- Rot ist mein Name
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Rot ist mein Name (türkische Originalausgabe: Benim Adım Kırmızı; Istanbul 1998) ist ein Roman von Orhan Pamuk. Die deutsche Übersetzung erschien 2001 bei Hanser.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Der Roman spielt im osmanischen Istanbul im Jahre 1591, dem Jahr 1000 nach der Hedschra. Der Miniaturmaler Fein Efendi, einer der vier Meister in der Buchmalerwerkstatt der Stadt, wird tot am Grund eines trockenen Brunnens aufgefunden. Fein arbeitete mit seinen drei Kollegen Velican („Olive“), Hasan Celibi („Schmetterling“) und Musavvir Mustafa („Storch“) an einer Buchillustration für den Sultan. Dieses Buchprojekt ist äußerst umstritten, da es die „fränkischen“, also westlichen, Methoden der Perspektive und Schattenzeichnung übernimmt. Es gilt als lästerlich, von der traditionellen Malerei abzuweichen und die Buchmaler fürchten die Angriffe des Predigers Hodscha Efendi und seiner Gefolgsleute.
Währenddessen kehrt Kara Efendi, ein junger Soldat und Weltenbummler, nach Istanbul zurück. Er liebt immer noch seine Jugendliebe Şeküre, die verwitwet mit ihren zwei Kindern und der Sklavin Hayriye im Haus ihres Vaters, dem Oheim Efendi, lebt. Vom Oheim, der die Organisation der Buchillustration übernommen hat, nimmt Kara den Auftrag zur Mitarbeit am Buch für den Sultan an, um Şeküre nahe zu sein. Heimlich tauschen sie Botschaften durch die Jüdin Ester aus und treffen sich schließlich in einer verlassenen Villa. Während dieses Treffens wird der Oheim erschlagen und die letzte Seite des Buches geraubt. Um kein Aufsehen zu erregen und um ihre noch bestehende Ehe mit ihrem seit Jahren im Krieg verschollenen Mann zu annullieren, vertuscht Şeküre den Tod ihres Vaters für einige Tage. Erst als alle Formalitäten erledigt sind, heiraten Kara und Şeküre und geben schließlich den Todesfall bekannt.
Der Sultan ist verärgert über die Probleme, die die Fertigstellung seines Buches behindern und lässt die Wohnungen der Buchmalermeister durchsuchen. Als die Buchseite nicht entdeckt wird, gibt er Kara und dem Malergroßmeister Osman Efendi drei Tage Zeit, um den Mörder zu finden und den Fall zu lösen, andernfalls droht den Meisterillustratoren die Folter.
Sie beginnen Untersuchungen und dürfen sogar in die Schatzkammer des Sultanspalasts, um nach Indizien zu suchen, jedoch ist der alte Meister nicht sonderlich an der Lösung des Falls interessiert. Er ist immer noch verärgert, dass der Sultan den Oheim das Buch nach westlicher Methode anfertigen ließ und bringt dies auch offen zum Ausdruck, stellt schließlich aber doch Vermutungen über die Täter an. In der Schatzkammer findet der Meister die Nadel, mit der sich der Großmeister Behzād das Augenlicht nahm, und sticht sich selber damit, um zu erblinden.
Als Kara am nächsten Tag nach Hause zurückkehrt, stellt er fest, dass Şeküre das Haus verlassen hat und zu ihrem ehemaligen Schwiegervater gegangen ist. Mit ein paar Männern stürmt er das Haus des Schwiegervaters und nimmt Şeküre wieder mit. Auf dem Heimweg werden sie Zeuge, wie fanatische Anhänger eines Predigers ein Kaffeehaus demolieren. Unter den Gästen sieht Kara den Maler Schmetterling und folgt ihm. Er durchsucht das Haus von Schmetterling. Als dies ohne Erfolg bleibt, gehen beide zu Storch. Als sie auch bei ihm nicht fündig werden, suchen sie Olive im Derwischkonvent auf. Auch seine Unschuld scheint sich zu bestätigen. Erst als Kara und die Illustratoren Olive niederringen und in einem Gerangel seine Augen ausstechen, gibt sich Olive als Dieb der letzten Buchseite und als zweifacher Mörder zu erkennen.
