- Qualitätstestierung
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Die Kunden- und Lernerorientierte Qualitätstestierungsmodelle bezeichnen Qualitätsmanagementsysteme, die auf die besonderen Anforderungen eines Qualitätsmanagements im Bildungs- und Sozialbereich eingehen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte und Anwendungsbereiche
Als erstes Qualitätstestierungsmodell wurde LQW - Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung von der ArtSet Forschung Bildung Beratung GmbH gemeinsam mit Verbänden und Partnern entwickelt, mit Länder- und Bundesmitteln in einem Großversuch getestet, durch eine Begleitforschung evaluiert und schließlich offiziell anerkannt. Aus dem LQW-Modell wurden dann auch für andere Sozial- und Bildungsbereiche speziell angepasste Modelle abgeleitet:
- Lernerorientierte Qualitätstestierung für Bildungsveranstaltungen (LQB)
- Lernerorientiertes Qualitätsmodell für Kindertagesstätten (LQK)
- Lernerorientierte Qualitätsmodell für Schulen (LQS)
- Kundenorientierte Qualitätstestierung für Soziale Dienstleistungsanbieter (KQS)
- Kundenorientierte Qualitätstestierung für Beratungsorganisationen (KQB).
Hintergrund
Während herkömmliche Konzepte des Qualitätsmanagements von einem Produktbegriff und entsprechend von einem (Bildungs-)Produktionsmodell ausgehen, berücksichtigen die Qualitätstestierungsmodelle die Eigenheiten menschlichen Lernens. Denn die Qualität des Lernens ist kein Produkt, das eine Einrichtung herstellen könnte. Lernen ist nicht bewirkbar oder verfügbar. Sondern Lernen ist ein sehr individueller Prozess der Aneignung und Verarbeitung durch das Individuum selbst. D.h. der Lernprozess selbst ist nicht steuerbar durch eine Bildungseinrichtung, sie kann nur die Kontexte des Lernens gestalten und kontrollieren. Diese Kontextsteuerung pädagogischer Prozesse orientiert sich nach dem Konzept der Qualitätstestierung durchgängig am gelungenen Lernen der Adressaten (deshalb: Lernerorientierung bzw. Kundenorientierung).
Vorgehensweise
Mit dem Lerner- und Kundenorientierten Qualitätsmodellen werden die Organisationen dazu angeregt, die Lernenden in den Mittelpunkt aller Qualitätsbemühungen zu stellen und die Gestaltung der Organisationsstrukturen dahingehend zu reflektieren. Der Qualitätsentwicklungsprozess geht deshalb immer von dem Unternehmensleitbild und einer Definition des Gelungenen (gelungenes Lernen, gelungene Beratung, gelungene Dienstleistung etc.) aus. Auf dieser Basis wird in einem Selbstreport von der Einrichtung ausgeführt, wie bestimmte vorgegebene Anforderungen in 11 Qualitätsbereichen derart strukturiert und umgesetzt werden, dass der gelungene Lernprozess der Kunden/innen gefördert wird.
Mit den Anforderungen in diesen Qualitätsbereichen werden keine normativen Qualitätsstandards, sondern eine Struktur für eine Selbstevaluation vorgegeben, nach der sich die gesamte Organisation selbst durchleuchtet, ob Ziele, Arbeitsmethoden und Ergebnisse stimmig zueinander passen und auf das Leitbild sowie die Definition des Gelungenen ausgerichtet sind. Die Beschäftigten werden dadurch veranlasst, a) über die Angemessenheit der bereits eingesetzten Arbeitsverfahren nachzudenken, b) die Ziele der Organisation und die Wege der Zielerreichung zu überprüfen und c) auf einer Metaebene die eigene Kooperation mit anderen Beschäftigten zu reflektieren. Das Konzept zielt damit auf eine reflexive Organisationsentwicklung mit dem Fokus auf der pädagogischen Qualität.
11 Qualitätsbereiche
Zu den elf Qualitätsbereichen des LQW-Modells gehören:
- QB 1 Leitbild und Definition gelungenen Lernens: Das Leitbild muss von außen als Profil der Organisation erkennbar und von innen erlebbar sein. Das Leitbild enthält eine Definition gelungenen Lernens.
- QB 2 Bedarfserschließung: Beinhaltet die Anwendung geeigneter Instrumente zur systematischen Marktbeobachtung, welche die Entwicklung der gesellschaftlichen Bedarfe und der individuellen Bildungsbedürfnisse der Adressaten berücksichtigt.
- QB 3 Schlüsselprozesse: Meint die zentralen Prozesse, die zur Erstellung und Abnahme der für die Organisation spezifischen Bildungsangebote und Dienstleistungen führen. Diese beziehen sich auf die Arbeitsabläufe der Gesamtorganisation. Die Klärung der Schlüsselprozesse dient der Transparenz, Verlässlichkeit und Eindeutigkeit und sichert das kooperative Handeln innerhalb der Organisation.
