Systemtheorie

Systemtheorie

Systemtheorie ist ein interdisziplinäres Erkenntnismodell, in dem Systeme zur Beschreibung und Erklärung unterschiedlich komplexer Phänomene herangezogen werden. Systemtheorien gehen analytisch von kohärenten, sich selbst erhaltenden Einheiten wie "Gesellschaft", "Justiz", "Haushalt" oder anderen aus und erklären die beobachteten Phänomene durch die Verortung des Phänomens innerhalb der Einheit. So erklärte ein systemtheoretischer Ansatz das Handeln von Individuen nicht durch Charakteristiken desselben (wie "böse", "rational" o.ä.), sondern durch seine Position in der "Gesellschaft" und die sich daraus ergebenden sozialen Zwänge. Die Analyse von Strukturen und Funktionen soll häufig Vorhersagen über das Systemverhalten erlauben.

Die Begriffe der Systemtheorie werden in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen angewandt, so in der Biologie, der Chemie, der Ethnologie, der Informatik, der Geographie, der Literaturwissenschaft, den Ingenieurwissenschaften, der Logik, der Mathematik, der Pädagogik, der Philosophie, der Physik, der Physiologie, der Politikwissenschaft, der Rechtswissenschaften, der Psychologie, der Robotik, der Semiotik, der Soziologie, der Sozialen Arbeit und den Wirtschaftswissenschaften. Die Systemtheorie ist sowohl eine allgemeine und eigenständige Disziplin als auch ein weitverzweigter und heterogener Rahmen für einen interdisziplinären Diskurs, der den Begriff System als Grundkonzept führt. Es gibt folglich sowohl eine allgemeine „Systemtheorie“ als auch eine Vielzahl unterschiedlicher, zum Teil widersprüchlicher und konkurrierender Systemdefinitionen und -begriffe. Es hat sich heute jedoch eine relativ stabile Reihe an Begriffen und Theoremen herausgebildet, auf die sich der systemtheoretische Diskurs bezieht.

Chronologie


  • um 1970 Katastrophentheorie: Dieser Zweig der Mathematik beschreibt plötzliche Veränderungen, die sich aus kleinen Impulsen ergeben.

  • um 1980 Chaostheorie: Mathematische Theorie von nichtlinearen dynamischen Systemen, die Verzweigungen beschreibt, Attraktoren und chaotische Bewegungen.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Die Systemtheorie (Ingenieurwissenschaften) wurde in den 1920er Jahren konzipiert.[1] Der Begriff Allgemeine Systemtheorie geht auf den Biologen Ludwig von Bertalanffy zurück[2]. Seine Arbeiten bilden zusammen mit der Kybernetik (Norbert Wiener, William Ross Ashby) und der Informationstheorie (Claude Elwood Shannon, Warren Weaver) die grundlegenden Überlegungen dieses Wissenschaftsansatzes. Weitere wichtige Theorien stammen von Humberto Maturana und Francisco Varela (Autopoiesis), Stuart Kauffman (Selbstorganisation), Bronisław Malinowski und Alfred Radcliffe-Brown (Strukturfunktionalismus) sowie Talcott Parsons (Strukturfunktionalismus oder Systemfunktionalismus) und Niklas Luhmann (soziologische Systemtheorie).

Hauptströmungen der Systemtheorie

Kulturgeschichtlich geht der Systembegriff bis auf Johann Heinrich Lambert zurück und wurde unter anderem von Johann Gottfried Herder übernommen und ausgearbeitet. Dies vollzieht sich vor allem an der Frage, wie man lebende Organismen und deren Selbsterhaltung und -organisation verstehen kann. Hieran entwickelt sich ein Vokabular, das „interne Gleichgewichte“ kennt, „Ausgleichsbewegungen“ und „Kraft“ als die Möglichkeit über sich hinauszugreifen, womit es dem System eine innere Dynamik gibt, eine Aktivität, die das System nicht darauf beschränkt passiv Impulse von außen zu empfangen. Der biologische Organismus wird als ein System aufgefasst, in dem keines der Teile die alleinige Herrschaft über andere hat, sondern sie in steter Wechselwirkung zueinander aufgefasst werden müssen. Wenngleich diese Überlegungen noch frei von dem Wunsch sind, eine Systemtheorie zu entwickeln, bilden sie den Nährboden für spätere Ansätze.