Olive rechtfertigt sich: Mit dem Mord an Fein Efendi wollte er verhindern, dass dieser zum Hassprediger Hodscha geht und so die Buchillustratoren in Gefahr bringt. Als Olive dem Oheim seine Tat gebeichtet hatte, tötete er den alten Mann wegen „seiner Überheblichkeit“. Aus Rache fällt er Kara mit einem Messer an und kann fliehen. Er gibt sich dem Traum einer erfolgreichen Zukunft in Indien hin und macht sich auf den Weg zum Hafen, wo ein Boot auf ihn wartet. Doch bevor er das Land verlässt, will er zum letzten Mal die Buchmalerwerkstatt sehen. Dort lauert ihm der eifersüchtigen Schwager Şeküres auf und erkennt seinen eigen Dolch wieder. Mit einem Schwerthieb köpft er Olive vor der Werkstatt.
Kara kehrt verwundet nach Hause zurück und wird von Şeküre gepflegt. Er erholt sich und arbeitet bis zu seinem Tod als Beamter des Sultans. Ein neuer Sultan kommt an die Macht und die Buchmalerwerkstätte verliert an Bedeutung. Die Buchmaler verlassen die Stadt und eine Ära der Istanbuler Buchillustration geht zu Ende.
Aufbau und Technik
Pamuk verwendet im Roman keine einheitliche Erzählperspektive. In neunundfünfzig kleinen Kapiteln erzählen sowohl die beiden Hauptakteure als auch Nebencharaktere und sogar Gegenstände im Wechsel die ausgefeilte Geschichte. Einundzwanzig Erzähler berichten in der Ich-Perspektive über das Geschehen, sodass die personale Erzählperspektive praktisch aufgelöst wird. Das Mordopfer kommt am Anfang der Geschichte ebenso zu Wort wie sein (noch unbekannter) Täter. Selbst die Farbe Rot, Satan und der Tod haben eigene Kapitel. Dieser Erzähltechnik fügt er eine, im Vergleich trivial anmutende, Liebes- und Kriminalgeschichte hinzu. Zudem lässt er den Leser in das mittelalterliche Istanbul eintauchen. In der Art eines Künstlerromans schreibt er detailliert über die Atmosphäre der Werkstätten, die Wirkung der Bilder und die Geschichte der osmanischen Buchillustration. Die Buchillustration bleibt der Schwerpunkt, aber dennoch zeigt Pamuk, fast nebenbei erzählt, die osmanische Gesellschaft und deren Alltag. Ausführlich wird vom Familienleben, vom Kriegsgeschehen oder von der Residenz des Sultans berichtet. Des Weiteren fügen sich Fabeln und Allegorien ein, die meist aus der Welt der Buchillustration stammen. Häufig handeln die Fabeln von Behzat, dem großen Vorbild der Buchmaler. Abschließend kann man also sagen, dass „Rot ist mein Name“ in einer gewissen Collage-Technik geschrieben ist. Dadurch gewinnt der Roman an Leichtigkeit und Pamuk verhindert, dass sich das komplexe Schema des Buches in den zahlreichen Handlungen und Perspektiven verliert.
Interpretationsansätze
Der Roman spielt zwar im 16.Jahrhundert, hat aber klare Bezüge auf die Moderne bzw. das aktuelle Zeitgeschehen in der Türkei. Mit dem Konflikt der Malerschule, die sich zwischen der traditionellen und modernen Malweise entwickelt, wird ein Abbild der modernen türkischen Gesellschaft gezeichnet. Es ist ein Glaubenskonflikt zwischen östlichen Grundsätze und der westlichen „Modernität“. Dass es den osmanischen Malern in der Geschichte nicht gelingt, den importierten westlichen Stil und die traditionelle Malweise überzeugend zu vereinen, spricht für sich. Dennoch, so steht es geschrieben, lässt sich der Einfluss der westlichen Malweise nicht aufhalten. [1]
Rezensionen
Der Roman bekam ein sehr positives Echo in der Kritik. Hans-Peter Kunisch (Die Zeit) lobt die „elegante“ und „postmoderne Erzählhaltung“ sowie seine „Offenheit für Politik“. Osterkamp von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spricht von einem „Meisterwerk des polyperspektivischen Erzählens“ und lobt die gute Arbeit des Übersetzers. Christoph Bartmann (Süddeutsche Zeitung) sagt, dass der Türkei mit diesem Roman die „Aufnahme in den Kosmos des europäischen Romans“ gelungen sei. Dem „Wortmaler Orhan Pamuk“, so schreibt er weiter, sei ein Porträt von einem Land gelungen, das „mit einem Bein im Okzident und mit dem anderen im Orient“ steht. [2]
Einzelnachweise
Kategorien:- Literarisches Werk
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- Roman, Epik
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