Paul Werner

Paul Werner

Paul Werner (* 4. November 1900 in Appenweier; † 15. Februar 1970) war SS-Standartenführer und Ministerialrat, im Reichssicherheitshauptamt Leiter der Amtsgruppe V A (Kriminalpolitik und Vorbeugung) und Vertreter von Arthur Nebe als Leiter des Amtes V (Reichskriminalpolizeiamt), ab 1951 Beamter im baden-württembergischen Innenministerium.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft, Studium und Beruf

Paul Werner wurde am 4. November 1900 im badischen Appenweier als Sohn eines Reichsbahninspektors geboren. Werner wuchs in Heidelberg auf, wohin sein Vater 1902 versetzt wurde.

Nach dem Notabitur wurde er 1918 noch für die letzten Monate des Ersten Weltkrieges eingezogen.

In Heidelberg und Freiburg nahm Werner nach Kriegsende ein Studium der Rechtswissenschaften auf und legte 1923 das Referendarexamen mit der Note „lobenswert“ ab. Er wurde als Hilfsrichter und Hilfsstaatsanwalt in Baden eingesetzt, bevor er sein Assessorexamen 1926 mit der Bewertung „gut“ ablegte.

Werner absolvierte die gewöhnliche Berufslaufbahn als Staatsanwalt in Offenburg und Pforzheim sowie als Zivil- und Arbeitsrichter am Amtsgericht Lörrach, wo er 1933 zum Amtsgerichtsrat ernannt wurde.

Schon als Student fühlte er sich der national-völkischen Politikrichtung verbunden, ohne sich jedoch parteipolitisch zu binden. In die NSDAP trat er erst nach der nationalsozialistischen „Machtübernahme“ am 1. Mai 1933 ein.

Im Reichskriminalpolizeiamt und Reichssicherheitshauptamt

Anfang September 1933 wurde Werner zum Leiter des Badischen Landeskriminalamtes in Karlsruhe bestellt. Sein erfolgreiches Wirken führte schließlich 1937 zur Berufung als stellvertretender Leiter des neugebildeten Reichskriminalpolizeiamtes (RKPA) nach Berlin. Obwohl nach späteren Angaben von Mitarbeitern kein besonders „scharfer“ Nationalsozialist, war er an entscheidender Stelle für die neue Konzeption des Reichskriminalpolizeiamtes und deren Umsetzung in eine effektive kriminalpolizeiliche Arbeit verantwortlich. Hier fand Werner auch die Möglichkeit, seine eigene Überzeugung hinsichtlich einer Kausalität von genetischen Dispositionen und Kriminalität als neue polizeipolitische Leitlinie auch auf höchster Ebene bestätigt zu sehen und für die Praxis verfügbar zu machen. Konsequenz war eine vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch Erfassung, Beobachtung und mögliche Vorbeugehaft für sogenannte Berufsverbrecher, der Werner als Leiter der Amtsgruppe V A (Aufbau, Aufgaben und Rechtsfragen der Kriminalpolizei) des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) zunehmend Geltung verschaffte.

So arbeitete Werner den Erlass des Reichsinnenministers vom 14. Dezember 1937 zur „Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung durch die Polizei“ maßgeblich aus. Dieser Erlass bestimmte mit den Ausführungsrichtlinien vom 4. April 1938 künftig die Prinzipien der polizeilichen Maßnahmen.

Werner räumte auch der Erbbiologie einen hohen Stellenwert für die kriminalpolizeiliche Strategie einer vorbeugenden Verbrechensbekämpfung im Sinne der Sippenforschung ein:

„Wenn ein Verbrecher oder Asozialer Vorfahren hat, die ebenfalls verbrecherisch oder asozial lebten […], ist nach den Ergebnissen der Erbforschung erwiesen, daß sein Verhalten erbbedingt ist. Ein solcher Mensch muß […] in anderer Weise angepackt werden, als ein Mensch, der […] einer anständigen Familie entstammt […]. Der Verbrecher wird nicht mehr als Einzelperson, seine Tat nicht mehr als Einzeltat angesehen. Er ist vielmehr als Sproß und Ahn einer Sippe, seine Tat als Tat eines Sippengliedes zu betrachten.“[1]

Die Errichtung des Kriminalbiologischen Instituts der Sicherheitspolizei (KBI) im Reichssicherheitshauptamt unter Robert Ritter mit Erlass vom 21. Dezember 1941 geschah denn auch weitgehend auf Betreiben Werners.

