Rhesus-Negativ-Verbreitung

Rhesus-Negativ-Verbreitung
Blutgruppen-Polypeptid Rh(D), Rhesus-D Antigen

Größe 417 Aminosäuren
Isoformen Long, Short 1, Short 2
Bezeichner
Gen-Name RHD
Externe IDs OMIM111680 UniProtQ02161
Vorkommen
Homologie-Familie Rhesus-Antigen
Übergeordnetes Taxon Chordatiere
Blutgruppen-Polypeptid Rh(CE), Rhesus-C/E Antigen

Größe 417 Aminosäuren
Isoformen RHI, RHIV, RHVI, RHVIII
Bezeichner
Gen-Name RHCE
Externe IDs OMIM111700 UniProtP18577
Vorkommen
Homologie-Familie Rhesus-Antigen
Übergeordnetes Taxon Chordatiere

Der Rhesusfaktor ist ein Protein auf der Zellmembran der roten Blutkörperchen im menschlichen Blut und wurde 1940 von Karl Landsteiner (1868–1943) und Alexander Solomon Wiener am New Yorker Rockefeller-Institut bei Rhesusaffen entdeckt. Das Rhesussystem beschreibt eine weitere Zusammenfassung, deren fünf wichtigste Vertreter (C, c, D, E, e) mit Testseren geprüft werden. Der älteste und wichtigste Rh-Faktor bezieht sich dabei auf den Rhesusfaktor D im Rhesussystem:

  • Besitzt eine Person das Rhesusfaktor-D-Antigen, so ist sie Rhesus-positiv und man schreibt „Rh(D)+“, „Rh+“, „Rh“ oder in Abhängigkeit des Genotyps „Dd“, „dD“, „DD“, selten auch „RH1“.
  • Besitzt eine Person kein Rhesusfaktor-D-Antigen, so ist sie Rhesus-negativ und man schreibt „Rh(D)−“, „Rh−“, „rh“ oder „dd“.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung für den Organismus

Nach einer Untersuchung aus 2008 mit genmanipulierten Mäusen, denen das Rhesusgen RHCG und damit Rhesusproteine fehlten, besitzen die Proteine wichtige Funktionen beim Transport von Ammonium-Ionen (NH4+) und Ammoniak (NH3), der Ausscheidung stickstoffhaltiger Stoffwechselendprodukte sowie der Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes im Blut. Die genveränderten Nager zeigten einen in den sauren Bereich verschobenen Blut-pH, im Urin niedrigere Spiegel von stickstoffhaltigen Stoffen und bei Männchen weniger fruchtbare Spermien.[1]

Bedeutung bei der Schwangerschaft

Hauptartikel: Rhesus-Inkompatibilität

Falls die Mutter Rhesus-negativ und der Fötus Rhesus-positiv ist, was bei etwa jeder 10. Schwangerschaft der Fall ist, kann es sein, dass die Mutter Antikörper gegen den Rhesusfaktor des Kindes besitzt, die zu Behinderungen und sogar Tod des Kindes führen. Man sorgt heute dafür, dass Rh-negative Mütter keine solchen Antikörper bilden, indem man ihnen im Allgemeinen kein Rh-positives Blut transfundiert und bei jeder Schwangerschaft mit einem Rh-positiven Kind eine Anti-D-Prophylaxe durchführt.

Rhesus-Negativ-Verbreitung

Etwa 17 % der Mitteleuropäer sind rhesus-negativ, in den östlichen Randzonen Europas ca. 4 %, im Baskenland 25 %, in der Schweiz etwa 15 %. Einen relativ hohen Anteil haben noch europanahe Zonen wie Nordafrika und Anatolien. Auf anderen Kontinenten liegt er zum Teil wesentlich niedriger. Amerika, Australien und ganz Ostasien haben gar keine rhesusnegativen Ureinwohner.

Die Verbreitung von Personen mit Rhesus-negativem Blut spielt eine bedeutsame Rolle bei der Ermittlung der genetischen Distanz von Völkern. Große Unterschiede zwischen Nationen bei der Häufigkeit von Rhesus-negativem Blut deuten auf große genetische Distanz und lassen gemäß den Untersuchungen von Cavalli-Sforza und anderen auf eine frühe Verzweigung der Völker schließen. Die Untersuchungen ergänzen Erkenntnisse, die sich aus der Studie über die Laktoseintoleranz ergeben.

