- Reifendefekt
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Unter Reifendefekt versteht man die verschiedenen Ursachen eines Reifenschadens bei Fahrzeugen mit Luftbereifung.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Folgende Fälle können bei Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern auftreten:
- Beschädigung der schwachen Reifenflanke durch spitzwinkliges Auffahren auf den Bordstein. Die dabei entstehenden Risse, die häufig nur von innen zu erkennen sind, führen zu abruptem Luftverlust (häufig bei Pkw).
- Beschädigung der schwachen Reifenflanke durch Schneeketten. Diese können sich mit ihren Kettengliedern unter ungünstigen Umständen in die weiche Reifenflanke eingraben und beim Lösen (während der Fahrt) Teile des Gummis herausbrechen.
- zu niedriger Betriebsdruck im Reifen. Dadurch entsteht bei höherer Geschwindigkeit eine Überhitzung des Reifens mit der Folge von Profilablösungen.
- Überalterung des Reifens. An der DOT-Nummer, die an jedem Reifen angebracht wird, kann man die Herstellungswoche und das Jahr erkennen. Überwiegend bei wenig bewegten Fahrzeugen (Wohnanhänger) wird das Reifenprofil nicht abgenutzt; die Alterung wird dadurch nicht aufgehalten. Überalterte Reifen erkennt man an feinen Haarrissen und Versprödung der Lauffläche (Fingernageltest).
- Fehlerhaftes Reifenventil/fehlende Ventilkappe. Bei höherer Geschwindigkeit kann es durch die Zentrifugalkraft zum langsamen Öffnen des Ventils führen. Daher ist die Ventilkappe zum Schutz vor Druckverlust zwingend geboten. Insbesondere bei Motorrädern versucht man seit neuem durch ein sogenanntes „Knickventil“ diesem Fall vorzubeugen.
- Eindringen von Fremdkörpern, Nägeln o. ä. Bei Fahrzeugen ohne Schlauchreifen (tubeless) entweicht die Luft langsam; bis zum völligen Druckverlust vergehen in der Regel 2 Minuten. Bei Schlauchreifen entweicht die Luft schlagartig.
- Falsche Geschwindigkeitskennziffer. Serienmäßig montierte Reifen sind mit einer Geschwindigkeitstoleranz ausgestattet, das heißt der Reifen verträgt eine höhere Geschwindigkeit als das Fahrzeug tatsächlich fahren kann. Bei ersatzweise montierten Winterreifen mit der Geschwindigkeitskennziffer „Q“ liegt der Fall sehr oft umgekehrt. Nach Untersuchungen der Stiftung Warentest beträgt bei einem Q-Reifen mit der Geschwindigkeitskennziffer bis 160 km/h die durchschnittliche Haltbarkeit bei 170 km/h nur 10 Minuten, bei 180 km/h nur 3 Minuten bis zu einem Reifenschaden.
- Zu langes Abstellen des Fahrzeugs (einige Wochen oder länger), so dass die Reifen während dieser Zeit immer an derselben Stelle des Reifenumfangs auf dem Boden stehen. Sie verformen sich an dieser Stelle dauerhaft, und es entsteht ein sogenannter Standplatten. Der Prozess erfolgt umso schneller, je höher die Umgebungstemperatur ist. Der Fahrkomfort wird dadurch verschlechtert, denn immer wenn die verformte Stelle auf den Boden kommt, gibt es einen Stoß. Nach einiger Zeit des Fahrbetriebs gibt sich dieses Problem meistens wieder. Nur in extremen Fällen müssen die Reifen getauscht werden.
Zu hoher Luftdruck führt nicht zu einem Reifendefekt. Der Platzdruck eines modernen Pkw-Reifens liegt bei über 10 bar. Allerdings ergibt sich bei erheblich zu hohem Druck ein ungleichmäßiger (und meist auch insgesamt höherer) Verschleiß des Reifens: er wird in der Mitte mehr als am Rand abgenutzt, da sich der mittlere Teil der Lauffläche nach außen wölbt. Außerdem erhöht sich der Verschleiß des Fahrwerks, da der Reifen weniger federt. Zudem vermindert sich die Bodenhaftung deutlich.
Den vorgeschriebenen Druck nur um 0,2 bis 0,3 bar zu überschreiten, führt aber noch nicht zu solchen Problemen, es vermindert stattdessen den Rollwiderstand und den Verschleiß des Reifens und ist daher empfehlenswert, allerdings um den Preis eines etwas schlechteren Komforts.
Reparatur
Pkw-Reifen
Schäden an Autoreifen können zumeist behoben werden, sofern der Reifen durch den Druckverlust und Einsatz nicht zu stark beschädigt wurde. Das entstandene Loch nennt man fachsprachlich den Stichkanal, oder auch Schadenkanal. Ordnungsgemäß wird der Reifen zur Reparatur von der Felge abgezogen. Eine sichere Reparatur wird mit zwei Bestandteilen vorgenommen: dem Pflaster und dem Pfropfen. Auf der Innenseite des Reifens wird an der Schadstelle ein Pflaster (sog. Deckenpflaster) angebracht, nachdem der gereinigte und frisch angeraute Stichkanal mit einem Gummipfropfen verschlossen wurde. Das Verschließen des Stichkanals kann sowohl mit einem vorvulkanisierten Reparaturkörper, als auch mit Rohgummi erfolgen. Das Rohgummi muss dann zusätzlich unter Druck und Temperaturzufuhr ab 98°C eine bestimmte Zeit lang vulkanisiert werden. Öfter wird statt Pflaster und Pfropfen ein Kombireparaturkörper verwendet, aufgrund seiner Form auch „Reparatur-Pilz“[1] genannt. Dieser wird von der Innenseite des Reifens nach außen durchgezogen und dichtet den Stichkanal durch den Schaft ab und die Innenseele (auch Innerliner genannt) durch das Deckenpflaster. Die überstehende Länge des Schaftes wird auf Höhe des vorhandenen Profils abgeschnitten. Reparaturkörper vulkanisieren auf chemischem Wege bei normaler Umgebungstemperatur. Dazu ist eine Bindeschicht an der Oberfläche des Reparaturkörpers mit einer abgestimmten Vulkanisationsflüssigkeit zusammen zu bringen. Kombireparaturkörper dürfen nur in der Lauffläche des Reifens, innerhalb des Gürtelpaketes eingesetzt werden.
