bedeutsam ist auch die Frage nach der Stabilität bzw. der adaptiven Veränderbarkeit solcher Muster. Hier spielt zudem die historische Perspektive eine wichtige Rolle, weil nur diese ein Verständnis von kulturellen Erklärungsmustern, Metaphern, Narrationen und Erklärungsprinzipien ermöglicht. Der Begriff des Sinnattraktors ist hierbei zentral: Darunter versteht Kriz die sinnzentrierte Reduktion von Verstehens- und Verständigungsmöglichkeiten, was einerseits Sicherheit und Stabilität geben andererseits Wandel, Adaptation und Kreativität einschränken kann. Entsprechend ist eines der Anliegen der Personzentrierten Systemtheorie, methoden- und schulenübergreifend die Wirkungsweise von Psychotherapie – und allgemeiner: von klinischen Prozessen - zu erklären.

Die (Meta-)Perspektive ist zunächst eine systemtheoretische - wobei einerseits Bezug auf die systemtheoretischen Konzepte der Gestalttheorie sowie der Humanistischen Psychotherapie (besonders des Personzentrierten Ansatzes von Carl Rogers) genommen wird, andererseits die Verbindungen zur modernen naturwissenschaftlichen Systemtheorie (besonders der Synergetik) gezogen wird.

Im Gegensatz zum üblichen Systemansatz in der Psychotherapie - im Rahmen der Systemischen und Familientherapie - wird der Fokus in der Personzentrierten Systemtheorie allerdings nicht primär auf die Muster in Interaktionen bzw. Kommunikationen gelegt, sondern auf die Person (im Sinne der Personzentrierten Psychotherapie). Zentrale Aspekte wie Sinn, Bedeutung oder Kohärenz finden nämlich auf der Ebene personaler Prozesse statt – auch wenn diese ganz erheblich durch soziale Prozesse in ihrer biographischen und historischen Dynamik beeinflusst werden. Ein Sozialsystem kann etwas als „sinnvoll“ definieren und/oder vorschreiben – aber ob es als etwas Sinnvolles erfahren wird, ist ein Prozess innerhalb der Person (Erste-Person-Perspektive).

Entsprechend dem Modell der Synergetik werden in der Personzentrierten Systemtheorie von der Person ausgehend dann sowohl die Kommunikation zwischen Menschen (Paaren, Familien, Organisationen) als auch die Vernetzung zu internen Prozessen (Wahrnehmung, Denken, Fühlen) in ihrer systemischen Wirkung von "unten nach oben" (Bottom-up) als auch von "oben nach unten" (Top-down) in ihrer komplexen, nicht-linearen Wechselwirkung beschrieben.

Literatur

  • Jürgen Kriz, Jürgen: Mental Health: Its Conception in Systems Theory. An Outline of the Person-Centered System Approach. In: M.J. Pelaez (Hg.): Comparative Sociology of Family, Health & Education, XX, Malaga, Espania 1991, 6061 - 6083.
  • Jürgen Kriz: Personzentrierte Systemtheorie. Grundfragen und Kernaspekte. In: A.v. Schlippe, W.C. Kriz, (Hrsg): Personzentrierung und Systemtheorie. Perspektiven für psychotherapeutisches Handeln. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, 13 - 67.
  • Jürgen Kriz: Gestalttheorie und Systemtheorie. In: Hellmuth Metz-Goeckel (Hg.): Gestalttheorie aktuell. Handbuch zur Gestalttheorie. Bd. 1, Krammer, Wien 2008, 39 - 70.
  • Jürgen Kriz (2010): Systemtheorie als eine Metatheorie zur Integration psychotherapeutischer Ansätze, Psychotherapie im Dialog (PiD), 11,1, S. 28-34.

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