Die moderne Systemtheorie beruht auf unabhängig voneinander entwickelten Ansätzen, die später synthetisiert und erweitert wurden: Der Begriff Systemtheorie bzw. Systemlehre stammt von Ludwig von Bertalanffy (vgl. „General Systems Theory“). Von Bertalanffy spricht von offenen Systemen und entwickelt den Begriff der organisierten Komplexität, der den dynamischen Austausch mit der Umwelt beschreiben soll. Erst mit der Ausformulierung des Informationsbegriffes ließ sich dieses Konzept jedoch weiter generalisieren. Bereits 1948 hatte Norbert Wiener mit „Cybernetics“ (Kybernetik) einen ebenfalls zentralen Ausdruck geprägt, der heute mit dem Systembegriff eng verbunden ist. Ein weiteres verwandtes Konzept ist die Tektologie Alexander Bogdanows.

Systemlehre (Ludwig von Bertalanffy)

Ludwig von Bertalanffy führte ein neues wissenschaftliches Paradigma ein, das er als Gegenentwurf zur klassischen Physik positionierte. Er kritisierte deren deduktive Verfahren und die damit einhergehende isolierte Betrachtung von Einzelphänomenen. Für die Biologie sei diese Methode nicht adäquat. Anstelle von Einzelphänomenen, die in der Realität niemals isoliert aufträten, seien diese Phänomene in ihrer Vernetzung zu beschreiben. Daher setzte er der isolierten Einzelbetrachtung den Systembegriff entgegen, wobei dieser Begriff eine Menge von Elementen und deren Relation untereinander beschreiben soll. Als ein solches Modell betrachtete er die „organisierte Komplexität“. Während die klassische Wissenschaft „unorganisierte Komplexität“ erfolgreich beschrieben habe, stehe die theoretische Erfassung organisierter Komplexität vor neuen Herausforderungen. Organisierte Komplexität sei gegeben, wenn Einzelphänomene nicht schlicht linear logisch miteinander gekoppelt seien, sondern Wechselwirkungen unter ihnen bestünden. Sei dies der Fall, könne eine exakte Beschreibung der reziproken Vernetzungsbedingungen ein Bild von der Einheit der Summe jener Einzelphänomene vermitteln. Die Systemlehre untersucht somit die Organisationsformen komplexer Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Elementen jenseits linear darstellbarer Relationen und einfacher Kausalität. Dabei unterschied von Bertalanffy zwischen offenen und geschlossenen Systemen. Ein geschlossenes System wird als binnenstabil und über keine Wechselwirkungen mit der Umwelt verfügend beschrieben. In einem solchen System gibt es strenggenommen keine organisierte Komplexität, da sich die Elemente im Gleichgewichtszustand in mathematisch eindeutiger Weise zueinander verhalten. Ein offenes System dagegen verfügt über variablisierte Relationen seiner Elemente, die durch nichtprognostizierbare Umwelteinflüsse verändert werden. Die interne Variabilität ermöglicht es dem System, sich in einem dynamischen Umfeld relativ zu stabilisieren (Fließgleichgewicht). Offene Systeme entfalten also im Austausch mit ihrer Umwelt eine Dynamik und variieren ihre Zuständlichkeit, ohne dabei ihre Systemstrukturen vollständig ändern zu müssen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht kausal von außen beeinflusst werden, sondern ihre interne Organisation bei Umweltveränderungen selbst umstellen („Black Box“-Theorem). Dies wird als Selbstorganisation bezeichnet und kann als Paradigma organisierter Komplexität gelten.

Gegen das „Newtonsche Weltbild“ setzte von Bertalanffy also seinen Gedanken einer allgemeinen, interdisziplinären Systemlehre. Auch in Wissenschaftsgebieten, die sich nicht in den Rahmen physikalisch-chemischer Gesetzmäßigkeiten einordneten - etwa der Biologie oder der Soziologie -, träten dennoch exakte Gesetzmäßigkeiten auf, die durch passend gewählte Modellvorstellungen abgebildet werden könnten.

