Purusha

Purusha

Purusha (Sanskrit, m., पुरुष, puruṣa, Mann, Mensch, Menschheit, Person, Urseele) ist ein wichtiger Begriff in der indischen Mythologie, in der Samkhya-Philosophie und im Shivaismus.

Der Begriff "Purusha" hat im Laufe der Zeit eine interessante Entwicklung durchgemacht:

  • Der älteste Beleg ist im Rigveda (RV.10.90) zu finden, dem sog. Purusha-Sukta, das auch die Entstehung der Kasten beschreibt. Purusha ist ein Urindividuum aus dem die Welt und die Varnas (Kasten) entstehen. Purusha wird mit tausend Köpfen und tausend Füßen beschrieben. Er bedeckte die Erde vollständig und ragte noch darüber hinaus. Er gilt als Herrscher der Unsterblichkeit. Er breitete sich aus und zwar durch Selbstzeugung. Er entließ die Viraj (weibliches Schöpfungsprinzip) aus sich und ließ dann aus ihr die Welt gebären. Den so geborenen Purusha bringen die Götter als Opfergabe dar. In diesem Opfer wurden die Verse und Gesänge geschaffen. Die Pferde und Kühe wurden geboren. Der Mund von Purusha wurde zu den Brahmanen, die Arme zu den Kshatriyas, die Schenkel zu den Vaishyas und die Füße zu den Shudras. Aus seinem Geist wurde der Mond geboren, aus seinen Augen die Sonne. Indra und Agni kamen aus seinem Mund. Aus seinem Kopf entstand der Himmel, aus seinem Nabel das Weltall.[1]
  • In der vorklassischen, dualistischen Samkhya-Philosophie ist Purusha die Urseele, der ewige, metaphysische Weltgeist, der unveränderlich ist. Purusha befindet sich in Gegensatz zur weiblich gedachten Prakriti (Natur), der Welt der Phänomene. Man stellte die Urseele und die Urmaterie als Mann und Frau gegenüber und leitete ihre Verschiedenheit aus dieser Gegensätzlichkeit her. Prakriti ist die Frau und daher das schaffende und gebärende Prinzip. Purusha ist der Mann, sein Wesen ist es zu betrachten, zu schauen und zu erkennen. Purusha und Prakriti sind die zwei unterschiedlichen Prinzipien, auf die die Welt zurückgeführt wird.
  • In dem klassischen System des Samkhya wird die Welt auf zwei ewige Prinzipien zurückgeführt. Dies sind die unbewusste, aktive Urnatur (Prakriti) einerseits und die Vielzahl der geistig bewussten, individuellen Geistmonaden (Purusha) andererseits. Da in der empirischen Welt eine Vielzahl von Individuen existieren, geht die Philosophie des Samkhya von einer unendlichen Zahl von Geistmonaden aus. Der Purusha ist seinem Wesen nach reines Bewusstsein, ein ewiges Subjekt, das nie Objekt werden kann. Es erfreut sich an dem Spiel der sich entfaltenden Prakriti.[2]
  • In der Bhagavadgita ist der Purusha sowohl Ursache für die Dinge in der Welt als auch Träger des Unwandelbaren, das außerhalb der Welt steht. Darüber hinaus wird von einem Purushottama gesprochen, der Himmel und Erde und die Welt dazwischen durchwaltet und umspannt. So heißt es in den Strophen 15,16 - 15,18:
    Zwei Purushas sind in der Welt: Der eine zu den Dingen ward,
    Der andere wie auf einem Fels stets unerschütterlich beharrt.
    Doch größer ist ein anderer noch, er wird das höchste Selbst genannt,
    Der diese ganze Dreiwelt trägt, als Herr durchwaltet und umspannt.
    Mehr als der wandelbare Geist bin ich. Darum in Wort und Schrift
    Man mich als Allerhöchsten preist.
    [3]
  • In den shivaitischen Texten (z.B. Lingapurana) wird Shiva als höchstes Wesen über Purusha und Prakriti gestellt. Shivas männlicher Aspekt wird mit dem Purusha und dessen weiblicher Aspekt mit der Prakriti identifiziert. Prakriti wird als die Grundlage alles Materiellen und alles Dynamischen im Universum begriffen. Auch wird die Prakriti als seine Gattin, der Purusha als sein Lingam betrachtet. Ikonografisch wird Shiva als Purusha, als Uma-Maheshvara bezeichnet; die auf seinem linken Schenkel sitzende Uma wird als Prakriti aufgefasst, also Vater und Mutter der Schöpfung.
  • Das Wort Purusha wird auch in den zusammengesetzten Begriffen Purushottama oder Para-Purusha verwendet. Es ist hier eine Bezeichnung für den Einen Geist, die höchste Seele, das Göttliche Selbst, die Göttliche Person. Sie steht über dem Wandelbaren (Kshara) und dem Unwandelbaren (Akshara) (siehe Abschnitt Bhagavadgita). Das Vastu-Purusha-Mandala (Vastu: Erde, auf der gebaut wird) ist die Darstellung der kosmogonischen Ordnung und ein Grundprinzip der indischen Architektur.

Einzelnachweise

  1. Karl Friedrich Geldner: Rig-Veda. Das Heilige Wissen Indiens. Band II. S. 286
  2. Helmuth von Glasenapp: Die Philosophie der Inder. Eine Einführung in ihre Geschichte und ihre Lehren. Kröner, Stuttgart 1949, S. 208
  3. Robert Boxberger: Bhagavadgita. S. 87

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