Risikokapital

Risikokapital

Risikokapital – auch Venture Capital oder Wagniskapital genannt – ist außerbörsliches Beteiligungskapital („private equity“), das eine Beteiligungsgesellschaft (Venture-Capital-Gesellschaft) zur Beteiligung an als besonders riskant geltenden Unternehmungen bereitstellt. Das Wagniskapital wird in Form von vollhaftendem Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Finanzierungsinstrumenten wie Mezzanine-Kapital oder Wandelanleihen ins Unternehmen eingebracht, oftmals durch auf dieses Geschäftsmodell spezialisierte Wagnisfinanzierungsgesellschaften, häufig „Venture-Capital-Gesellschaften“ (abgekürzt VCG) genannt.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Eine Risikokapitalbeteiligung zeichnet sich durch folgende Punkte aus:

  • Die Beteiligung erfolgt hauptsächlich in junge, nicht börsennotierte, technologieorientierte Unternehmen (engl. „Startups“).
  • Da solche Unternehmen für eine herkömmliche Kreditfinanzierung meist nicht genügend Sicherheiten aufbringen können, stehen vollhaftendes Eigenkapital sowie hybride Finanzierungsformen im Vordergrund. Üblich sind in Deutschland Minderheitsbeteiligungen in Höhe von 20-35%.[1]
  • Zwar werden die finanziellen Mittel prinzipiell zeitlich unbegrenzt zur Verfügung gestellt; das Ziel der Kapitalbeteiligung liegt aber nicht in Dividenden- oder Zinszahlungen sondern im Gewinn aus dem Verkauf der Beteiligung (Exit).
  • Die Beteiligung ist mit einem sehr hohen Risiko verbunden, das bis zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen kann. Gleichzeitig sind aber bei einem Erfolg sehr hohe Renditen möglich.
  • Es wird nicht nur Kapital sondern auch betriebswirtschaftliches Know-how zur Verfügung gestellt, um den i. d. R. unerfahrenen Unternehmensgründern zu helfen, bzw. um die Beteiligung erfolgreich zu gestalten. Daher wird in diesem Zusammenhang auch von intelligentem Kapital („smart capital“) gesprochen. Der Kapitalgeber kann aktiv in die unternehmerischen Tätigkeiten eingreifen (Managementunterstützung) und mit seinem Netzwerk etwa beim Aufbau von Geschäftsbeziehungen oder der Einstellung von Personal helfen.
  • Im Gegenzug erhält der Kapitalgeber häufig Informations-, Kontroll- und Mitspracherechte, die über die üblichen Rechte aus einer Beteiligung hinausgehen.

Finanzierungsphasen

Noch bevor Risikokapitalgesellschaften investieren, erhalten Unternehmensgründer Finanzmittel häufig von Freunden und Angehörigen („friends & family“), aus Förderprogrammen oder von sogenannten Business Angels (Anschubfinanzierung).

Je nach Phase im Lebenszyklus des finanzierten Unternehmens werden die folgenden Ausprägungen einer Risikokapitalbeteiligung unterschieden:

Seed Stage Capital

In der frühen Seed Finance Phase werden die finanziellen Mittel wie Startkapital in der Regel für Forschung und Entwicklung benötigt, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zur Marktreife zu führen. Diese Phase ist regelmäßig durch ein sehr hohes Risiko gekennzeichnet, da kein fertiges Produkt vorliegt und der mögliche kommerzielle Erfolg in diesem Stadium nur sehr schwer schätzbar ist. Der Kapitalgeber wird dementsprechend eine, im Vergleich zu den späteren Phasen, höhere Beteiligungsquote beanspruchen, d. h. der Einkauf in das Unternehmen erfolgt zu einem niedrigen Preis bei hohem Risiko.