Hans Hefelmann, Amtsleiter in der Kanzlei des Führers (KdF), sagte bei einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart am 20. Februar 1963 aus, Werner sei der Verbindungsmann des Reichskriminalpolizeiamtes zu Reinhold Vorberg, dem Leiter der „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH“, der Transportabteilung der Aktion T4, gewesen. Werner sei zusammen mit Nebe zu einer Besprechung über das vorgesehene „Euthanasie“-Programm im August 1939 mit Oberdienstleiter Viktor Brack, dem Chef des Amtes II der KdF und Organisator der Aktion T4, in der Reichskanzlei zusammengetroffen. Nebe wies daraufhin den Leiter des Referates V D 2 im Kriminaltechnischen Institut, Albert Widmann, an, die T4-Organisation hinsichtlich eines geeigneten Tötungsmittels zu beraten und das schließlich gewählte Kohlenmonoxydgas und weitere erforderliche Gifte zu besorgen und zu liefern.

Vom Frühjahr 1942 bis Anfang 1943 führte Werner eine Inspektion der deutschen Kriminalpolizeistellen in Paris, Brüssel und Den Haag durch, um sodann für eine halbes Jahr als Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD in Stettin praktische Erfahrungen vor Ort zu sammeln. Im März 1943 übernahm er wieder seine Stelle als Leiter der Amtsgruppe V A (Kriminalpolitik und Vorbeugung) und Vertreter des Amtes V, Arthur Nebe, im RSHA. Während seiner Abwesenheit wurde Werner von SS-Obersturmbannführer Robert Schefe vertreten. Werner blieb bis Kriegsende auf dieser Stelle.

Nach dem Ende des Nationalsozialismus

Nach dem Ende des Nationalsozialismus gelang es Werner zwar nicht wieder bei der Kriminalpolizei Verwendung zu finden. Allerdings wurde er nach der Einstufung als „Mitläufer“ im Entnazifizierungsverfahren 1951 als Regierungsrat im Innenministerium von Baden-Württemberg eingestellt. 1955 wurde er wieder zum Ministerialrat ernannt und war zuständig für Verfassungsfragen. Selbst für die Nachfolge von Hanns Jess als Präsident des Bundeskriminalamtes wurde Werner 1955 vorgeschlagen. Dazu kam es jedoch aufgrund einer negativen Stellungnahme des zuständigen Referenten des Bundesinnenministeriums nicht der vertraulich folgende Einschätzung erhielt: "Werner sei nur knapp durchschnittlich begabt", "offen bis zur Schwatzhaftigkeit, begeisterter und überzeugter Nationalsozialist ... für den Polizeidienst untragbar", bei seinem ehemaligen Job im Reichskriminalpolizeiamt überfordert gewesen.[2]

Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Werner wurde 1962 eingestellt. In einer Aussage vor der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 16. November 1962 räumte Werner ein:

„Selbstverständlich habe ich von den Einsatzkommandos im Osten gewußt und z. B. von Auschwitz“.[3]

Paul Werner starb am 15. Februar 1970.

Literatur

  • Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburg 2003 u. ö., ISBN 3-930908-87-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. zit. nach Michael Wildt: Generation des Unbedingten... Hamburg 2003, ISBN 3-930908-87-5, S. 320
  2. Dieter Schenck: Die braunen Wurzeln des BKA. Frankfurt/M. S.49-52.
  3. zitiert nach Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Aktualis. Ausg. Frankfurt/Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 670.

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