Die Systemlehre wurde als allgemeine Naturwissenschaft des Lebens konzipiert. In der Systemlehre werden energetisch offene Systeme beschrieben. L. von Bertalanffy argumentierte vor dem Hintergrund der physikalischen Auffassung der Thermodynamik (Wärmetod). Offene Systeme können Energie aus ihrer Umwelt aufnehmen und sich so zu höherer Ordnung entwickeln, also die globale thermodynamische Entropie lokal umgehen. Die Systeme der Systemlehre sind Lebewesen, der wesentliche Prozess ist die Osmose, die in einem Fließgleichgewicht (steady state) verläuft.

Die Informations- und Regelungsprozesse wurden von L. von Bertalanffy mathematisch formuliert.

Kybernetik

Die Kybernetik behandelt operationell geschlossene (nach W. Asby "informationsdichte") Mechanismen. Sie wurde als Regelungs- und Kommunikationstheorie konzipiert. Der Fokus der Kybernetik liegt auf Regelung und Steuerung. Deshalb kommen in der Kybernetik als Systeme in erster Linie geregelte Mechanismen in Betracht. Die Regelung beruht immer auf Prozessen, die mit der mathematischen Systemtheorie der Technik beschrieben werden. L. von Bertalanffy hat sich gegen die Vermischung seiner Systemlehre und der Kybernetik ausgesprochen, weil er das mechanistische Denken der Kybernetik für die Beschreibung von Leben als nicht adäquat erachtete. Heute wird der Ausdruck „Systemtheorie“ aber beliebig für beides auf drittes verwendet.

Generelle Erweiterungen der Kybernetik

Als Systemtheorie 2. Ordnung bezeichnet man Systemtheorien, die in folgendem Sinne selbstbezüglich sind: Mit der jeweiligen Systemtheorie wird der Systemtheoretiker, der die Theorie macht, beschrieben. Der Kernbegriff ist deshalb die Beobachtung des Beobachters.

Heinz von Foerster hat den Begriff der 2. Ordnung eingeführt, er sprach von second-order cybernetics oder von cybernetics of cybernetics. Die Systemtheorie 2. Ordnung ist eine erkenntnistheoretische Interpretation der Systemtheorie, in welcher untersucht wird, was der Systemtheoretiker als System theoretisch wissen kann. Systeme 2. Ordnung werden auch vom Radikalen Konstruktivismus (RK) benutzt.

Als Autopoiesis bezeichnet Humberto Maturana sowohl seine Systemtheorie wie auch den wesentlichen Prozess, den er mit seiner Theorie beschreibt, nämlich das Leben. Maturana beschreibt, grob gesehen, das Gleiche wie von Bertalanffy in seiner Systemlehre, er argumentiert aber kybernetisch: er spricht von lebenden (autopoietischen) Maschinen, die operationell geschlossen sind.

Als Selbstorganisation bezeichnet man Prozesse, die wie die Autopoiese zu höheren strukturellen Ordnungen führen, ohne dass ein steuerndes Element erkennbar ist. Ein exemplarisches Beispiel ist der Laserstrahl, anhand dessen die Theorie von H. Haken auch entwickelt wurde .

Der Radikale Konstruktivismus wurde von Ernst von Glasersfeld entwickelt. Er hat dabei auf die Arbeiten von Jean Piaget zurückgegriffen. Die Denkweise von Piaget war konstruktivistisch und epistemologisch. Ernst von Glasersfeld argumentiert insbesondere auch mit der operationellen Geschlossenheit von Systemen.

Als System Dynamics bezeichnet man die Modellierung mit Regelkreisen. Bekannt gemacht hat das Verfahren Jay Wright Forrester durch das Weltmodell „World3“, anhand dessen in der „Club of Rome“-Publikation Limits to Growth (Die Grenzen des Wachstums, Dennis L. Meadows 1972) der globale Rohstoffverbrauch prognostiziert wurde.

