Polizeiliche Vorbeugehaft

Polizeiliche Vorbeugehaft

Polizeiliche Vorbeugehaft war ein Instrument des nationalsozialistischen Regimes, mit dem die Kriminalpolizei analog zur von der Gestapo verhängten „Schutzhaft“ Menschen ohne richterlichen Beschluss - in der Regel in einem Konzentrationslager - unbegrenzt inhaftieren konnte.

Reichsweit einheitlich geregelt wurden die „Polizeiliche Vorbeugehaft“ und die „Polizeiliche planmäßige Überwachung“ mit dem Runderlass „Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei“ des Reichsinnenministeriums vom 14. Dezember 1937, den örtlichen Dienststellen wurde aber ein großer Ermessensspielraum gegeben. Die Maßnahmen richteten sich insbesondere gegen „Berufsverbrecher“, „Arbeitsscheue“, Obdachlose, Sinti und Roma, Prostituierte und Homosexuelle.

Der Erlass vom Dezember 1937 sah vor, dass, wer „mindestens dreimal“ zu einer Haftstrafe „von mindestens 6 Monaten rechtskräftig verurteilt worden“ war, in „Polizeiliche Vorbeugehaft“ in „geschlossenen Besserungs- und Arbeitslagern genommen werden“ konnte.

So wurden insbesondere mehrfach verurteilte Personen ab 1938 nach der Entlassung aus der Strafhaft im Rahmen der „Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ der „Polizeilichen planmäßigen Überwachung“ durch die Kriminalpolizei unterstellt oder in „Polizeiliche Vorbeugehaft“ genommen und in Konzentrationslager eingeliefert. Die „Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ wurde im Dezember 1937 durch einen Erlass des Reichsministers des Inneren reichsweit vereinheitlicht. Anfangs wurde der Anspruch verlautbart, sich um Resozialisierung von Straftätern zu bemühen, die „Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ entwickelte sich aber schnell zum Instrument der Ausgrenzung, Ausschaltung und Ermordung Unliebsamer.

Die Regelungen wurden jedoch willkürlich nach Auslegung der zuständigen Polizeidienststelle angewendet. Auch Menschen, auf die die Regelung des Durchführungserlasses von 1937 nicht zutraf, kamen in „Polizeiliche Vorbeugehaft“, darunter auch Personen, die von Gerichten freigesprochen worden waren.

Einige Personen wurden nach wenigen Tagen Haft im Polizeigefängnis unter den Auflagen der „Polizeilichen planmäßigen Überwachung“ entlassen. Die kurzzeitige Unterbringung in „Vorbeugehaft“ war hier vornehmlich eine Machtdemonstration des Polizeiapparates und diente der Einschüchterung. Als Bestandteil des Verfahrens wurden von Polizeibeamten „Kriminelle Lebensläufe“ der betreffenden Personen erstellt.

Gegen die „Polizeiliche planmäßige Überwachung“ und gegen die „Polizeiliche Vorbeugehaft“ konnten keine Rechtsmittel eingelegt werden, so dass hier ein rechtsfreier Raum entstand.

Der Erlass und die Durchführungsrichtlinien wurden insbesondere vom SS-Standartenführer Paul Werner, Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt, verfasst.

Inhaltsverzeichnis

Polizeiliche Vorbeugehaft in der BRD

In der BRD ist das Polizeirecht Ländersache. Vorbeugehaft ohne Anklage kann zum Beispiel in Berlin für 47 Stunden, in Bayern bis zu vier Tage auf rechtsstaatlicher Grundlage verhängt werden.[1]

Quellen

  • Reichssicherheitshauptamt – Amt V – (Hrsg.): Vorbeugende Verbrechensbekämpfung – Erlaßsammlung. Bearbeitet von SS-Hauptsturmführer Kriminalrat Richrath im Reichssicherheitshauptamt, o. O., o. J., (Berlin 1943).

Forschungsliteratur

  • Wagner, Patrick: Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeptionen und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Christians, Hamburg 1996.
  • Terhorst, Karl-Leo: Polizeiliche planmäßige Überwachung und polizeiliche Vorbeugungshaft im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte vorbeugender Verbrechensbekämpfung. Müller, Heidelberg 1985.
  • Schwegel, Andreas: Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931-1944. Mohr Siebeck, Tübingen 2005.

Einzelnachweise

  1. http://www.taz.de/t164/Berlin-Rot-Schwarz/!80478/

Siehe auch


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