Pluralismus (Philosophie)

Pluralismus (Philosophie)

Als Pluralismus bezeichnet man in der Philosophie Positionen, die eine Vielzahl grundlegender und irreduzibler Ebenen in der Welt annehmen. Pluralismen unterscheiden sich damit zum einen von monistischen Theorien, wie etwa dem Physikalismus, der die Ebene des physischen Geschehens für die einzig grundlegende hält. Pluralistische Theorien unterscheiden sich jedoch auch vom Dualismus, der von zwei grundlegenden Ebenen ausgeht – dem Physischen und dem Mentalen.

Pluralistische Theorien variieren oft sehr stark in ihren metaphysischen und ontologischen Hintergrundannahmen. Während ontologische Pluralismen eine Vielzahl von grundlegenden Entitäten in der Welt postulieren, lehnen relativistische Pluralismen die Idee einer Ontologie ab und behaupten eine Vielzahl von Beschreibungssystemen oder Sprachspielen. „Pluralismus“ kann daher in der Philosophie nicht als eine einheitliche Position wahrgenommen werden.

Inhaltsverzeichnis

Ontologischer Pluralismus

Ontologische Pluralismen zeichnen sich durch die Annahme einer Vielzahl von grundlegenden Entitäten aus. Sie erklären, dass es nicht nur grundlegende physische Objekte, Eigenschaften und Ereignisse gebe. Vielmehr existierten in der Welt zahlreiche nichtphysische Entitäten, etwa Bewusstsein, Zahlen, Bedeutungen, moralische oder ästhetische Eigenschaften. Eine moderne Form des ontologischen Pluralismus findet sich etwa bei dem Wissenschaftstheoretiker John Dupré.[1] Vergleichbar sind auch Theorien der "starken Emergenz".

Gegen eine solche inflationäre Ontologie wird oft mit Ockhams Rasiermesser argumentiert. Unter „Ockhams Rasiermesser“ versteht man das Prinzip ontologischer Sparsamkeit, das besagt, dass man möglichst wenige grundlegende Entitäten postulieren soll. Ontologische Pluralisten können gegen diesen Einwand anführen, dass Ockhams Rasiermesser nur anwendbar ist, wenn ontologisch sparsamere Alternativen zur Verfügung stehen, die das gleiche Erklärungspotential haben. Dies sei jedoch nicht der Fall, da monistische oder dualistische Theorien der Existenz zahlreicher Entitäten nicht gerecht werden könnten.

Ein weiterer Einwand gegen ontologische Pluralismen lautet, dass dieselben Schwierigkeiten auftreten wie beim Dualismus. Gegen den Dualismus wird oft argumentiert, dass er nicht die kausale Wechselwirkung zwischen physischen und mentalen Zuständen erklären kann. Dieses Problem der mentalen Verursachung[2] ist in einer generalisierten Variante auf den Pluralismus anwendbar: Wenn es viele nichtphysische Entitäten gibt, muss man erklären, wo und wie diese auf die physische Welt einwirken. Eine solche Erklärung könne jedoch nicht gegeben werden, da das physische Geschehen immer schon selbst rein physische Ursachen habe, für nichtphysische Kausalität daher gar kein Platz sei. Ontologische Pluralisten reagieren auf diesen Einwand indem sie behaupten, dass nicht überall hinreichende physische Ursachen zu finden seien, oder erklären, dass physische Determiniertheit nicht im Konflikt mit nichtphysischen Ursachen steht.

Relativistischer Pluralismus

Die Idee eines relativistischen Pluralismus ist eng mit dem Werk Nelson Goodmans verknüpft.[3] Goodman argumentiert in seinem Werk, dass die Idee einer Welt an sich sinnlos sei, da man nicht von den menschlichen Perspektiven abstrahieren und eine Welt jenseits der der Perspektiven beschreiben könne. Es gebe vielmehr eine Vielzahl von Perspektiven, etwa die Perspektive der Physik, der Ästhetik oder des Mentalen.