Fachspezifische Erweiterungen der Kybernetik

  • Technologische Kybernetik (Automatik, Informatik, Systemtheorie der Technik)
  • Biologische Kybernetik (biologische Autopoiesis, Biologische Kybernetik)
  • Sozietale Kybernetik (Sozialkybernetik, politische Kybernetik)
  • Ökonomische Kybernerik (dynamische Systemmodelle in der Wirtschaftsmathematik und im Bereich Produktion+Logistik)

Soziologische Systemtheorie

Als wichtigste Vertreter der Soziologischen Systemtheorie gelten Talcott Parsons (handlungstheoretische Systemtheorie) und Niklas Luhmann (kommunikationstheoretische Systemtheorie).

Systemtheorie bei Parsons:

Der soziologische Systembegriff geht auf Talcott Parsons zurück. Parsons betrachtet dabei Handlungen als konstitutive Elemente sozialer Systeme. Er prägte den Begriff der strukturell-funktionalen Systemtheorie.

Erweiterung und Neuformulierung durch Luhmann:

Hauptartikel: Systemtheorie (Luhmann)

Luhmann unterscheidet drei besondere Typen sozialer Systeme: Interaktionssysteme, Organisationssysteme und Gesellschaftssysteme. Die Gesellschaft ist dabei ein System höherer Ordnung, ein System „anderen Typs“. Sie umfasst die anderen Systeme, ohne dass sie in ihr aufgehen. Luhmann bezeichnet sein Systemmodell als „operatives Systemmodell“, d. h. ein System wird als die Verkettung von kommunikativen Operationen betrachtet. Luhmanns Systemmodell ist daher eher zeitlich als räumlich geprägt.

Theorie komplexer Systeme

Die neueste Strömung ist die Theorie komplexer Systeme (Vertreter u. A. Stuart Kauffman). Ein komplexes System ist dabei ein System, dessen Eigenschaften sich nicht vollständig aus den Eigenschaften der Komponenten des Systems erklären lassen. Komplexe Systeme bestehen aus einer Vielzahl von miteinander verbundenen und interagierenden Teilen, Entitäten oder Agenten.

  • Komplexe adaptive Systeme

Die Theorie der Komplexen adaptiven Systeme (John H. Holland, Murray Gell-Mann, Harold Morowitz, W. Brian Arthur) beruht vorwiegend auf den Arbeiten des Santa Fe Institute. Diese neue Komplexitätstheorie, die Emergenz, Anpassung, und Selbstorganisation beschreibt, basiert auf Agenten und Computersimulationen, die Multiagentensysteme (MAS) einschließen, die zu einem wichtigen Instrument bei der Erforschung von sozialen und komplexen Systemen wurden.

Verwandte Gebiete

Diese vier Hauptrichtungen haben Vorläufer, Unterabteilungen, Entwicklungen, Anwendungen in den Fachdisziplinen.

Informationstheorie

Die Informationstheorie wurde entwickelt von Claude Elwood Shannon und Warren Weaver. Wichtige Begriffe sind: Information, Entität, Entropie, Informationsübertragung, Datenkompression, Kodierung, Kryptographie, Komplexitätstheorie.

Chaostheorie

Die Chaosforschung (David Ruelle, Edward N. Lorenz, Mitchell Feigenbaum, Stephen Smale, James Yorke) beschäftigt sich mit bestimmten nichtlinearen dynamischen Systemen, die eine Reihe von Phänomenen aufweisen, die man Chaos (genauer: chaotisches Verhalten) nennt. Eines dieser Phänomene ist der Schmetterlingseffekt, der besagt, dass kleine Änderungen unerwartet große Effekte haben können. Benannt wurde der Effekt von Edward N. Lorenz. Weitere Vertreter sind Benoît Mandelbrot und Henri Poincaré. Chaotische Systeme sind zum Beispiel Wetter, Klima, Plattentektonik, Turbulenz, Wirtschaftskreisläufe, Internet und das Bevölkerungswachstum.

Katastrophentheorie

Die Katastrophentheorie (René Thom, Erik Christopher Zeeman) ist ein Zweig der Mathematik, der sich mit den Verzweigungen von dynamischen Systemen beschäftigt und beschreibt plötzliche Veränderungen, die sich aus kleinen Veränderungen von Umständen ergeben.