Sofern mit Erfahrung, Sachkenntnis und nicht veraltetem Reparaturmaterial und Lösungen gearbeitet wird, erscheint eine Reparatur sinnvoll und vertretbar zu sein. Diese Voraussetzungen sind immer vom Gewerbetreibenden (Vulkaniseur) von Fall zu Fall zu prüfen, da dieser vor dem Gesetz für die durchgeführte Reparatur auch die Verantwortung übernehmen muss. Der Gesetzgeber hat im §36 der StVZO eine Basis für eine Regelung geschaffen. Genauere Hinweise gibt die „Richtlinie für die Instandsetzung von Luftreifen“ (Bundesverkehrsblatt Dokument B 3620). Darin sind seit 1. Juni 2008 keinerlei Einschränkungen zum Geschwindigkeitsindex des Reifens mehr aufgeführt; es können also auch ZR-Index Reifen repariert werden. Es liegen allerdings Einschränkungen der Reifenhersteller und Reparaturmaterial-Hersteller vor. Auch Einschränkungen bei Kfz-Versicherungen sind zu beachten. Entsprechend den Vorgaben des Reparaturmaterial-Herstellers sollten bei Pkw-Reifen keine Reparaturen in der Wulstzone durchgeführt werden, wenn auch Gewebe geschädigt ist. Reine Gummiverletzungen an der Wulst können repariert werden. Seitenwandreparaturen sind mit warm vulkanisertem Gummi im ausgearbeiteten Schaden und einem Deckenpflaster mit Gewebeverstärkung reparierbar (nur durch Fachleute mit entsprechender Ausbildung nach HwO). Die auf dem Markt erhältlichen Pannenhilfen sind nur als Notbehelf anzusehen. Auf jeden Fall ist das Einlegen eines Luftschlauches zum Abdichten eines beschädigten Reifens unzulässig. Die Beurteilung einer Reparaturstelle ohne Reifendemontage und Kontrolle des Reifeninneren ist fahrlässig.[2]
Fahrradreifen
Im Gegensatz zu Auto- und Motorradreifen, die in aller Regel schlauchlos sind, haben die Reifen von Fahrrädern meist einen Schlauch. Anders als beim Autoreifen wird also nicht der „Mantel“ bepflastert, sondern der Schlauch. Die Reparatur kann in der Regel vom Radfahrer selbst vor Ort durchgeführt werden, sofern Werkzeug zur Demontage von Laufrad und Mantel sowie ein Fahrradschlauch-Reparatur-Set und eine Luftpumpe mitgeführt werden. Bedingungen für die Wiederherstellung eines funktionsfähigen und betriebssicheren Zustandes sind, dass Mantel und Felge durch den aufgetretenen Reifendefekt nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden sowie ggf. eingedrungene Fremdkörper aus dem Mantel vollständig entfernt wurden. Besonderes Augenmerk gilt hier kleinen Glasscherben, die sich im Mantelmaterial festgesetzt haben und unter Umständen erst bei Belastung den Schlauch punktieren. Für die Reparatur werden das Laufrad aus dem Fahrrad ausgebaut und anschließend Mantel und Schlauch von der Felge getrennt. Nach der Entfernung aller Fremdkörper aus dem Mantel wird das Loch im Schlauch lokalisiert, wozu dieser aufgepumpt wird. Sehr kleine Löcher, die keinen spürbaren Luftzug produzieren, lassen sich finden, indem der Schlauch unter Wasser getaucht wird. Eine Besonderheit bei der Reparatur von Fahrradschläuchen ist die Kaltvulkanisation. Die Oberfläche des Schlauchs wird im Bereich des Lochs leicht aufgeraut, mit spezieller Vulkanisierflüssigkeit bestrichen und nach einigen Minuten Ablüftezeit wird auf den mit der Vulkanisierflüssigkeit bestrichenen Bereich ein spezieller Flicken aufgedrückt. Zuletzt wird die Schutzfolie vom Flicken abgezogen. Danach ist der Schlauch wieder einsatzbereit.
Sprachgebrauch
Eine Reifenpanne nennt man in fast ganz Deutschland einen Platten, formuliert als „einen Platten haben“, wohl als Verkürzung von „einen platten Reifen haben“. In Österreich nennt man den Platten dagegen einen „Patschen“. Hinzu tritt die deutsche Nebenvariante „Plattfuß“.[3]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Video (auf Englisch) über den Gebrauch von Reparaturpilzen: Maruni Plug-Patch
- ↑ Reifenunion
- ↑ Dritte Runde - Reifenpanne am Fahrrad. Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA), Phil.-Hist. Fakultät, Universität Augsburg, 19. Juni 2006
Kategorie:- Bereifung
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