Vererbungsmuster

Die Vererbung des Rhesusfaktors ist dominant-rezessiv: Die Ausprägung des Faktors ist dominant gegenüber Rhesus-negativem Phänotyp.

Anders als bei dem primär entdeckten Rh-Faktor „D“ stehen bei den Genprodukten des Rh-CE-Gens (wichtigste Antigenkombinationen sind CE, Ce, cE und ce) auch die kleinen Buchstaben für Antigene, die durch Testseren mit entsprechenden Antikörpern nachgewiesen werden können. Es gibt also neben dem Anti-C Serum auch ein Anti-c Serum etc. (Gleiches trifft auch für das Kell-System zu). Auf standardkonformen deutschen Blutspendeausweisen stehen daher die Rhesusfaktoren scheinbar doppelt als „ccddee“. Die Kombinationsmöglichkeit macht das Rh-Blutgruppensystem zu einem der komplexesten menschlichen Blutgruppensysteme.

Rhesussystem

Rhesus Genotypen
Genotyp Rhesustyp Rh(D) Test
ccddee rr Rh negativ
CcDdee R1r Rh positiv
CCDDee R1R1 Rh positiv
ccDdEe R2r Rh positiv
CcDDEe R1R2 Rh positiv
ccDDEE R2R2 Rh positiv

Nach der Entdeckung der Blutgruppen A und B haben Landsteiner und Wiener ihre Arbeiten fortgesetzt. In der ersten Benennung durch Wiener stand das „R“ für das zuständige Gen bei Rhesusaffen, und das angehängte „h“ für das zugehörige Antiserum. Mit einem Locus stand „Rh“ nun für den positiven Test und „rh“ für den negativen Test. Da noch weitere Blutgruppenmerkmale gefunden wurden, setzte sich diese Bezeichnung als Rh-Faktor nicht durch, der sich auf den heutigen Rhesusfaktor D (auch Rh1 oder RhD genannt) bezieht. Durch die weitläufige Verwendung in der Fachliteratur blieb der Beiname jedoch erhalten.

Fisher und Race erkannten den Zusammenhang der weiteren Blutgruppenmerkmale und führten in Fortschreibung der bekannten A und B des AB0-System die Bezeichnungen C, D und E des Rhesussystems ein. Dabei gingen der Statistiker Fisher und Immunbiologe Race von drei Loci im Genom aus mit jeweils binären Ausprägungen der Gene als C/c, D/d und E/e. Erst später erkannte man, dass die Merkmale für C und E auf dem gleichen Locus liegen, und folglich in vier Alleltypen vorliegt. Die beiden Gene des Rhesussystems liegen auf Chromosom 1 bei 1p36.2-p34 (GeneID 6007 „RHD“ und GeneID 6006 „RHCE“).

Spätere gentechnische Untersuchungen konnten die bisherigen Vermutungen weitgehend bestätigen, in dem die Blutgruppen des Rhesussystems eng miteinander verwandt sind. Die resultierenden Proteine des Rhesussystems sind weitgehend homolog, sodass lange angenommen wurde, dass sie durch alternatives Splicing einer gemeinsamen langen Gensequenz entstehen, in deren Folge manchmal 1, 2 oder auch 3 Varianten in einem Organismus entstehen. Carritt et al. zeigten dann 1997 die Möglichkeit auf, dass das RhCE durch Genverdoppelung aus RhD entstanden ist, insbesondere nachdem im Genom des Menschen erstmals ein fehlendes Rhesusprotein auftrat. (in manchen entfernten Populationen gibt es bis heute keine RhD-negative Blutgruppen). Im Gegensatz zur Vermutung von Carrit et al zeigten dann Willy A. Flegel und Wagner 2000, dass das RhCE das ursprüngliche Gen war, aus dem RhD verdoppelt wurde. Mehrere Teams zeigten 2000 außerdem, dass die Gene für RhCE und RhD eng beieinander und in entgegengesetzter Leserichtung liegen (die 3'-Enden liegen nebeneinander). So erklärt sich auch, dass eine ganze Reihe von selteneren Rhesusmerkmalen gefunden werden konnten, in denen im RhCE Protein scheinbar Exone des RhD Proteins ausgeprägt sind.

