Helmuth von Glasenapp

Helmuth von Glasenapp
Grab von Helmuth von Glasenapp; Tübingen, Bergfriedhof

Helmuth von Glasenapp (* 8. September 1891 in Berlin; † 25. Juni 1963 in Tübingen, voller Name Otto Max Helmuth von Glasenapp) war ein deutscher Indologe und Religionswissenschaftler, der als Professor an den Universitäten Königsberg in Ostpreußen (1928–1944) und Tübingen (1946–1959) lehrte. Einige seiner Bücher, mit denen er sich nicht nur an das engere Fachpublikum richtete, gelten bis heute als Standardwerke und werden in mehreren Sprachen immer wieder neu aufgelegt.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werdegang

Helmuth von Glasenapp entstammte dem weitverzweigten pommerschen Adelsgeschlecht Glasenapp und war der Sohn des späteren Vizepräsidenten der Reichsbank Otto von Glasenapp und dessen Ehefrau Lilli, geb. Jähns.

Von 1910 bis 1914 studierte Glasenapp an den Universitäten Tübingen, München, Berlin und Bonn Sanskrit, Pali und Allgemeine Religionswissenschaft. 1914 wurde er in Bonn bei Hermann Jacobi mit einer Dissertation über Die Lehre vom Karman in der Philosophie der Jainas promoviert. Während des Ersten Weltkrieges war er Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes in dessen neugegründeter Nachrichtenstelle für den Orient.

1918 habilitierte er sich in Bonn mit einer Arbeit über Madhvas System des Vishnu-Glaubens und hielt im Mai 1918 seine Antrittsvorlesung, konnte jedoch aufgrund der Kriegswirren keine Lehrtätigkeit aufnehmen und wurde schliesslich im April 1920 nach Berlin umhabilitiert, wo er bis 1928 als Privatdozent lehrte.

1928 wurde Glasenapp als Nachfolger von Rudolf Otto Franke auf die außerordentliche Professur für Indologie an der Universität Königsberg berufen, die er bis Kriegsende innehatte. Am 6. Mai 1946 erhielt er dann den durch die Entpflichtung von Jakob Wilhelm Hauer freigewordenen Lehrstuhl für Indologie und Vergleichende Religionswissenschaft seines ehemaligen Lehrers Rudolf von Garbe in Tübingen. 1959 wurde er emeritiert; er hielt dennoch bis zu seinem Tod 1963 weiter Vorlesungen, vor allem im Bereich der Religionswissenschaft, während der Bereich der Indologie von seinem Nachfolger Paul Thieme übernommen wurde.

Glasenapp reiste 1927 erstmals nach Indien und unternahm in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche weitere Studien- und Vortragsreisen in verschiedene Länder des Orients und nach Afrika. Seit 1949 war er korrespondierendes Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur; ferner war er ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und aktives Mitglied des deutschen P.E.N. Anlässlich seines 70. Geburtstages wurde er 1961 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Glasenapp, der unverheiratet blieb, erlag am 25. Juni 1963 im 72. Lebensjahr in Tübingen den Folgen eines Verkehrsunfalls und fand seine letzte Ruhestätte auf dem dortigen Bergfriedhof.[1] Posthum erschien 1964 seine Autobiographie unter dem Titel Meine Lebensreise. Menschen, Länder und Dinge, die ich sah.

Wissenschaftliche Bedeutung

Neben zahlreichen historisch-philologischen Einzelstudien zu Werken der Sanskritliteratur und deutschen Übersetzungen klassischer Sanskritdichtungen veröffentlichte Glasenapp eine Reihe umfassender Überblicksdarstellungen zum Hinduismus, zum Jainismus und zum Buddhismus und ihren jeweiligen Philosophien, die teils bis heute als Standardwerke gelten, zahlreiche Neuauflagen in verschiedenen Sprachen erlebten und auch in Indien auf breite Rezeption stießen. Auch untersuchte Glasenapp in mehreren Publikationen das Verhältnis deutscher Geistesgrößen wie Immanuel Kant oder Johann Gottfried von Herder zur indischen Philosophie.