Konnektionismus

Der Konnektionismus versteht ein System als Wechselwirkungen vieler vernetzter, einfacher Einheiten. Die meisten konnektionistischen Modelle beschreiben die Informationsverarbeitung in Neuronennetzen. Sie bilden eine Brücke zwischen biologischer Forschung und technischer Anwendung.

weitere

Medizinische Kybernetik
Die Medizinische Kybernetik umfasst die Anwendung systemtheoretischer, nachrichtentheoretischer, konnektionistischer und entscheidungsanalytischer Konzepte für biomedizinische Forschung und klinische Medizin.
Medizinische Systemtheorie
Das Ziel der medizinischen Systemtheorie ist es, die komplexen Zusammenhänge des physischen Systems und deren spezifische vernetzte Funktionsweise besser zu verstehen. Dabei werden physiologische Dynamiken im gesunden und erkrankten Organismus identifiziert und systemtheoretisch modelliert.
Dialektische Systemtheorie
Die Dialektische Systemtheorie geht davon aus, dass der Begriff System, verstanden als ein strukturiertes Ganzes, für die Wissenschaft als konstitutiv verstanden werden muss. Als Gegenbegriff des Systems wird das Chaos gesetzt. Der so verstandene Systembegriff und die Leitunterscheidung System und Chaos werden vor allem bei Kant und Hegel formuliert.

Universalitätsanspruch

Ein Charakteristikum dieser theoretischen Ansätze ist der Anspruch, eine formale Theorie zu erarbeiten, die möglichst umfassend anwendbar ist. Dieser Anspruch geht vor allem aus Ludwig v. Bertalanffys Werk Allgemeine Systemtheorie hervor: „Wenn wir … den Begriff des Systems entsprechend definieren, so finden wir, daß es Modelle, Prinzipien und Gesetze gibt, die für verallgemeinerte Systeme zutreffen, unabhängig von der Natur dieser Systeme.“ Auch heute ist es diese Ausrichtung, die systemtheoretische Ansätze attraktiv erscheinen lässt, auch wenn das Ziel bislang unerreicht ist. So verbindet etwa das Santa Fe Institute mit seiner „Theorie komplexer adaptiver Systeme“ einen universellen Erklärungsanspruch.

Die „Theorie Sozialer Systeme“ Niklas Luhmanns teilt diese Ausrichtung nicht unmittelbar, weil sie sich auf stabile soziale Systeme beschränkt und vor allem die Mechanismen ihrer Selbstreproduktion (Autopoiesis) untersucht.

Begriffe der Systemtheorie

Der zentrale Grundbegriff der Systemtheorie ist das System (nach gr. to systeme = Zusammenstellung). Die Annahme, es gäbe Systeme, kann als Grundaxiom dieses Ansatzes betrachtet werden.

Ein System ist etwa wie folgt definiert:

  1. Ein System ist begrenzt und abgrenzbar (System/Umwelt-Differenz). Es besteht aus einer Systemgrenze („Boundary“), einem Systemkern, Systemelementen, dem Zusammenwirken dieser Elemente sowie aus Energie oder Signalen. Wird etwas über die Systemgrenzen hinweg transportiert, ist dieses System ein offenes, sonst ein geschlossenes System. Alles außerhalb der Systemgrenze Liegende ist nicht Teil des Systems, sondern dessen Umwelt.
  2. Ein System ist eine Menge von Elementen, die in einem abgegrenzten oder abgrenzbaren Bereich so zusammenwirken, dass dabei ein vollständiges, sinnvolles, zweck- und zielgerichtetes Zusammenwirken in einem funktionellen Sinne erzielbar wird.
  3. Aufbau und Funktionsweise eines Systems hängen von dem Standpunkt des Betrachters ab.

Siehe auch: Rückkopplungsschleife, Kontingenzreduktion, Autopoiesis, Information, Kodierung, Selbstorganisation, doppelte Kontingenz, Systemdenken, Soziales System, Systemfehler, Systemregeln, Systemanalyse

Beispiele

Im Folgenden einige Beispiele für systemtheoretisches Denken aus der Ingenieurswissenschaft. Diesen Beispielen ist gemein, dass sie sich mit derselben Art von Differentialgleichungen lösen lassen. Diese Verwendung eines universellen Werkzeugs zur Lösung verschiedener, zunächst nicht verwandt erscheinender, Probleme ist Teil des „systemtheoretischen“ Denkens.