Da neben den häufigen Ausprägungen des Rh-D und Rh-CE Gens weitere Wildtypen existieren, findet sich in der Literatur auch eine numerische Notation für die Blutgruppenmerkmale des Rhesussystems. Dabei steht D = RH1, C = RH2, E = RH3, c=RH4, e = RH5, … Cw = RH8 … mit heute über 50 Varianten. Wie diese tatsächlich im Genom ausgeprägt werden ist bis heute nicht endgültig geklärt. Nichtmenschliche Modellorganismen wie die Maus sind dabei nicht vollständig zum Vergleich geeignet, da sie keine RhCE/RhD Doppelung tragen.

Der Rhesusfaktor kommt in seltenen Fällen nur in abgeschwächter Form vor (Du oder Dweak). Für die Bluttransfusion nehmen solche Patienten eine Mittelstellung zwischen Rh-positiv und rh-negativ ein. Wenn sie Blut erhalten sollen, wird ihnen rh-negatives Blut transfundiert. Wenn sie Blut spenden, gilt ihr Blut als Rh-positiv.

Die häufigsten Rhesusformeln

In Deutschland sind die häufigsten Rhesusformel:

RH positiv

Cc D.ee 35,0%
CC D.ee 18,5%
Cc D.Ee 13,0%
cc D.Ee 11,9%
cc D.EE 2,3%
cc D.ee 2,1%
Cc D.EE <1%

RH negativ

cc dd ee 15,1%
Ccdd ee 0,76%
cc dd Ee 0,92%

Blutgruppenkompatibilität

Bei der Bluttransfusion wird im Regelfall blutgruppengleich transfundiert, auch hinsichtlich der Merkmale im Rhesussystem. Wegen des Mangels insbesondere von rhesus-negativen Blutspenden lässt sich eine Übertragung anderer Blutgruppen jedoch oft nicht vermeiden. Aufgrund der Bedeutung in der Schwangerschaft ist dabei eine Transfusion von RhD-positiven Blutspenden an RhD-negative Mädchen und Rh-negative gebärfähige Frauen (mit Ausnahme von lebensbedrohlichen Situationen) unbedingt zu vermeiden. Generell muss bei allen Transfusionen von rhesus-positivem Blut an rhesus-negative Patienten eine serologische Nachuntersuchung erfolgen und bei Nachweis von Antikörpern der Patient über die Risiken beraten werden sowie diese Komplikation im Notfallpass vermerkt werden. Aufgrund dieser Problematik wird auch bei unklarem RhD-Test die Blutgruppe des Patienten rhesus-negativ ausgewiesen, die als grundsätzlich inkompatibel mit verfügbaren rhesus-positiven Spenden gilt. Ausnahmen von dieser Regel sind vom Arzt gesondert zu dokumentieren.[2] Die Umkehrung der Gabe von rhesus-negativem Blut an rhesus-positive Patienten ist unproblematisch; aufgrund der Verfügbarkeitssituation kommt dieses jedoch im Regelfall nicht vor.

Empfänger   Kompatible EK (Erythrozytenkonzentrate)
D-negativ D-negativ,
nur bei lebensbedrohlichen Situationen D-positiv
D-positiv D-positiv,
ggf. auch D-negativ (möglichst vermeiden, da D-negative EK rar sind)

[3]

Bericht über eine seltene Konversion

Nach Angaben aus der Zeitung Die Welt vom 24. Januar 2008[4], wurde in Sydney zum ersten Mal ein Fall einer Konversion, zu Rhesus positiv bei einem ursprünglich Rhesus negativen 15-jährigen Mädchen, dokumentiert. Sie hatte fünf Jahre vorher eine Spenderleber eines Rhesus positiven Spenders erhalten.

Einzelnachweise

  1. Biver, S. et al.: A role for Rhesus factor Rhcg in renal ammonium excretion an male fertility, Nature 456, S. 339-343, 2008
  2. Hämotherapie. Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten. Abschnitt 4.3.5 Transfusion von Erythrozytenkonzentraten, Bundesärztekammer, Paul-Ehrlich-Institut, Gesamtnovelle 2005, erschienen Bundesanzeiger 2005; 57(209a): 4–35.
  3. Erwin Strobel, Wolfgang Schramm: Blutgruppenkompatible Auswahl der Blutprodukte. In: Forum Hämotherapie, Bayrisches Ärzteblatt. 10/2003.
  4. http://www.welt.de/wissenschaft/article1589951/Blutgruppe_wechselt_nach_Lebertransplantation.html

Siehe auch

Weblinks


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