Rohrinnensanierung

Rohrinnensanierung

Die Rohrinnensanierung ist ein vor 1987 entstandenes, alternatives Sanierungsverfahren für Trinkwasserleitungen. Die Rohre werden von innen gereinigt und mit einem Epoxidharz neu beschichtet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Verfahren wurde 1987 von dem Schweizer Ingenieur Werner Näf zum Patent angemeldet. Bis heute bieten weitere Unternehmen Abwandlungen des ursprünglichen Verfahrens auf dem Markt an. Die Verfahren unterscheiden sich im Wesentlichen bei der Durchführung der Reinigung der Rohrleitungen und in der Verwendung verschiedener Beschichtungsstoffe.

Verfahrensgrundlagen

Trinkwasserinstallationen insbesondere aus verzinktem Stahlrohr weisen nach längerem Gebrauch häufig erhebliche Ablagerungen aus Korrosionsprodukten auf der Innenseite auf. Es kann dadurch zu vermindertem Durchfluss und/oder Leckagen kommen. Üblicherweise werden solche stark geschädigten Rohrleitungen ausgetauscht, dies ist eine aufwendige, aber auch besonders dauerhafte Lösung. Mit diesen Verfahren soll aber die Installation konservativ behandelt werden. Dazu werden durch Strahl- oder Beizverfahren die Ablagerungen entfernt. Anschließend wird eine Auskleidung mit einem Epoxidharz vorgenommen, um die freigelegte Rohrinnenfläche gegen Korrosion zu schützen. Der Erfolg des Verfahrens hängt entscheidend von der korrekten Ausführung aller Detailschritte vor Ort ab, es handelt sich also keineswegs um ein einfach zu beherrschendes System. Besonders die vollständige Entfernung aller Ablagerungen ist für eine dauerhafte Instandsetzung unerlässlich. Wichtig für eine Kontrolle der Ausführung der Arbeiten ist eine umfangreiche Dokumentation aller Verfahrensschritte, eine nachträgliche zerstörungsfreie Prüfung ist nicht möglich.

Hygienische Voraussetzungen

Das Umweltbundesamt in Deutschland hat als Empfehlung die „Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von organischen Beschichtungen im Kontakt mit Trinkwasser“ [1] veröffentlicht. Derzeit erfüllt kein Beschichtungsmaterial die Anforderungen für den Anwendungsbereich A1 (Rohre mit einem kleineren Querschnitt als 80 mm). Damit ist zur Zeit kein Material als hygienisch unbedenklich auf der Liste der Beschichtungsleitlinie gelistet. Diese Listung ist jedoch entscheidend, um die hygienische Unbedenklichkeit zu garantieren. Eine Zulassung für das Verfahren ist damit aber nicht verbunden, diese kann das Umweltbundesamt auch gar nicht aussprechen.

Vom Einsatz von Epoxidharz zur Instandsetzung von vereinzelt noch existierenden Rohrleitungen aus Blei wird explizit abgeraten. Während nach der Instandsetzung von Stahl- oder Kupferrohren ein Versagen der Beschichtung leicht festgestellt werden kann (braunes Wasser bei Stahl) oder aber auch gar nicht zu Beeinträchtigungen führen muss (Kupfer), führt das Versagen der Beschichtung auf Blei zu extrem hohen Bleikonzentrationen im Trinkwasser, die nicht sensorisch bemerkt werden können, aber hochgiftig sind. Für bereits Instand gesetzte Installationen aus Blei ist daher eine Überwachung der Bleikonzentration im Stagnationswasser in kurzen Abständen (2-3 Monate!) zumindest in der Küche und am Waschtisch in den Bädern dringend geboten.

Rechtliche Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für den Einsatz derartiger Verfahren in Deutschland sind in § 17 TrinkwV 2001 (Trinkwasserverordnung) niedergelegt. Sie müssen den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Diese Anforderung wird mit der Neufassung der TrinkwV eindeutig gestellt.

Bisher umfasste das Regelwerk für diese Verfahren:

  • Die Beschichtungsleitlinie des Umweltbundesamts (Hygienische Eignung des Beschichtungsstoffs)[1]
  • Das DVGW Arbeitsblatt VP 548 (Nachweis der Gebrauchstauglichkeit des Verfahrens)
  • Das DVGW Arbeitsblatt W 545 (Nachweis der Eignung des Ausführenden Unternehmens)

Der DVGW hat im Juli 2011 beschlossen, die Arbeitsblätter zurückzuziehen. Begründet wird dies mit der immer noch nicht abgeschlossenen Diskussion um die Eignung des Verfahrens. Es wird angeregt, vor einer Neubearbeitung zunächst weitere Forschung über Anwendbarkeit und Lebensdauer zu betreiben. Dazu kommt, dass es bisher kein Beschichtungsmaterial gibt, das den Anforderungen der Leitlinie des Umweltbundesamts entspricht.

Nachweise für die geforderten Prüfungen liegen bisher nicht vor. Die Verfahren konnten daher bisher nie den Nachweis der Erfüllung der Allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht erbringen. Dieses wird aber in § 17 der Trinkwasserverordnung esxplizit gefordert, andere Nachweise der Gebrauchstauglichkeit existieren bisher ebenso wenig. Damit ist insbesondere die Frage der Haftung bei Fehlern bei der Ausführung sehr kritisch zu sehen, da der ausführende Betrieb den Nachweis der Erfüllung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zur Abwehr der Haftung naturgemäß nicht erbringen kann. Eine strafrechtliche Relevanz hat die Nichteinhaltung der Vorgaben der Trinkwasserverordnung in diesen Fällen aber nicht.

