Protoplanetare Scheibe

Protoplanetare Scheibe
Künstlerische Darstellung einer protoplanetaren Scheibe

Eine protoplanetare Scheibe, auch zirkumstellare Scheibe oder Proplyd (engl. Kurzwort für Protoplanetary disk) genannt, ist eine flache, ringförmige Ansammlung von Gas und Staub (Akkretionsscheibe) um einen jungen Stern, aus der sich ein Planetensystem bilden kann.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Die protoplanetare Scheibe bildet sich aus der Gas- und Staubwolke (Sonnennebel), die sich zu einem neuen Sternsystem zusammenballt (protostellare Wolke). Die weitaus meiste Masse dieser Wolke wird aber anschließend von dem neuen Stern selbst aufgenommen, und nur ein kleiner Rest bildet die verbleibende protoplanetare Scheibe, die dafür den überwiegenden Teil des Drehimpulses der ursprünglichen Gas- und Staubwolke übernimmt (im Sonnensystem mehr als 99 %). Je nach Modell werden für die protoplanetaren Scheiben meist Massen von etwa 1 % bis zu etwa 10 % des jeweiligen Sterns angenommen.

Durch hydrodynamische Modellierung des Kollaps' einer protostellaren Wolke konnte gezeigt werden, dass selbst ein kleiner anfänglicher Drehimpuls der protostellaren Wolke genügt, die Bildung nur eines einzelnen Sterns zu verhindern, und sich stattdessen je nach Stärke der turbulenten Reibung ein Doppelsternsystem oder aber ein von einer protoplanetaren Scheibe umgebener Stern bildet.

Entwicklung einer protoplanetaren Scheibe zum Planetensystem

Die Prozesse, die zur Bildung eines Planetensystems aus einer protoplanetaren Scheibe führen, sind noch nicht im Detail verstanden. Im Wesentlichen gibt es zwei Modelle zu Entstehung der Planeten.

  • Koagulation und Akkretion: Staubteilchen und kleinere Partikel in der Scheibe stoßen zusammen und bleiben aneinander haften, was zur Bildung von Planetesimalen führt. Diese Planetesimale stoßen wiederum zusammen und bilden so noch größere Körper, je größer ein Körper bereits ist, desto mehr weitere Planetesimale sammelt er auf, so dass größere Körper schneller wachsen als kleinere (Runaway-Prozess) und sich letztendlich zu Planeten entwickeln. Die Gasplaneten würden in diesem Modell durch Akkretion von Gas an den bereits entstandenen großen Gesteinskörpern entstehen.
  • Gravitationsinstabilität: Verdichtungen innerhalb der protoplanetaren Scheibe, welche das Jeans-Kriterium erfüllen, führen zur Zusammenballung von Materie und letztlich zur Bildung von Planeten. Speziell für die Bildung der Gasplaneten ist dies ein oft angenommenes Modell. Gemäß theoretischen Simulationen (L. Mayer et al., Science (2002)) können sich Gasplaneten so bereits innerhalb von 1000 Jahren aus spiralförmigen Dichteinstabilitäten innerhalb von protoplanetaren Scheiben bilden. Unklar ist, wodurch solche Instabilitäten verursacht werden können. Sehr massereiche Scheiben werden von selbst instabil, wenn sie abkühlen und damit der Druck abnimmt (Alar Toomre, 1964). Möglicherweise können auch in masseärmeren Scheiben lokale Instabilitäten auftreten, wenn dieser Bereich durch eine äußere Störung, zum Beispiel eine nahe Supernova, verdichtet wird.

Beide Szenarien für die Entstehung von Planeten müssen sich nicht unbedingt ausschließen. So ist es etwa möglich, dass Gasriesen durch Gravitationsinstabilitäten entstehen, während erdähnliche Planeten durch Ansammlung von Planetesimalen entstehen. Die Entstehung von Uranus und Neptun beispielsweise wäre durch eine Gravitationsinstabilität ohne Widerspruch zur begrenzten Lebensdauer protoplanetarer Scheiben möglich; im konventionellen Koagulationsmodell würde die Entstehung der äußeren Gasriesen bis zu mehreren hundert Millionen Jahren dauern, während Beobachtungen darauf hindeuten, dass protoplanetare Scheiben schon nach weniger als zehn Millionen Jahren zerstört werden (Haisch, Lada & Lada 2001). Andererseits spricht der hohe Anteil an schwereren Elementen besonders bei Uranus und Neptun gegen eine direkte Bildung aus Gravitationsinstabilitäten, da diese eher zu einer sonnenähnlichen Zusammensetzung führen würden.

Protoplanetare Scheiben werden innerhalb von weniger als 10 Millionen Jahren zerstört. Das Gas und Teilchen kleiner als etwa 1µm werden durch den Sternwind und Strahlungsdruck aus dem System getrieben. Mittlere Teilchen bis etwa 1cm fallen durch den Poynting-Robertson-Effekt auf Spiralbahnen in den Stern. Nur die größeren Teilchen überleben.

Die Staubscheiben, welche um ältere Sterne wie Wega seit den 80er Jahren entdeckt wurden, sind daher keine Reste protoplanetarer Scheiben. Der Staub wird stattdessen andauernd durch die Kollision von Planetoiden nachgeliefert. Auch der Staub im Sonnensystem, welcher im Zodiakallicht zu sehen ist, entstammt der Kollision von Planetoiden und der Ausgasung von Kometen und ist nicht etwa der Rest der protoplanetaren Scheibe.

Beobachtungen von protoplanetaren Scheiben

Die ersten protoplanetaren Scheiben wurden 1994 von C. Robert O'Dell und Mitarbeitern mit dem Hubble-Weltraumteleskop im Orionnebel beobachtet. In diesem Sternentstehungsgebiet sind etwa 50 % aller jungen Sterne von einer protoplanetaren Scheibe umgeben. 1998 wurde erstmals eine Scheibe um einen massiven Stern gefunden. Durch Infrarotaufnahmen konnten 2003 zum ersten Mal kristalline Silikate in einer protoplanetaren Scheibe nachgewiesen werden, durch IR-Spektroskopie 2008 sogar organische Materialien wie Blausäure, Kohlendioxid und Wasser (vgl. unter AA Tauri, Kosmochemie und chemische Evolution).

Literatur

  • A. Natta, V. Grinin, V. Mannings, 2000, Properties and Evolution of Disks around Pre-Main-Sequence Stars of Intermediate Mass, Protostars and Planets IV, S. 559, ISBN 0-8165-2059-3
  • Antonella Natta, 2003, Circumstellar Disks in pre-Main Sequence Stars, arXiv-Preprint
  • Lucio Mayer, Thomas Quinn, James Wadsley & Joachim Stadel, 2002, Formation of Giant Planets by Fragmentation of Protoplanetary Disks, Science, 298:1756–1759, arXiv-Preprint
  • Alar Toomre, 1964, On the gravitational stability of a disk of stars, The Astrophysical Journal, 193:1217–1238 (behandelt galaktische Scheiben, wird aber häufig auch im Zusammenhang mit protoplanetaren Scheiben zitiert).
  • Karl E. Haisch, Elizabeth A. Lada, Charles J. Lada, Disk Frequencies and Lifetimes in Young Clusters, The Astrophysical Journal, Volume 553:L153-L156, arXiv-Preprint

Weblinks


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