Peter Erlanger

Peter Erlanger

Pinchas Erlanger (* 8. August 1926 in Ravensburg als Peter Erlanger; † 29. oder 30. August 2007 in Schawei Tzion, Israel) war ein israelischer Landwirt deutscher Herkunft, der sich aktiv für die deutsch-israelische Freundschaft einsetzte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Peter Erlanger wurde als Sohn des Diplom-Landwirts Dr. Ludwig Erlanger und seiner Ehefrau Fanni in Ravensburg geboren. Er wuchs auf dem von seinen Eltern bewirtschafteten Burachhof in Ravensburg auf, der als „Mustergut“ auf Hühnerzucht und Obstbau spezialisiert war. Er besuchte die Volksschule und das Spohngymnasium in Ravensburg. Seine Schulzeit im Nationalsozialismus war von Rassismus, Ausgrenzung und Verhöhnung geprägt: So wurde in der Volksschule als grammatisches Beispiel der Satz „Der Jude lügt“ dekliniert, im Musikunterricht des Gymnasiums musste er das Lied „Wenn's Judenblut vom Messer spritzt“ singen. Das Gymnasium musste Erlanger – als einer der Klassenbesten – dann wegen angeblich ungenügender Leistungen in Zeichnen, Singen und Turnen verlassen. Er wechselte darauf an das jüdische Landschulheim von Anna Essinger in Herrlingen bei Ulm, wo er bis zur Zwangsschließung des Heims 1939 lebte. (Das Landschulheim wurde daraufhin in ein Zwangsaltersheim für Juden umgewandelt, in dem Peter Erlangers Großvater leben musste, bis er in das KZ Theresienstadt deportiert wurde, wo er 1942 umkam.)

Zu dieser Zeit wurde auch der Hof der Eltern in Ravensburg enteignet, und die Familie lebte auf engstem Raum auf dem Hof des neuen Pächters. Aufgrund der zunehmenden Bedrängung durch das nationalsozialistische Regime planten die Eltern schließlich die Emigration. Nach Kriegsbeginn 1939 wurde dem Vater mit KZ-Haft gedroht, sollte die Familie nicht innerhalb von drei Wochen das Deutsche Reich verlassen. Alle beantragten Visa wurden abgelehnt. Ein Onkel aus Israel schaffte es im letzten Moment, ein Visum zu bekommen. So gelang der Familie mit zwei Kindern am 26. November 1939 die offizielle Ausreise nach Palästina (mit dem letzten offiziellen Schiff).

Dort angekommen, bauten Erlangers Eltern als Mitbegründer das landwirtschaftliche Kollektiv (Moschaw Shitufi) Schawei Tzion bei Naharija mit auf. Peter Erlanger, der seinen Vornamen inzwischen zu Pinchas geändert hatte, besuchte zunächst die dortige Schule und war dann ab dem Alter von 15 Jahren als Melker und Bäcker tätig. Mit 22 Jahren heiratete er. Mit der Zeit spezialisierte er sich auch darauf, deutsche Touristen durch die Siedlung zu führen. Von 1980 bis 1990 arbeitete er im Hotel der Siedlung Schawei Tzion.

1969 reiste Erlanger zum ersten Mal wieder nach Deutschland und besuchte die „Israelwoche“ in Stuttgart. Später wurde er als Gastgeber zu einer bestimmenden Gestalt des von Ravensburger Lehrern initiierten, langjährigen Schüleraustauschs zwischen Ravensburg, der Nachbarstadt Weingarten und Naharija. Aufgrund der vielen neuen Kontakte in seine Heimatstadt reiste er mehrmals nach Ravensburg, wo er öffentlich über seine Erlebnisse sprach und für die israelisch-deutsche Freundschaft warb. 2004 pflanzte er vor dem Gymnasium, das er zwangsweise verlassen musste, eine Akazie als Zeichen der Versöhnung.

2003 veröffentlichte er in einem Sammelband seine Jugenderinnerungen.

Für seine Verdienste erhielt Pinchas Erlanger 2006 als sechster Ausgezeichneter die Ehrenmedaille der Stadt Ravensburg. Die Auszeichnung nahm er persönlich in Anwesenheit seiner Ehefrau, eines Enkels und eines Urenkels in Ravensburg entgegen.

An die Eltern von Pinchas Erlanger erinnern in Ravensburg die „Ludwig-Erlanger-Anlage“ und die „Fanni-und-Dr.-Ludwig-Erlanger-Halle“, die Turnhalle des Bildungszentrums St. Konrad. Die Grünanlage und das Bildungszentrum stehen beide auf dem Grundstück des Burachhofs der Erlangers. Seit dem 13. September 2006 erinnern vier „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig auf dem Gelände des Burachhofs an das Schicksal der vertriebenen Familie Erlanger.

Pinchas Erlanger starb in der Nacht zum 30. August 2007 im Alter von 81 Jahren.[1]

Veröffentlichungen

  • Erinnerungen – meine Jugend in Deutschland und die Auswanderung nach Palästina, in: Auswanderung, Flucht, Vertreibung, Exil im 19. und 20. Jahrhundert. Laupheimer Gespräche 2001. Philo, Berlin 2003, ISBN 3-8257-0334-7, S. 145–168

Literatur

  • „Wir dürfen niemals vergessen, was passiert ist“. Interview mit Pinchas Erlanger. Schwäbische Zeitung, Lokalteil Ravensburg, 12. September 2006
  • „Pinchas Erlanger, ein Mann der Versöhnung, wird Ehrenbürger der Stadt“. Schwäbische Zeitung, Lokalteil Ravensburg, 13. September 2006 (Artikel über die Verleihung der Ehrenmedaille mit irreführender Überschrift)
  • Flucht in die Heimat. Pinchas Erlanger – einer von vielen.... Video der Israel-AG des Welfengymnasiums Ravensburg

Nachweise

  1. Todesmeldung in der Schwäbischen Zeitung vom 30. August 2007

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