Reichsgut

Reichsgut

Als Reichsgut bezeichnet man seit dem Mittelalter die Güter, Immobilien, Ländereien, die finanziellen und damit verbundenen hoheitlichen Rechte, die an das Amt des Königs oder Kaisers und nicht an die Person selbst oder Familie gebunden waren. Mit dem Tod des jeweiligen Königs fielen sie also nicht an dessen Erben, sondern seinem Nachfolger zu.

Im ostfränkischen und dem daraus später entstandenen deutschen bzw. Heiligen Römischen Reich bestand seine Grundlage aus den noch nicht verliehenen merowingischen und karolingischen Gütern auf seinem Gebiet. Durch den häufigen Dynastiewechsel von Karolingern zu Ottonen, dann zu den Saliern wurden die bisherigen Hausgüter der neuen Dynastien wie Reichsgüter behandelt, da die neue Dynastie anfangs auch immer der Privaterbe der vorangegangenen Dynastie war.

Als jedoch mit Lothar von Supplingenburg ein neuer König gewählt wurde, der keine erbliche Verbindung zur bisherigen Dynastie aufwies, ergaben sich Konflikte, da die Staufer zwar die Privaterben der Salier, nicht aber die Erben des Reichsgutes wurden. Sie akzeptierten zwar notgedrungen diese Wahl, nicht jedoch, dass Lothar alte salische Hausgüter unter dem Vorwand, diese seien nun Reichsgüter geworden, nicht an die Staufer als direkte Erben der Salier herausgeben wollte. Daraus ergab sich hauptsächlich das Gegenkönigtum Konrads III. von 1128 bis 1134. Die Klärung des Problems wurde dadurch erschwert, dass die Staufer als Verwandte und Anhänger der Salier von diesen sowohl Reichs- als auch Hausgüter gemeinsam als Lehen zur Verwaltung erhielten, wodurch diese schwer zu trennen waren.

Damals vollzog sich die Territorialisierung, worunter verstanden wird, dass die Verwaltung von Besitztümern und Rechten unabhängig von ihrer Herkunft in gemeinsamen Verwaltungsbezirken (meist Amt genannt) zusammengefasst wurde. Das galt auch im staufischen Machtbereich für die Verwaltung von Reichsgütern und salischen oder staufischen Hausgütern. Insbesondere in Schwaben wurden diese in sogenannten Landgrafschaften und Landvogteien zusammengefasst. Als mit Konrad IV. der letzte Staufer auf dem deutschen Thron starb, kam es während des Interregnums nicht nur um die Krone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu Streitigkeiten, sondern auch um die Reichsgüter.

Insbesondere in Schwaben gab es deshalb keinen eindeutigen Herrscher. Als z. B. Konradin, der Sohn König Konrads IV., sich darum bemühte, als Herzog von Schwaben anerkannt zu werden, erhielt er von Richard von Cornwall zur Antwort, das Herzogtum Schwaben mitsamt seinen Rechten und Besitztümern sei schon lange dem Reich inkorporiert. Auch wegen dieser abschlägigen Antwort begann dieser 1267 seinen Zug nach Italien und Sizilien, um dort das Erbe seines Vaters anzutreten. Als Rudolf I. von Habsburg 1273 den Thron bestieg, versuchte er zwar, die alten staufischen Haus- und Reichsgüter für das Reich zurückzugewinnen. Er war jedoch bald gezwungen, Zugeständnisse bei der Unabhängigkeit der freien Reichsstädte und gegenüber den Fürsten zu machen, die die alten Reichsgüter die letzten 20 Jahre verwaltet hatten. Erschwert wurde diese sogenannte Revindikationspolitik Rudolfs dadurch, dass kein allgemeines Verzeichnis über das Reichsgut existierte.

Besonders im Spätmittelalter wurde immer wieder Reichsgut von den Königen verpfändet (Reichspfandschaft) und ging somit nicht selten dem Reich verloren, da der Rückkauf oft problematisch war. Karl IV., der sich anfangs noch um die Rückforderung von Reichsgut bemüht hatte, veräußerte in den 70er Jahren des 14. Jahrhunderts systematisch dieses. Ziel war zum einen die Durchsetzung seiner politischen Ziele (Erwerb der Mark Brandenburg und Wahl seines Sohnes Wenzel zum römisch-deutschen König), zum anderen aber sollte so sichergestellt werden, dass zukünftige Könige sich vor allem auf ihr Hausgut stützen mussten, womit die Luxemburger eine starke Machtstellung haben würden. Letztendlich führte diese Politik aber dazu, dass die späteren Könige immer weniger Eingriffsmöglichkeiten in bestimmten Regionen des Reiches hatten, in denen sie vorher größeren Einfluss ausgeübt hatten (sogenannte „Königslandschaften“), was in direkter Folge die Macht des Königtums weiter einschränkte.

