- Politik der hohen Schornsteine
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Die effektive Schornsteinhöhe (engl. effective plume height; auch: effektive Emissionshöhe, effektive Quellhöhe) gibt an, bis zu welcher Höhe Abgase aufsteigen, bevor sie sich annähernd horizontal ausbreiten. Dieser Wert wird zur Berechnung von Abluftfahnen in Ausbreitungsmodellen benötigt.
Inhaltsverzeichnis
Berechnung
Die effektive Schornsteinhöhe setzt sich dabei aus zwei Komponenten zusammen:
- Schornsteinbauhöhe h
- Entspricht der physikalischen Höhe des Schornsteins, also der vertikalen Entfernung vom Boden bis zur Höhe der Schornsteinöffnung.
- Schornsteinüberhöhung (auch "Abgasfahnenüberhöhung") ΔH
- Diese Größe berücksichtigt, dass über dem Schornstein die Abgase noch weiter aufsteigen. ΔH lässt sich nach verschiedenen theoretischen und empirischen Überhöhungsformeln aus dem Austrittsimpuls der Kaminluft und der Wärmeemission berechnen.
Die effektive Schornsteinhöhe ist also sowohl von der Austrittstemperatur des Abgases als auch von der Austrittsgeschwindigkeit und der Menge des Abgases abhängig, wird aber auch von der Atmosphäre (Wind, Temperaturschichtung) beeinflusst.
Bei niedriger Austrittsgeschwindigkeit der Abgase, niedriger Abgastemperatur und Wind kann sich die effektive Schornsteinhöhe reduzieren, wenn auf der Leeseite des Schornsteins oder eines anderen Strömungshindernisses die Luft nach unten strömt. Dieser Effekt wird auch als Downwash (engl. für Abwind, bei "dünnen" Hindernissen wie Schornsteinen) bzw. Downdraught (ebenfalls Abwind, bei größeren Hindernissen) bezeichnet.
Vorschriften
Die Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, die sogenannte Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft), regelt u. a. die Bestimmung der Schornsteinhöhe.
- In Kapitel 5.5.3 dieser Anleitung wird über ein Nomogramm in Abhängigkeit vom Innendurchmesser des Schornsteins bzw. über einen äquivalenten Innendurchmesser der Querschnittsfläche, der Temperatur des Abgases an der Schornsteinmündung, des Abgas-Volumenstroms und des Emissionsmassenstroms die Schornsteinhöhe abgelesen.
- In Kapitel 5.5.4 der gleichen Anleitung wird festgelegt, wie die Schornsteinhöhe unter Berücksichtigung der Bebauung und des Bewuchses sowie in unebenem Gelände bestimmt wird. Falls mehr als 5 % der Fläche des Beurteilungsgebietes bebaut oder mit Bewuchs bedeckt sind, muss die in Kapitel 5.5.3 bestimmte Schornsteinhöhe um einen Zusatzbetrag erhöht werden.
Weitere Regelungen zur Bestimmung der Schornsteinhöhe finden sich in der VDI-Richtlinie 3782.
Auswirkungen
Da mit zunehmender effektiver Schornsteinhöhe die Schadstoffe über immer größere Distanzen verteilt und dabei stärker verdünnt werden, wurde seit den 1960er Jahren darauf geachtet, eine hohe (bauliche und effektive) Schornsteinhöhe bei Großemittenten von Luftschadstoffen, z.B. Kohlekraftwerken und Müllverbrennungsanlagen, zu erreichen. Dieser Trend wurde als Politik der Hohen Schornsteine bekannt. Die damit zusammenhängende weiträumige Verfrachtung von Schadstoffen (Ferntransport) führte zu Umweltbeinträchtigungen (saurer Regen, Waldsterben) auch in großer Entfernung von den Schadstoffquellen; so kam es z. B. während der 1960er in Schweden zu starken Waldschäden, die überwiegend durch Industrieemissionen aus Zentraleuropa und den britischen Inseln verursacht wurden.
Literatur
- http://bfw.ac.at/rz/wlv.lexikon?keywin=1544 - Österreichisches Bundesamt für Wald
- Ausbreitung von Schadstoffen in der Atmosphäre; Heiner Geiß, KTG-Seminar Band 1; Kerntechnische Gesellschaft e.V., Verlag TÜV Rheinland, 1983
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