Sachkundeunterricht

Sachkundeunterricht

Sachunterricht, umgangssprachlich auch Sachkunde bzw. Sachkundeunterricht ist die am weitesten verbreitete Fachbezeichnung für den sachbezogenen Unterricht in der Primarstufe.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung und Ziele

Sachunterricht ist aus den Realien des 18. Jahrhunderts, der Anschauungspädagogik des 19. Jahrhunderts und der Heimatkunde des 20. Jahrhunderts hervorgegangen. Der Sachunterricht wurde erstmals bei Friedrich Wilhelm Dörpfeld im 19. Jahrhundert unter diesem Begriff beschrieben.

In vielen Staaten wird dieses Fach als Vorform der Sekundarstufenfächer (Geographie, Geschichte, Biologie, Sozialkunde, Wirtschaftslehre, Physik, Chemie, Technik, und so weiter) betrachtet.

Die Ziele des Sachunterrichts sind umfassend und anspruchsvoll. Im Kern geht es darum, dem Schüler/der Schülerin bei dem Aufbau eines Bildes von der Welt zu helfen, methodisch gezielt die Welt zu erkunden und ihn in der Welt zu orientieren. In zweiter Linie geht es auch darum, die Lernenden vorzubereiten auf den weiterführenden, in späteren Schuljahren gefächerten Unterricht. Dies heißt allerdings nicht, dass der Sachunterricht bereits nach fachlichen Kategorien und Prinzipien erfolgt.

Sachunterricht in einzelnen Ländern

Sachunterricht gibt es in manchen Ländern noch als einzelfachliche Addition wie Geographie oder Biologie für die Primarstufe. Viele Länder bieten ein integratives Fach an:

  • In der Schweiz finden sich verschiedene Fachbezeichnungen, wie Natur-Mensch-Mitwelt
  • Litauen: Wahrnehmung und Verstehen der Welt
  • Tschechischen Republik: Grundlegendes Sachlernen
  • Schottland, Ungarn sowie Portugal: Umweltstudien
  • Slowenien: Kennenlernen der Umwelt
  • In Japan wird dieses Fach unter der Bezeichnung Seikatsuku („Lebenskunde“) für das erste und zweite Schuljahr geführt, während es im 3. und 4. Schuljahr in den Projektunterricht integriert wird.
  • In Australien wird dieses Fach Studies of society and environment, verkürzt SOSE bezeichnet.

Andere Länder gliedern den Sachunterricht nach Lernbereichen auf:

  • So gibt es in England für die Primarstufe Science, Design and Technology und Geography.
  • In der Niederlanden hat sich die Bezeichnung Soziale Weltorientierung von 1984 in Welt- und Umweltkunde verschoben, dafür gibt es ein Fach Orientierung auf das Selbst und die Welt

Deutschland

Sachunterricht ist in Deutschland die am weitesten verbreitete Fachbezeichnung für den sachbezogenen Unterricht in Grund- und Förderschulen. Neben Sachunterricht gibt es auch Bezeichnungen wie Heimat- und Sachunterricht (HUS) (Schleswig-Holstein/Bayern) oder Mensch, Natur und Kultur (MeNuK) (Baden-Württemberg).

Der Ausdruck „Sachkunde“ bezeichnet im engeren Sinne auch die in den 1960er-Jahren in Deutschland entwickelten Vorläuferkonzepte des Sachunterrichts in Schulen im Übergang von der Heimatkunde hin zum Sachunterricht. In einigen Bundesländern (Berlin) wie auch umgangssprachlich wird diese Fachbezeichnung auch für den heutigen Sachunterricht in Schulen verwendet. Im engeren Sinne gilt diese Bezeichnung allerdings nur für die Epoche des Übergangs von der Heimatkunde zum Sachunterricht in den 1960er Jahren. Damals wurden mehr sachorientierte und fachlich über die Geographie hinausweisende Konzepte und praxisnahe Anweisungen für den Unterricht vertreten. Als Vertreter der Sachkunde können Walter Jeziorsky, Ilse Lichtenstein-Rother und Rudolf Karnick bezeichnet werden. Alle trugen mehr oder weniger zur Überwindung ideologischer Überfrachtung in der Heimatkunde bei und erweiterten insbesondere das Themenspektrum. Für Jeziorsky kam anstelle der primären geographischen Orientierung der alten Heimatkunde die Inhalte Lebenskunde, Handwerkskunde, Technologie, Geschichte, Kartographie, Arbeitskunde, Warenkunde, Verkehrskunde, Landschaftskunde, Naturlehre, Wetterkunde, Städtische Einrichtungen, Völker- und Menschenkunde hinzu. Besonders Ilse Lichtenstein-Rother sorgte in den 1950er und 1960er Jahren für eine erste Verwendung des Begriffes Sachunterricht in den niedersächsischen Richtlinien und einzelnen Publikationen, während ihre Konzepte für den praktischen Unterricht eher der Sachkunde zuzuordnen sind. Ilse Lichtenstein-Rother schlug vor allem berufskundliche Themen vor, wie Schuster, Gärtner, Hausbauhandwerker, Bäcker, Bauer.