- QB 4 Lehr-Lern-Prozesse: Die Qualität der Lehr-Lern-Prozesse bezieht sich auf die Kompetenz der Lehrenden, das interaktive Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden und auf lernbezogene Elemente, die ein selbstbestimmtes Lernen der Teilnehmenden fördern.
- QB 5 Evaluation der Bildungsprozessn: Die durchgeführte Bildungsarbeit muss regelmäßig mit geeigneten Instrumenten geprüft und bewertet werden. Die Einschätzung der Lehrenden sollte Bestandteil der Evaluation sein.
- QB 6 Infrastruktur: Umfasst die räumlichem, situationalen, ausstattungstechnischen, zeitlichen, materialen und medialen Bedingungen des Lernkontextes.
- QB 7 Führung: Umfasst insbesondere die Strukturen der internen Kommunikation und Information, die Verfahren der Entscheidungsfindung und ist eine Funktion zur Koordination von Arbeitshandeln.
- QB 8 Personal: Betrifft alle Maßnahmen in Personalplanung, Personaleinsatz und Personalentwicklung. Hierzu gehört auch die Förderung und Fortbildung der freiberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter.
- QB 9 Controlling: Umfasst alle Maßnahmen, die dazu dienen, den Grad der Erreichung der Ziele einer Organisation zu überprüfen(auch Controlling genannt).
- QB 10 Kundenkommunikation: Bezieht sich auf die Kommunikation zwischen der Organisation und den Kunden/innen und ist somit Kern der organisationalen Leistungserbringung.
- QB 11 Strategische Entwicklungsziele: Dies sind die längerfristigen und umfassenden Ziele der Organisation. Sie basieren auf dem Leitbild sowie der internen und externen Evaluation.
Partizipation durch selbstreflexive Organisationsentwicklung
Im Unterschied zu anderen, oft sehr formalisierten Qualitätsmodellen ist das Modell der Qualitätstestierung relativ offen strukturiert. Es stellt die Kontextsteuerung der zentralen kundenbezogenen Prozesse in den Mittelpunkt und die Begriffe bzw. Verfahren sind für alle Mitarbeitergruppen relativ leicht zugänglich. Dadurch können alle Mitarbeitenden am Qualitätsentwicklungsprozess partizipieren und die Organisation kann sich zu einer lernenden, selbstreflexiven Organisation entwickeln. Auf den Websites des Instituts (siehe unten Web-Links) finden sich offen zugänglich zahlreiche Erläuterungen, Arbeitshilfen und Arbeitsinstrumente, die den Qualitätsentwicklungsprozess erleichtern.
Selbst- und Fremdevaluation
Der Qualitätsentwicklungsprozess beginnt mit einer internen Evaluation, die auf Basis des Leitbilds und der Definition gutes Lernens eine Stärken-Schwächenanalyse durchgeführt wird. Anschließend sind die Qualitätsbereiche zu spezifizieren, zu reflektieren und gegebenenfalls Maßnahmen einzuleiten. Dieser Prozess ist in einem Selbstreport zu dokumentieren. Der Selbstreport wird an das ArtSet Institut weitergeleitet und dient zur externen Evaluation, die von zwei Gutachtern durchgeführt wird. Anschließend nehmen die Gutachter eine Vor-Ort-Visitation vor, in der sie ihre Eindrücke auf Basis ihres Gutachtens wiedergeben und das Erreichen der Ziele bestätigen, die im (Selbstreport= nein) Prüfbericht festgelegt wurden. In einem Abschlussworkshop legt die Organisation mit Beratung durch den Gutachter ihre strategischen Entwicklungsziele fest, welche dann in anforderungsrelevante Formulierungen für die Retestierung umgearbeitet werden. Diese Retestierung erfolgt in vier Jahren. Das Modell sieht sich nicht als reines Prüfungsverfahren, sondern es verbindet Qualitätstestierung mit Entwicklungsunterstützung. Der selbstreflexive Selbstreport und (seine=nein) externe Begutachtungen verbinden die Aspekte Selbst- und Fremdevaluation der Einrichtung zur Steigerung der Qualität der Wissensvermittlung und Wissensaneignung.
Quellen
- Galiläer, Lutz (2005): Pädagogische Qualität. Perspektiven der Qualitätsdiskurse über Schule, Soziale Arbeit und Erwachsenenbildung. Weinheim u. a.
- Hartz, Stefanie/Meisel, Klaus (2004): Qualitätsmanagement. Studientexte für Erwachsenenbildung. Bielefeld: Bertelsmann.
- Heimlich, Christina (2003): Qualitätsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen. Fallbezogene Forschungsnotizen. URL: http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2003/heimlich03_01.pdf
- Zech, Rainer (2006): Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung. Leitfaden für die Praxis. Hannover: Expressum
- Zech, Rainer (2006): Handbuch Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung (LQW). Grundlegung - Anwendung – Wirkung. Bielefeld: W. Bertelsmann
Weblinks
Kategorien:- Qualitätsmanagement
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