Wenn man jedoch nicht hinter diese einzelnen Perspektiven treten kann, ist auch die Idee einer Welt jenseits menschlicher Perspektiven sinnlos. Man muss demnach anerkennen, dass jeder Beschreibungsweise eine eigene Welt entspricht. Da diese Welten erst durch den aktiven Sprachgebrauch der Menschen entstehen, kann man von einer Welterzeugung sprechen. Die Überzeugungskraft des relativistischen Pluralismus hängt im Wesentlichen von der Kohärenz des Relativismus ab. Das Postulat mehrerer von Menschen erzeugten Welten wird häufig kritisch hinterfragt.

Pragmatischer Pluralismus

Hilary Putnam, der seine Spätphilosophie als „pragmatischen Pluralismus“[4] und „Begriffspluralismus“[5] bezeichnet, versucht eine Zwischenposition zwischen ontologischem und relativistischem Pluralismus zu formulieren. Putnam lehnt eine inflationäre Ontologie ab und behauptet, dass man nicht eine Pluralität von grundlegenden Entitäten, sondern eine Vielzahl von Perspektiven annehmen sollte. Allerdings führt diese Perspektivenpluralität laut Putnam nicht zur Erzeugung einer Vielzahl von Welten, wie von Goodman behauptet wird. Vielmehr gibt es nur eine Welt, die in verschiedenen Weisen beschrieben werden kann.

Putnams „Universum“ mit drei Individuen

Putnam versucht diese Position durch das Phänomen der begrifflichen Relativität zu verdeutlichen.[6] Die begriffliche Relativität erörtert Putnam durch folgendes Beispiel: Er fordert dazu auf, sich ein Universum mit drei unteilbaren Individuen vorzustellen (siehe Abbildung). Nun könne man auf die Frage, wie viele Objekte sich in dem Universum befinden, verschiedene Antworten geben. Ist man etwa der Meinung, dass nur Individuen Objekte sind, dann befinden sich im Universum drei Objekte: X1, X2, X3. Behauptet man hingegen, dass auch Konjunktionen von Individuen Objekte darstellen, so gibt es sieben Objekte: X1, X2, X3, X1+X2, X1+X3, X2+X3, X1+X2+X3. Putnam argumentiert, dass es keine richtige Antwort auf die Frage gibt, wie viele Objekte in der Welt wirklich existieren. Die Antwort hängt von der Perspektive bzw. von dem verwendeten Begriffssystem ab. Dabei stehen verschiedene gleichberechtigte Begriffssysteme zur Verfügung.

Nach Putnam zeigt die begriffliche Relativität, dass es verschiedene Perspektiven auf die Welt gibt, die gleichermaßen legitim und grundlegend sind und von denen keine als die eigentliche Beschreibung der Welt gelten kann. Bei dieser Konzeption handelt es sich um einen Pluralismus, da er eine Vielzahl von gleichermaßen grundlegenden Perspektiven impliziert. Dabei steht Putnam allerdings vor der Herausforderung, zeigen zu müssen, dass die Ablehnung einer grundlegenden Perspektive nicht zum grundsätzlichen Relativismus führt.

Einzelnachweise

  1. John Dupré: The Disorder of Things. Havard University Press, Harvard 1993
  2. Heil / Mele (Hrsg.): Mental Causation, Oxford University Press, 1995, ISBN 019823564X
  3. Nelson Goodman: Ways of Worldmaking. Hackett, Indianapolis 1978. (deutsch) Weisen der Welterzeugung. Suhrkamp, Frankfurt/M 1984
  4. Hilary Putnam: Ethics without Ontology. Harvard University Press, Harvard 2004, S.21, ISBN 0674018516 .
  5. Hilary Putnam (2004), S.48.
  6. Hilary Putnam: truth and convention. In: Hilary Putnam: Realism with a Human Face. Harvard University Press, Harvard 1990. ISBN 0674749456.

Weblinks


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