Siehe auch

Literatur

Klassische Literatur

Aktuelle Literatur

  • Heinz von Foerster: Wissen und Gewissen. Suhrkamp, 1993.
  • Thomas Allgeier: Kommunikationswissenschaftliche Systemanalyse: Eine kommunikationswissenschaftliche Integration systemtheoretischer und einstellungstheoretischer Konzepte zur empirischen Analyse des Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland. Diss. Univ. München, 1995.
  • Heinz von Foerster: Cybernetics of Cybernetics, The Control of Control and the Communication of Communication. 1995, ISBN 0964704412.
  • David J. Krieger: Einführung in die allgemeine Systemtheorie. Stuttgart 1996, ISBN 3825219046.
  • Fritjof Capra: The Web of Life – A new Scientific understanding of Living Systems, Anchor, 1997 (deutsch als Lebensnetz – Ein neues Verständnis der lebendigen Welt Scherz Verlag/Knaur-München, 1999.)
  • Georg Hörmann (Hrsg.): Im System gefangen – zur Kritik systemischer Konzepte in den Sozialwissenschaften. 2. Auflage, Klotz, Eschborn 1997, ISBN 3-88074-278-2.
  • John Biggart, Peter Dudley, F. King: Alexander Bogdanov and the Origins of Systems Thinking in Russia. In: The Proceedings of a Conference at the University of East Anglia. Ashgate Publishing Group, 1998, ISBN 185972678X.
  • Norbert Bischof: Struktur und Bedeutung. Eine Einführung in die Systemtheorie für Psychologen. 2. Auflage, 1998 ISBN 3456830807 (mit einer Einführung in die Methoden der mathematischen Systemanalyse – einschließlich Z-Transformation – nur mit Abiturmathematik als Voraussetzung)
  • Helmut Willke: Systemtheorie, I. Grundlagen, II. Interventionstheorie, III. Steuerungstheorie 3. Auflage, Stuttgart 2001, ISBN 3825218406
  • Gerald M. Weinberg: An Introduction to General Systems Thinking. (25th Anniversary Edition), 2001, ISBN 0932633498.
  • Heinz von Foerster: Understanding Systems: Conversations on Epistemology and Ethics. 2002, ISBN 0306467526.
  • Andreas Häuslein: Systemanalyse. 2003, ISBN 3800727153,
  • Dieter M. Imboden, Sabine Koch: Systemanalyse. Berlin 2003, ISBN 3540439358,
  • Christian Schuldt: Systemtheorie, Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 2003, ISBN 3434461841.
  • Dominique Aubier: Die Entschlüsselung der Gehirnstruktur 2 Bände, Viamala-Verlag Ch., 2003, ISBN 3952166421.
  • Bernhard Poerksen: The Certainty of Uncertainty. 2004, ISBN 0907845819.
  • Thomas Frey, Martin Bossert: Signal- und Systemtheorie. 2004, ISBN 3519061937.
  • Diederich Hinrichsen, Anthony J. Pritchard: Mathematical Systems Theory. Springer 2005, ISBN 978-3-540-44125-0.
  • Klaus Müller: Allgemeine Systemtheorie - Geschichte, Methodologie und sozialwissenschaftliche Heuristik eines Wissenschaftsprogramms. Opladen 1996, ISBN 3531127985

Weblinks

Einzelnachweise

  1. G. Kapri: Kybernetik und Biotechnologie - Heinz von Foerster [1]. Zugriff online: 1. Mai 2009
  2. von Bertalanffy schreibt in nachfolgender Quelle: seit 1937 mündlich entwickelt und seit 1946 mit Publikationen. Siehe: Karl Ludwig von Bertalanffy: ... aber vom Menschen wissen wir nichts, (Englischer Titel: Robots, Men and Minds), übersetzt von Dr. Hans-Joachim Flechtner. Seite 114f. Econ Verlag GmbH (1970), 1. Auflage, Duesseldorf, Wien.

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