Rückschaufehler

Rückschaufehler

Der Rückschaufehler (englisch hindsight bias) beschreibt in der Psychologie das Phänomen, dass Menschen sich, nachdem sie den Ausgang von Ereignissen erfahren, systematisch falsch an ihre früheren Vorhersagen erinnern. Sie verzerren ihre ursprünglichen Schätzungen in Richtung der tatsächlichen Ausgänge.

Dieses Phänomen wurde erstmals 1975 von Baruch Fischhoff an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh untersucht.

Inhaltsverzeichnis

Untersuchungsdesigns

Man unterscheidet zwei Forschungsdesigns, das „Gedächtnisdesign“ und das „hypothetische Design“.

Das intraindividuelle „Gedächtnisdesign“

Eine Person soll vor einer Wahl eine Prognose für die Wahrscheinlichkeit des Wahlsieges der Partei X abgeben; sie nennt zum Beispiel 30 Prozent. Nach der Wahl wird die Person aufgeklärt, dass die Partei tatsächlich 50% der Stimmen erhalten hat. Nun bittet man die Person sich zurückzuerinnern, wie Ihre erste Schätzung war. Tatsächlich war die erste Schätzung 30%, die Person ist jedoch davon überzeugt, dass sie auf 40% getippt hatte. Die Differenz zu ihrer ursprünglichen Prognose bezeichnet man als Rückschaufehler.

Das interindividuelle „Hypothetische Design“

Vor einer Wahl bittet man eine Personengruppe um eine Prognose. Nach der Wahl wird eine zweite Personengruppe gefragt, welchen Wahlausgang sie prognostiziert hatten. Die Differenz zwischen beiden Ergebnissen spiegelt in der Regel einen Rückschaufehler wider.

Rückschaufehler in politischen Wahlen

In der Studie „Hindsight bias in political elections“ von Blank, H., Fischer, V. & Erdfelder, E. (2003) konnte erstmals ein robuster Rückschaufehler-Effekt gefunden werden. Die Autoren verwendeten ein Gedächtnisdesign. Bei bisherigen Studien war der Zeitabstand zwischen der Vorhersage des Wahlausgangs und der Erinnerung an die Vorhersage immer sehr gering, was keine signifikanten Ergebnisse ergab. In dieser Studie wurde erstmals ein längerer Zeitabstand von vier Monaten gewählt.

Entstehungsmechanismen des Rückschaufehlers

Man geht davon aus, dass es drei mehr oder weniger unabhängige Komponenten gibt, die für den Rückschaufehler verantwortlich sind. Diese sind

  1. ein schlechtes Erinnerungsvermögen,
  2. der Glaube „es schon immer gewusst zu haben“
  3. und die Annahme, „dass es so kommen musste“ (Bergsons „Illusionen des retrospektiven Determinismus“).

Bisher konnten der Anteil, den die einzelnen Komponenten spielen, nicht durch Studien abgeschätzt werden.

Literatur

  • Blank, H., Fischer, V., & Erdfelder, E. (2003). Hindsight bias in political elections. Memory, 11(4-5), 491-504.
  • Blank, H., Musch, J., & Pohl, R. F. (Hrsg.). (2007). The hindsight bias [Sonderheft]. Social Cognition, 25(1).
  • Bradfield, A. & Wells, G. L. (2005). Not the same old hindsight bias: Outcome information distorts a broad range of retrospective judgments. Memory & Cognition 33, 120–130
  • Fischhoff, B. (1975). Hindsight ≠ foresight: Effect of outcome knowledge on judgment under uncertainty. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 1(3), 288-299.
  • Fischhoff, B. & Beyth, R. (1975). "I knew it would happen": Remembered probabilities of once-future things. Organizational Behavior and Human Performance, 13, 1-16
  • Hoffrage, U. & Pohl, R. F. (Hrsg.). (2003). Hindsight bias [Sonderheft]. Memory, 11(4-5).
  • Pohl, R. F. (2004). Hindsight bias. In R. F. Pohl (Hrsg.), Cognitive illusions: A handbook on fallacies and biases in thinking, judgement and memory (S. 363-378). Hove, UK: Psychology Press.

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