Early Stage Capital

In der Early Stage Financing Phase des Unternehmens ist die Produktentwicklung weitgehend abgeschlossen und es wird Kapital für Tests (z. B. klinischen Studien in der Pharma- oder Biotechnologiebranche), Marketingaktivitäten sowie den Aufbau von Produktionskapazitäten benötigt, um die erfolgreiche Markteinführung zu gewährleisten. Das Risiko für den Kapitalgeber ist hier schon niedriger als beim „seed finance“, da die Funktionalität schon demonstrierbar ist. Der kommerzielle Erfolg ist jedoch auch in dieser Phase schwer schätzbar.

Later Stage Capital

In der Later Stage Financing Phase, welche auch als Expansion bzw. Growth Finance also Wachstumsphase bezeichnet wird, ist das junge Unternehmen mit dem entwickelten Produkt marktreif und erzielt Umsätze aus dem Verkauf von Produkten. Der kommerzielle Erfolg ist sichtbar und es wird weiteres Kapital für den Ausbau der Produktions- und Vertriebskapazitäten benötigt. Das Risiko für den Kapitalgeber ist in dieser Phase weitaus geringer als bei den vorhergehenden Phasen, so dass er sich relativ teuer einkauft.

Exit

Nach zwei bis sieben Jahren (je nach Strategie des Risikokapitals auch später) wird der Austritt (engl. „exit“ – auch Desinvestition) angestrebt; das heißt der Kapitalgeber zieht sich aus dem Unternehmen zurück. Er verkauft seine Anteile an der Börse, an andere Unternehmen, Risikokapitalgesellschaften oder bietet sie dem Unternehmenseigner zum Rückkauf an. Konkret sind folgende Exit-Strategien üblich:

  • Initial Public Offering (IPO): Normalerweise folgt hier die Börsennotierung des Unternehmens und die Anteile werden am Markt verkauft.
  • Trade Sale: Das Jungunternehmen wird von einem anderen Unternehmen, meist aus derselben Branche, übernommen.
  • Secondary Sale: Der Risikokapitalgeber veräußert seine Beteiligung an einen Dritten
  • Company Buy-Back: Der Unternehmer erwirbt die Anteile des Risikokapitalgebers zurück.
  • Liquidation: Dies spiegelt den schlimmsten Fall wider: Das Unternehmen muss liquidiert werden, falls es sich im Markt nicht behaupten kann.

Die angestrebten, durchschnittlich zu erzielenden Renditen liegen mit 15 bis 25 % jährlich überdurchschnittlich hoch – dafür trägt der Kapitalgeber jedoch auch die erhöhten Risiken des jungen Unternehmens mit. In einer wissenschaftlichen Untersuchung von europäischen Venture-Capital-Fonds konnte eine durchschnittliche Rendite (IRR) von 10% für den Investitionszeitraum 1980 bis 2003 ermittelt werden. Werden nur die Fonds, die im Jahr 1989 und später gegründet wurden, berücksichtigt, können in der Tat Renditen in Höhe von ca. 20 % erwirtschaftet werden. Allerdings sind diese Jahre durch Phasen von Überbewertungen von Eigenkapitaltiteln und Euphorie an den Wachstumsbörsen (z. B. dem Neuen Markt), insbesondere während der Dotcom-Blase, geprägt. Bei einer Investition in einen Risikokapitalfonds reduziert sich das Risiko bei einer durchschnittlichen Haltedauer von 7 Jahren.

Typische Anreizprobleme

Aus ökonomischer Sicht stellt Risikokapital eine Finanzierungsform dar, die in besonderem Maße mit Anreizproblemen zwischen Risikokapitalgesellschaft und Unternehmer befrachtet ist, da die Risikokapitalgesellschaft nicht genau beobachten kann, ob der Unternehmer das zur Verfügung gestellte Geld tatsächlich zur Erhöhung des Unternehmenswertes im Sinne der Investoren einsetzt. Um diese Anreizprobleme abzuschwächen, haben Risikokapitalgesellschaften verschiedene typische Vertragsstrukturen und Kontrollrechte etabliert:

