Poetizität

Poetizität

Poetizität (Neologismus des 20. Jh.; Lehnwort vom russischen Wort [poeticnost']) bezeichnet die besondere Verwendung der Sprache in der Dichtkunst. Ihr zufolge gibt es sprachliche Formen und Ausdrücke, die eine poetische Wirkung auf den Leser besitzen.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsherkunft

Der Begriff der Poetik entstammt dem Griechischen (poetike techne) und bedeutet die Erschaffung eines Textes unter Verwendung bestimmter sprachlicher Gestaltungsmittel. Im Mittelpunkt stehen nach Aristoteles sowohl die Mimesis (Nachahmung) als auch die Katharsis (Reinigung).

Bedeutung

Die Poetizität findet in ihrer Bedeutung einen Zwiespalt: Oft wird die Poetizität als eine Art Synonym für die Literarizität verwendet. Sie bezeichnen dann all jene Merkmale, die einen Text in ihrer Qualität literarisch werden lassen und dem Leser auch als solche erscheinen. Hier wird also der Unterschied zwischen Literatur und anderen etwaigen Texten herausgearbeitet. Wird die Poetizität jedoch von der Literarizität abgegrenzt betrachtet, so kennzeichnet sie die "sprachlichen Besonderheiten" der Poesie bzw. Texten der Poetik und Dichtung. Sie ist sozusagen die "Differenzqualität" zwischen einer poetischen und einer alltäglichen Sprache. Diese Einschränkung wird als textsortenspezifisch bezeichnet und bildet einen Unterbegriff der Literarizität. Wichtig hierbei ist die "Herausarbeitung poetischer Verfahren", besonders im Hinblick auf sprachliche und poetische Abweichungen gegenüber gewöhnlichen Texten. Zu der Theorie der Abweichung ergab sich jedoch ein Problem: Die poetischen Abweichungen sind und waren der Gewohnheit unterworfen und wurden teilweise "unterminiert". Einen Lösungsansatz gaben Tynjanow und Jakobson, indem sie definierten, dass die Dichtung nicht nur abweichen dürfe, sondern auch neue, einfallsreiche "funktionale Abweichungen" zu kreieren habe. Jedoch ist darauf zu achten, dass ein Text nicht zu viele Abweichungen und Mehrdeutigkeiten enthält, da der Text sonst miss- und unverständlich wird und somit auch nicht der Poetik zugeordnet werden kann (Heffstaedter, 1986).

Ursprung

Den Ursprung der Poetizität findet man im frühen Formalismus bzw. der Formalen Schule, z.B. bei Sklovskij (1916) und Roman Jakobson (1921). Die Formalisten (hier besonders: Jakobson und Ejchenbaum) wollten eine Sammlung an für die Poetizität typischen Textmerkmalen erstellen und deren Aufgaben erklären. Dabei sollte eine Spezifikation der poetischen Sprache erarbeitet werden. Zu Beginn dieser Bemühungen trat die "essentialistische" Phase ein, bis man alle Stilmittel gefunden glaubte; diese wurde aber von der "dynamischen" Phase abgelöst, die sich mit den poetischen Sprachmitteln im historischen Kontext beschäftigte. Für Jakobson war die Poetizität dadurch definiert, dass das Wort als Wort zu betrachten und nicht nur die pure Bezeichnung für ein Objekt ist ("das Wort [ist] nicht Mittel, sondern Zweck"). Die Elemente der Sprache erhalten also einen selbstständigen Wert und sind nicht nur ein Mittel zum Informationsaustausch. Ihr praktischer Wert verliert an Bedeutung, wohingegen der symbolische Charakter gestärkt wird.

Siehe auch

Literatur

  • "Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft"
  • "Wörterbuch der Literaturwissenschaft", hrsg. von Claus Träger, 2. Aufl., Leipzig, 1989, VEB Bibliographisches Institut Leipzig
  • "Harenbergs Lexikon der Weltliteratur", Dortmund, 1989, Harenberg Lexikon-Verlag
  • "Grundbegriffe moderner Literaturtheorie", Jeremy Hawthorn

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