Helmuth-von-Glasenapp-Stiftung

Testamentarisch verfügte Glasenapp über die Deutsche Morgenländische Gesellschaft die Einrichtung einer Stiftung, die er mit 150.000 DM Grundkapital und allen künftigen Tantiemen aus seinen Publikationen ausstattete, verbunden mit der Auflage, die Erträge ausschließlich und unmittelbar zur Förderung der deutschen Indienforschung zu verwenden. Die gemeinnützige Stiftung konstituierte sich 1964 und hat ihren Sitz in Wiesbaden.[2] Nach Wolfgang Voigt (1964–1980) und Heinz Bechert (1981–1987) wird sie seit 1988 von Claus Vogel geleitet.

Schriften in Auswahl

  • Die Lehre vom Karman in der Philosophie der Jainas nach den Karmagranthas. Phil. Diss. (Bonn), Harrassowitz, Leipzig 1915.
  • Der Hinduismus. Religion und Gesellschaft im heutigen Indien. Kurt Wolff, München 1922.
  • Madhvas Philosophie des Vishnu-Glaubens. Mit einer Einleitung über Madhva und seine Schule. Schroeder, Bonn 1923.
  • Indien. (Der indische Kulturkreis in Einzeldarstellungen, hg. von Karl Döhring), Georg Müller, München 1925.
  • Der Jainismus. Eine indische Erlösungsreligion. Alf Häger, Berlin 1925.
  • Brahma und Buddha. Die Religionen Indiens in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Deutsche Buchgemeinschaft, Berlin 1926.
  • Religiöse Reformbewegungen im heutigen Indien. Hinrichs, Leipzig 1928.
  • Heilige Stätten Indiens. Die Wallfahrtsorte der Hindus, Jainas und Buddhisten, ihre Legenden und ihr Kultus. Georg Müller, München 1928.
  • Britisch-Indien und Ceylon.(Weltpolitische Bücherei, Band 14) Zentralverlag, Berlin 1929.
  • Die Literaturen Indiens von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Athenaion, Potsdam 1929.
  • Der Buddhismus in Indien und im Fernen Osten. Schicksale und Lebensformen einer Erlösungsreligion. Atlantis, Berlin 1936.
  • Buddhistische Mysterien. Die geheimen Lehren und Riten des Diamant-Fahrzeugs. Spemann, Stuttgart 1940.
  • Die Religionen Indiens. Kröner, Stuttgart 1943.
  • Die Weisheit des Buddha. Bühler, Baden-Baden 1946.
  • Der Stufenweg zum Göttlichen. Shankaras Philosophie der All-Einheit. Bühler, Baden-Baden 1948.
  • Die Philosophie der Inder. Eine Einführung in ihre Geschichte und ihre Lehren. Kröner, Stuttgart 1949.
  • Die fünf großen Religionen, 2 Bände:
    • Band 1: Brahmanismus. Buddhismus. Chinesischer Universalismus. Diederichs, Düsseldorf/Köln 1951.
    • Band 2: Islam und Christentum. Diederichs, Düsseldorf/Köln 1952.
  • Die Religionen der Menschheit. Ihre Gegensätze und ihre Übereinstimmungen. (Unesco Schriftenreihe, Band 6), Wilhelm Frick, Wien 1954.
  • Kant und die Religionen des Ostens. Holzner, Kitzingen-Main 1954.
  • Buddhismus und Gottesidee. Die buddhistischen Lehren von den überweltlichen Wesen und Mächten und ihre religionsgeschichtlichen Parallelen. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz 1954.
  • Der Pfad zur Erleuchtung. Grundtexte der buddhistischen Heilslehre. Diederichs, Düsseldorf/Köln 1956.
  • Glaube und Ritus der Hochreligionen in vergleichender Übersicht. (Fischer Bücherei 346), S. Fischer, Frankfurt am Main 1960.
  • Meine Lebensreise. Menschen, Länder und Dinge, die ich sah. Brockhaus, Wiesbaden 1964.

Schriftenverzeichnis

  • Zoltán Károlyi: Helmuth von Glasenapp-Bibliographie, Harrassowitz, Wiesbaden 1968, ISBN 978-3-447-04850-7.