  • Das Kapital wird in mehreren Tranchen zur Verfügung gestellt, wobei nur weiterfinanziert wird, sofern bestimmte Meilensteine erreicht wurden („staging“)
  • Wandelanleihen werden bevorzugt eingesetzt, um den Risikokapitalgesellschaften die Möglichkeit zur Partizipation an guten Unternehmensergebnissen zu geben und dennoch bei schlechtem Verlauf weiterhin eine laufende Verzinsung und ggf. Priorität im Konkursfall zu erhalten.
  • Risikokapitalgesellschaften besitzen umfangreiche Eingriffsrechte und können den Unternehmer bei schlechter Leistung sogar entlassen.

Geschichte

In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1975 die erste Venture Capital-Gesellschaft gegründet und 1988 gab es bereits 40 Gesellschaften. 1987 wurden 1,2 Milliarden DM an Venture Capital angesammelt und davon rund 540 Millionen DM vor allem in den Bereichen Hochtechnologie, Elektronik und Mikroelektronik investiert.

Im Dezember 1987 schlossen sich 12 Venture Capital-Gesellschaften in West-Berlin zum Deutschen Venture Capital Verband (DVCA) zusammen, die über rund 600 Millionen DM verfügten und davon 120 Millionen DM investierten. Hauptgeldgeber waren die Banken und die Industrieunternehmen. Im Dezember 1989 fusionierte der DVCA mit dem am 29. Januar 1988 ebenfalls in West-Berlin gegründeten Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK).

Siehe auch

Quellen

  1. Vgl. Weitnauer, Wolfgang (2001): Handbuch Venture Capital - Von der Innovation zum Börsengang, 2. überarbeitete Auflage, München, S. 271 sowie Hinkel, Knud (2001): Erfolgsfaktoren von Frühphasenfinanzierungen durch Wagniskapitalgesellschaften, Wiesbaden, S. 191 f.

Literatur

  • William D. Bygrave (Hrsg.): Das Financial-Times-Handbuch Risikokapital, Financial Times Prentice Hall: München, Amsterdam [u.a.] 2000, ISBN 3-8272-7012-X
  • Michael Dowling (Hrsg.): Gründungsmanagement: Vom erfolgreichen Unternehmensstart zu dauerhaftem Wachstum, Springer: Berlin [u.a.] 2002, ISBN 3-540-42182-3
  • Paul Gompers, Josh Lerner: The venture capital cycle, MIT Press: Cambridge, Mass. 2004, ISBN 0-262-07255-6
  • Christoph Kaserer, Christian Diller: European Private Equity Funds – A Cash Flow Based Performance Analysis, Research Paper of the European Private Equity and Venture Capital Association (EVCA) and CEFS Working Paper 2004 – No 1.
  • Tobias Kollmann, Andreas Kuckertz: E-Venture-Capital: Unternehmensfinanzierung in der Net Economy: Grundlagen und Fallstudien, Gabler: Wiesbaden 2003, ISBN 3-409-12410-1
  • Klaus Nathusius: Grundlagen der Gründungsfinanzierung: Instrumente, Prozesse, Beispiele. Gabler, Wiesbaden 2001, ISBN 3-409-11869-1
  • Jens Ortgiese: Value Added by Venture Capital Firms. Eul Verlag, 2007, ISBN 978-3899366211
  • Michael Schefczyk: Erfolgsstrategien deutscher Venture Capital-Gesellschaften, Schäffer-Poeschel: Stuttgart 2004, ISBN 3-7910-1993-7
  • Wolfgang Weitnauer: Handbuch Venture Capital: Von der Innovation zum Börsengang, 4. Aufl., Beck: München 2011, ISBN 978-3-406-60864-3
  • Isabell M. Welpe: Venture-Capital-Geber und ihre Portfoliounternehmen: Erfolgsfaktoren der Kooperation. In der Reihe GABLER EDITION WISSENSCHAFT: Entrepreneurship Reihe, DUV, ISBN 978-3824480791

Weblinks


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