Literatur

  • Hans Constantin Faußner: Die Verfügungsgewalt des deutschen Königs über weltliches Reichsgut im Hochmittelalter. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 29, 1973, S. 345–449 (online).
  • Dietmar Flach: Reichsgut 751–1024. Bonn 2008.
  • Dieter Hägermann: Reichsgut. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 7, Sp. 620-622.
  • Hartmut Hoffmann: Die Unveräußerlichkeit der Kronrechte im Mittelalter. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 20, 1964, S. 389-474 (online).
  • Ernst Schubert: König und Reich. Studien zur spätmittelalterlichen deutschen Verfassungsgeschichte. Göttingen 1979.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Reichsgut — Reichsgut,   im Mittelalter der aus dem karolingischen Erbe stammende Grundbesitz des Heiligen Römischen Reichs zum Unterhalt von König, Hof und Zentralverwaltung, der zum Teil in direkter Verfügung des Königs blieb, zum Teil gegen… …   Universal-Lexikon

  • Worms-Horchheim — Horchheim Stadt Worms Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Pleißengau — Das Pleißenland ist ein Gebiet im westlichen Sachsen und östlichen Thüringen. Es ist nach dem Fluss Pleiße benannt. Inhaltsverzeichnis 1 Überblick 2 Auf und Ausbau des Pleißenlandes unter Lothar III. und den frühen Staufern 2.1 Lothar III. (1125… …   Deutsch Wikipedia

  • Pleißnerland — Das Pleißenland ist ein Gebiet im westlichen Sachsen und östlichen Thüringen. Es ist nach dem Fluss Pleiße benannt. Inhaltsverzeichnis 1 Überblick 2 Auf und Ausbau des Pleißenlandes unter Lothar III. und den frühen Staufern 2.1 Lothar III. (1125… …   Deutsch Wikipedia

  • Plisni — Das Pleißenland ist ein Gebiet im westlichen Sachsen und östlichen Thüringen. Es ist nach dem Fluss Pleiße benannt. Inhaltsverzeichnis 1 Überblick 2 Auf und Ausbau des Pleißenlandes unter Lothar III. und den frühen Staufern 2.1 Lothar III. (1125… …   Deutsch Wikipedia

  • Reichsterritorium Pleißenland — Das Pleißenland ist ein Gebiet im westlichen Sachsen und östlichen Thüringen. Es ist nach dem Fluss Pleiße benannt. Inhaltsverzeichnis 1 Überblick 2 Auf und Ausbau des Pleißenlandes unter Lothar III. und den frühen Staufern 2.1 Lothar III. (1125… …   Deutsch Wikipedia

  • Terra plisnensis — Das Pleißenland ist ein Gebiet im westlichen Sachsen und östlichen Thüringen. Es ist nach dem Fluss Pleiße benannt. Inhaltsverzeichnis 1 Überblick 2 Auf und Ausbau des Pleißenlandes unter Lothar III. und den frühen Staufern 2.1 Lothar III. (1125… …   Deutsch Wikipedia

  • Pleißenland — Das Pleißenland ist ein Gebiet im westlichen Sachsen und östlichen Thüringen. Es ist nach dem Fluss Pleiße benannt. Inhaltsverzeichnis 1 Überblick 2 Auf und Ausbau des Pleißenlandes unter Lothar III. und den frühen Staufern …   Deutsch Wikipedia

  • Deutschland — (Deutsches Reich, franz. Allemagne, engl. Germany), das im Herzen Europas, zwischen den vorherrschend slawischen Ländern des Ostens und den romanischen des Westens und Südens liegende, im SO. an Deutsch Österreich und im N. an das stammverwandte… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Holy Roman Empire — Holy Roman Empire[1] Imperium Romanum Sacrum Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation Sacro Romano Impero …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”