Bisher wurde von keinem Verfahren ein DVGW-Prüfzeichenantrag gestellt. Aufgrund der Zurückziehung sind Prüfzeichenanträge naturgemäß derzeit auch nicht möglich.

Haltbarkeit

Die Haltbarkeit der Sanierungsmethode ist von der Qualität des Verfahrens, des Beschichtungsmaterials und ganz wesentlich von der ordnungsgemäßen Ausführung der Arbeiten vor Ort abhängig. Verschiedene Untersuchungen in erwärmtem Trinkwasser zeigen jedoch, dass bereits nach 5 Jahren Betriebsdauer merkliche Ablösungen der eingebrachten Beschichtungen zu beobachten sind. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer solchen Sanierung sollte daher stets auch bedacht werden, dass mit dem Austausch der korrodierten Rohrleitungen durch geeignete Werkstoffe eine um ein mehrfaches höhere Nutzungsdauer erzielt wird.

Merkmale

Im Verhältnis zur herkömmlichen Sanierungsmethoden bleibt die Bewohnbarkeit der Räume erhalten. Böden und Wände müssen nicht geöffnet werden. Die Sanierungszeit und damit die Kosten verkürzen sich deutlich.

Wie beschrieben fehlen bisher die Nachweise für die Erfüllung der Anforderungen der Trinkwasserverordnung. Damit ist ein Einsatz für den Betreiber einer Trinkwasseranlage derzeit unzulässig.

Grundsätzlich kann durch eine derartige Sanierung ohnedies in keinem Fall eine mit einer klassischen Neuinstallation vergleichbare Lebensdauer erreicht werden. Unter diesem Aspekt ist stets auch die Wirtschaftlichkeit eines solchen Verfahrens kritisch zu prüfen.

Da es sich um ein Verfahren handelt, das unter nicht immer klaren Bedingungen vor Ort durchgeführt wird, gibt es beinahe zahllose Möglichkeiten, bei der Ausführung Fehler zu machen. Aus diesem Grunde haben sich Fachleute stets kritisch zu diesen Verfahren geäußert. Die Physik derartiger Schichten unter dauerhafter Belastung mit Wasser begrenzt die Lebensdauer auch bei optimaler Ausführung. Die Diffusion von Wasserdampf durch die organische Schicht führt zu einer Ansammlung des Wassers an der Grenzfläche Beschichtung/Rohrwandung. Insbesondere bei Rohrleitungen für erwärmtes Trinkwasser kann dies in wenigen Jahren eine vollständige Ablösung verursachen, Blasenbildung kann häufig schon nach relativ kurzen Betriebszeiten beobachtet werden.

Schwierigkeiten bei der Ausführung können zuerst bei der Reinigung der alten Rohrleitungen auftreten. Fehler, die hier gemacht werde, verhindern eine erfolgreiche Ausführung in jedem Fall. Daneben gibt es bei den üblicherweise nicht oder unzureichend dokumentierten Anlagen immer wieder Schwierigkeiten bei der Bemessung der notwendigen Menge des Beschichtungsmittels. Zu geringe Mengen führen zu Fehlstellen oder zu dünnen Schichten, zu große zu zu dicken Schichten, im Extremfall zu einem Verschluss der Rohrleitung.

Besonders ungünstig ist es, dass bei einem fehlgeschlagenen Versuch der Instandsetzung nur noch der klassische Weg der vollständigen Neuinstallation bleibt.

Die weiter oben beschriebene rechtliche Problematik lässt sich grundsätzlich leicht lösen: Die allgemein anerkannten Regeln der Technik für diese Verfahren liegen vor. Für den Nachweis der Erfüllung der Anforderungen ist erforderlich:

  • Das verwendete Epoxidharz muss den Anforderungen der Leitlinie des Umweltbundesamts[1] entsprechen.
  • Das Verfahren muss die Anforderungen aus dem DVGW Arbeitsblatt VP 548 erfüllen.
  • Jedes ausführende Unternehmen muss eine Unternehmenszertifizierung nach DVGW W 545 nachweisen und aufrechterhalten.

Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass ein hygienisch unbedenkliches Produkt in geeigneter Weise von einem befähigten Unternehmen angewendet wird. Nur so kann ein dauerhafter Erfolg der Instandsetzung in den genannten Grenzen des Verfahrens erzielt werden. Die gegenüber einer klassischen Erneuerung deutlich verringerte Lebenserwartung kann aber auch so nicht verändert werden.

Weiterentwicklungen

Ein Anbieter hat das Verfahren für die Sanierung von Fußbodenheizungen weiterentwickelt. Hier stellt sich aber die Frage nach dem Sinn einer derartigen Anwendung. Die Einbringung des Harzes in etwa 100 m lange Rohrabschnitte mit geringem Durchmesser erscheint technisch nicht beherrschbar. Die zu erwartenden Beeinträchtigungen der Hydraulik würden zu massiven Störungen der Heizwirkung führen. Daneben erscheint auch die Begründung für diese Anwendung fragwürdig: Eine Versprödung der Kunststoffrohre ist bei unbeweglich im Estrich eingebetteten Rohrleitungen unkritisch. Ganz im Gegensatz dazu führt die Öffnung der Verschraubungen am Verteiler bei spröden oder verhärteten Rohren möglicherweise zu dauerhafter Undichtigkeit.

Einzelnachweise

  1. a b c Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von organischen Beschichtungen im Kontakt mit Trinkwasser. 16. Mai 2007. (PDF; 0,1 MB)

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