Kleine Schriften

  • Volker Moeller, Heinz Bechert (Hgg.): Helmuth von Glasenapp: Ausgewählte Kleine Schriften. Mit einem Nachtrag zur Helmuth von Glasenapp-Bibliographie von Zoltán Károlyi, Harrassowitz, Wiesbaden 1980, ISBN 978-3-447-04863-7.

Literatur

  • Helmut Hoffmann: Glasenapp, Helmuth von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, S. 427 f.
  • Volker Moeller, Wilfried Nölle (Hgg.): Von Buddha zu Gandhi. Aufsätze zur Geschichte der Religionen Indiens (Festschrift zum 70. Geburtstag), Harrassowitz, Wiesbaden 1962
  • Martin Christof: Helmuth von Glasenapp als Indologe und Religionswissenschaftler: Der Hinduismusbegriff, in: Indienforschung im Zeitenwandel. Analysen und Dokumente zur Indologie und Religionswissenschaft in Tübingen, hg. v. Heidrun Brückner et al., Attempto, Tübingen 2003, ISBN 978-3-89308-345-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 40 Jahre Helmuth von Glasenapp-Stiftung.
  2. Gründungsdokumente der Helmuth-von-Glasenapp-Stiftung auf den Webseiten der Stiftung (PDF) (abgerufen am 1. März 2011).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Otto von Glasenapp — (* 30. September 1853 in Schivelbein, Pommern; † 3. März 1928 in Berlin; vollständiger Name Otto Georg Bogislaf von Glasenapp) war Vizepräsident der Reichsbank. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und beruflicher Werdegang 2 Auszeichnungen …   Deutsch Wikipedia

  • Otto Georg Bogislaf von Glasenapp — (* 30. September 1853 in Schivelbein, Pommern; † 3. März 1928 in Berlin) war Vizepräsident der Reichsbank. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und beruflicher Werdegang 2 Auszeichnungen 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Glasenapp (Adelsgeschlecht) — Wappen der Familie von Glasenapp Glasenapp ist der Name eines alten Adelsgeschlechts aus Pommern, mit Zweigen in Deutschland, Lettland, Estland, Russland, USA und Brasilien. Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Helmuth — Helmut – mit den Varianten Hellmut, Helmuth, Hellmuth – ist ein fast ausschließlich in Deutschland und Österreich verbreiteter, männlicher Vorname, der ab dem 16. Jahrhundert aber auch als Nachname nachweisbar ist. Die weibliche Form Helmute ist… …   Deutsch Wikipedia

  • Glasenapp — Armoiries de la famille von Glasenapp La famille von Glasenapp est une famille de la noblesse allemande de la Baltique originaire de Poméranie qui s est ramifiée en Allemagne, en Russie, aux États Unis et au Brésil. Sommaire …   Wikipédia en Français

  • Glasenapp — Glasenapp,   Otto Max Helmuth von, Indologe und Religionswissenschaftler, * Berlin 8. 9. 1891, ✝ Tübingen 25. 6. 1963; war 1928 45 Professor für Indologie in Königsberg (Preußen), 1946 59 Professor für Indologie und Religionswissenschaft in… …   Universal-Lexikon

  • Udo von Alvensleben-Wittenmoor — Udo von Alvensleben (* 23. Januar 1897 in Wittenmoor; † 22. August 1962 in Dortmund Bodelschwingh) war ein deutscher Kunsthistoriker. Inhaltsverzeichnis 1 Familie 2 Bildungsweg 3 Weiteres Leben …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Persönlichkeiten der Stadt Tübingen — Wappen der Stadt Tübingen Diese Liste enthält in Tübingen geborene Persönlichkeiten sowie solche, die in Tübingen gewirkt haben, dabei jedoch andernorts geboren wurden. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Militärs/G — Militärpersonen   A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Trägern des Pour le Mérite (Militärorden) — Diese Liste führt Ritter des Ordens Pour le Mérite auf. Seit seiner Stiftung 1740 durch Friedrich den Großen wurde der Orden bis zum Ende der Monarchie im Königreich Preußen an insgesamt 5.430 Personen verliehen. Inhaltsverzeichnis A B C D E F G… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”