Politikzyklus

Politikzyklus

Der Politikzyklus (auch: policy-cycle) ist ein aus der US-amerikanischen Politikwissenschaft stammendes Modell, das den Politikprozess in mehrere, meist sechs oder sieben Schritte gliedert und erstmalig von Harold Dwight Lasswell 1956 formuliert wurde. Der Ansatz wurde auch in der deutschen Politikwissenschaft aufgegriffen und weiterentwickelt.

Als Phasen des Politikzyklus können unterschieden werden:

  1. Problemdefinition: Der Zyklus eines politischen Programms (Funktion, Organisation, Politikfeld, Programm) beginnt in dem Moment, in dem der Beschluss gefasst wird, sich überhaupt mit einem Problem zu beschäftigen. Nach Gabriel Almond initiieren diese Phase idealtypischerweise Interessenverbände oder sonstige gesellschaftliche Trägergruppen.
  2. Agenda Setting oder auch Problemthematisierung: In einem nächsten Schritt wird das zuvor definierte Problem auf die politische Tagesordnung (agenda) gesetzt. Dies geschieht im klassischen Fall durch politische Parteien, die bestimmte politikfeldabhängige Vorschläge meist über ihre Vorsitzenden auf Parteitagen, in Positionspapieren, Presseerklärungen oder Stellungnahmen in die Diskussion einbringen. Ein politisches Problem gelangt auch zum Beispiel durch veränderte Rahmenbedingungen, festgelegte Fristen oder durch medialen Druck auf die Tagesordnung.
  3. Politikdurchführung: Schafft es ein bestimmtes Thema, auf der politischen Agenda auf einen Platz zu gelangen, an dem eine veränderte Gesetzgebung als nötig erscheint, kommt es zum Prozess der Entscheidungsfindung zwischen relevanten Akteuren, also meist solchen, die auch tatsächlich an einem letztendlichen Beschluss beteiligt sein werden. Abhängig von Machtverteilung, verschiedenen Interessen und der Struktur der Institutionen, in denen diese Abstimmungen und die letztendlichen Beschlüsse stattfinden, kommt es zu einer politischen Entscheidung (eng.: decision). Dieser Punkt wird in deutschsprachigen Literatur auch als Politikformulierung bezeichnet.
  4. Implementation: Eine einmal getroffene Entscheidung wird dann in Recht transformiert, eventuelle Anpassungen in anderen Gesetzen werden vorgenommen und damit das Gesetz in das Rechtssystem implementiert. Dazu gehört auch die Anwendung der neuen Politik und der Vollzug (engl.: execution) des Rechts durch Ministerien, Behörden oder die Polizei.
  5. Evaluation: Im Zuge seiner Anwendung werden durch Vollzugsverwaltungen und die Justiz (z. B. durch Gerichtsurteile im betroffenen Bereich oder auf Grundlage dieses Gesetzes) festgestellt, ob und inwiefern das Gesetz bestimmte Mängel mit sich bringt, die der Gesetzgeber nicht vorhergesehen oder die sich im Verlauf des Vollzugs als besonders problematisch herausgestellt haben.
  6. re-definition oder Terminierung: An dieser Stelle schließt sich der Politikzyklus. Wird bei der Evaluation Veränderungsbedarf festgestellt, das Thema also erneut auf die Agenda gesetzt, kommt es in einem erneuten Prozess zur Novellierung der bestehenden oder Schaffung neuer Regelungen. Andernfalls kann ein politisches Programm aber auch beendet werden, wobei möglichen Vorteilen durch Kostenersparnis oder Bürokratieabbau eine Vielzahl von Hinderungsgründen gegenüberstehen.

Vorteile des Policy Cycle und Kritik

  • In der politikwissenschaftlichen Forschung dient das Modell des Policy Cycle vor allem der analytischen Strukturierung des Politikprozesses, also einer überschaubaren komplexitätsreduzierenden Darstellung eines Programmsetzungsverfahrens, das in der Realität vielschichtig und besonders in Bezug auf Akteure und Programminhalte verschachtelt und parallellaufend erscheinen kann. Auf den Phasen des Policy Cycles aufbauend haben sich so in den 1960er und 1970er Jahren verschiedene Teildisziplinen der Politikfeldforschung, so zum Beispiel die Implementationsforschung oder die Evaluationsforschung herausgebildet.
  • Der Policy Cycle ermöglicht weiterhin eine nähere Analyse inhaltlicher Fragestellungen innerhalb einzelner Phasen.
  • Außerdem dient er in normativer und auch demokratietheoretischer Hinsicht als Richtschnur für einen idealen Politikprozess.
  • Nachteile ergeben sich wenn der modellhaft konstruierte Prozess als Abbild der politischen Wirklichkeit gesehen wird. So sind in der Realität die einzelnen Phasen oft nicht eindeutig unterscheidbar, überschneiden sich bzw. laufen simultan ab.
  • Weiterhin schwierig ist die anfängliche Problemdefinition, da Probleme nicht objektiv erkennbar sind. Es wird im Politikzyklus jedoch von einem existenten Problem ausgegangen und der Prozess der Problemwahrnehmung ausgeblendet.
  • Ein Anwendungsbeispiel aus der deutschen Politikwissenschaft ist die Analyse der Entstehung der EADS mittels des Policy Cycles durch Bockstette.

Literatur

  • Paul Ackermann u. a.(Hrsg.): Politikdidaktik kurz gefasst. Planungsfragen für den Politikunterricht. Schwalbach: Wochenschau Verlag 1994.
  • Carsten Bockstette: Konzerninteressen, Netzwerkstrukturen und die Entstehung einer europäischen Verteidigungsindustrie. Eine Fallstudie am Beispiel der Gründung der European Aeronautic, Defence and Space Company (EADS). Dr. Kovač Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-8300-0966-6.
  • Werner Jann und Kai Wegrich: Phasenmodelle und Politikprozesse: Der Policy Cycle. In Klaus Schubert und Nils C. Bandelow (Hrsg.): Lehrbuch der Politikfeldanalyse. München, Wien 2003. S. 71-105.
  • Peter Massing: „Wege zum Politischen“. In: ders./ Weißeno, Georg (Hg.): Politik als Kern der politischen Bildung. Wege zur Überwindung unpolitischen Politikunterrichts. Opladen 1995: Leske und Budrich
  • Judith V. May und Aaron B. Wildavsky (Hrsg.): The Policy Cycle. Beverly Hills, London 1978.
  • Jörg Steinhaus: Gesetze mit Verfallsdatum - ein Instrument des Bürokratieabbaus?. Norderstedt 2008. ISBN 978-3-8370-7076-7

Weblinks


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