Poltern (Sprechstörung)

Poltern (Sprechstörung)
Klassifikation nach ICD-10
F98.6 Poltern
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Poltern ist eine Störung des Redeflusses, für die eine unregelmäßige, zu schnelle Sprechgeschwindigkeit, Unflüssigkeiten, Silbenverschmelzungen und oft andere Symptome, wie Sprach- und Sprechfehler, phonologische Fehler und Aufmerksamkeitsprobleme charakteristisch sind. Poltern kann mit Stottersymptomen einhergehen.

Als Synonyme werden für Poltern auch der Battarismus, die Tachyphemie sowie der Tumultus sermonis verwandt. Zeitweise wurde Poltern im deutschen Sprachraum auch als eine Paraphrasia praeceps bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Symptomatik

Das Sprechen ist schwer verständlich durch Unregelmäßigkeiten und gestörten Sprechrhythmus, die Anläufe sind ruckhaft und schnell, das Satzmuster gewöhnlich fehlerhaft. Neben dem überhasteten Sprechen sind Lautverschmelzungen (Elisionen) typisch, z. B. „Hatür“ statt „Haustür“. Es werden also oft (unbetonte) Silben verschluckt. Das Sprechen hört sich nicht fließend an, das heißt, es ist nicht klar, was der Betroffene sagen will. Das Sprechen zeigt einen erhöhten Anteil an auch normalerweise vorkommenden Unflüssigkeiten wie Interjektionen (z. B. „ähm“) und Revisionen (Satzumstellungen). Die Person, die poltert, zeigt wenig Anstrengung im Sprechen und wenig Nebenbewegungen (die bei Stottern häufiger vorkommen). Zwar besteht meist ein Störungsbewusstsein, nur in dem Moment, wo die Probleme auftreten, stehen die Betroffenen vor Schwierigkeiten, diese zu identifizieren.

Sekundäre Symptome

Neben dieser Symptomatik ist oft auch Folgendes wahrzunehmen: unorganisiertes Sprechen sowie wenig Bewusstsein über Sprechtempo und Redefluss. Es können Lernschwierigkeiten vorbekannt sein. Polterer können leicht ablenkbar und hyperaktiv sein und haben öfter eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und Probleme bei der auditiven Verarbeitung.

Therapie

Meistens werden zuerst die psychosozialen Probleme behandelt, die zum Poltern beitragen. Der Redefluss wird erst später behandelt. Sehr wichtig ist die Arbeit am Sprechtempo. Es kann mit verschiedenen Sprechgeschwindigkeiten geübt werden, Pausen zu machen. Auch die Aussprache, Silbenausprägung und die Sprachprobleme sind Bestandteil der Behandlung. Wenn neben Poltern auch eine Stottersymptomatik besteht, soll in der Behandlung auch daran gearbeitet werden.

Poltern wird meistens durch Stottertherapeuten oder Logopäden behandelt.

Klassifikation

In der ICD-10 wird das Poltern unter der Gruppe Psychische und Verhaltungsstörungen in der Untergruppe Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend subsumiert und differenzialdiagnostisch dem Stottern und den Ticstörungen gegenüber gestellt.

Kenntnisstand und Forschung

Im Vergleich zum Stottern tritt Poltern relativ selten auf. Ferner gibt es nur wenig Fachliteratur hierüber. Nachdem viele Jahre kein Buch über diese Redeflussstörung erschienen ist, wurde 2004 eine medizinisch-logopädische Monographie der Bonner Logopädin Ulrike Sick veröffentlicht. Viele an Poltern interessierte Therapeuten (sowie auch Forscher und Betroffene) haben sich im Mai 2007 zur International Cluttering Association (ICA) vereint, um zukünftig verstärkt über die Störung zu forschen; zu diesem Zeitpunkt fand in Raslog, Bulgarien, der erste Weltkongress zum Thema Poltern statt. Die ICA möchte sich auf allen Ebenen mit dieser Störung befassen und hat unterschiedliche Ausschüsse für Forscher, Therapeuten und Betroffene gebildet. Sie ist in vielen Ländern vertreten, in Deutschland durch Manon Abbink-Spruit und Ulrike Sick.

Literatur

  • Iven, Claudia: Poltern. In: Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie. Band. 2: Erscheinungsformen und Störungsbilder. Stuttgart: Kohlhammer, S. 173-182.
  • Schneider, Michael: Poltern. In: Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie. Band. 4: Beratung, Therapie und Rehabilitation. Stuttgart: Kohlhammer, S. 235-241.
  • Sick, Ulrike: Poltern. Theoretische Grundlagen, Diagnostik, Therapie, Verlag Thieme 2004.
  • Coblenzer, Horst; Muhar, Franz: Atem und Stimme. Anleitung zum guten Sprechen, Verlag öbv/hpt.
  • Schönmackers, Susanne: Entspannungsverfahren in der Sprachtherapie mit polternden Kindern, Verlag Ernst Reinhardt 2002.
  • Stuttering Foundation of America: Cluttering, Some Guidelines

Siehe auch

Weblinks

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