Trotz aller Fortschritte wurde bei der Umsetzung der Konzepte zur Sachkunde eine Neuauflage der alten Verbal- und Auswendiglernschule betrieben. „Kunde“ wird so als „Lehre von Bezeichnungen“ und weniger als Verstehensorientierung verstanden. Auch in Deutschland wird der Ansatz der Vorbereitung auf die Sachfächer aber aktuell stärker vertreten.

Konzeptdiskussion

Sachunterricht wird in Deutschland gegenwärtig in verschiedenen Konzeptvarianten diskutiert. Besonderes Ansehen genießen die Konzepte Erfahrungsorientierung bzw. Entdeckendes Lernen, Handlungsorientierung, Projektorientierung, Problemorientierung, Lebensweltorientierung, Kindorientierung und Wissenschaftsorientierung (insbesondere entdeckendes Lernen). Diese Konzepte können als miteinander verschränkt betrachtet werden. Neuere Entwicklungen betonen auch philosophische und ästhetische Zugangsweisen. Insgesamt ist die Sachunterrichtsdidaktik noch sehr heterogen. Sie reicht von einzelfachlichen Ansätzen, deren Inhalte nur auf das Grundschulalter reduziert werden, bis hin zu integrierten Konzepten, bei denen ein inklusiver Sachunterricht (Seitz) angestrebt wird. Konzeptionell wird gegenwärtig diskutiert, den Sachunterricht als Welterkundung oder Weltorientierung zu begreifen, um ein zu enges gegenständlich orientiertes Verständnis zu vermeiden. Die Öffnung des Sachunterrichts kann allerdings auch zu dessen Konturlosigkeit und Bedeutungsverlust führen. Die Entwicklung des Faches verläuft aber vor allem auf der Ebene von Methodeninnovation. Insbesondere das Stationenlernen sowie die Freie Arbeit an selbst gewählten Themen haben stark Eingang in die Praxis gefunden. Viele Schulen beginnen damit, eine Lernwerkstatt einzurichten, um für differenziertes Lernen vielfältiges Material anzubieten.

Inhaltsbereiche

Die Inhalte des Sachunterrichts werden von Bundesland zu Bundesland in den bisherigen Richtlinien und Lehrplänen unterschiedlich definiert. In Hessen sind sie auch in interdisziplinäre Felder eingebunden. In anderen Ländern werden enger geschnittene Inhaltsbereiche benannt. Die Inhalte des Sachunterrichts sind durch den "Perspektivrahmen Sachunterricht" der GDSU im Jahr 2002 klarer definiert worden. Fünf fachliche Perspektiven (sozial- und kulturwissenschaftliche, raumwissenschaftliche, historische, naturwissenschaftliche und technische Inhalte) bilden den Rahmen der Inhalte des Sachunterrichts. Fächerübergreifende Inhalte und fachfremde Inhalte sind somit nicht mehr automatisch Inhalte des Sachunterrichts. Fächerübergreifende Inhalte sind Aufgabe aller Grundschulfächer und können nicht die spezifischen Aufgaben des Sachunterrichts ersetzen. Andere Konzepte gehen von den epochaltypischen Schlüsselproblemen aus, wie sie von Wolfgang Klafki formuliert wurden, und setzen in diesen Rahmen der Probleme als Querdimensionen die kindlichen Erfahrungsbereiche und die aufzubauenden Kompetenzen.

Literatur

  • Beck, Gertrud; Rauterberg, Marcus: Sachunterricht - Eine Einführung. Berlin 2005.
  • Kahlert, Joachim: Der Sachunterricht und seine Didaktik, 2.Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2005
  • Richter, Dagmar: Sachunterricht - Ziele und Inhalte. Ein Lehr- und Studienbuch zur Didaktik". 2. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider 2005
  • Bernd Feige: Der Sachunterricht und seine Konzeptionen. Klinkhardt 2004.
  • Astrid Kaiser: Neue Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts. Baltmannsweiler 2006 (Einführungsbuch)
  • Astrid Kaiser, Detlef Pech (Hrsg.): Basiswissen Sachunterricht. Band 1-6, Baltmannsweiler 2004.
  • GDSU: Perspektivrahmen Sachunterricht. Klinkhardt: Bad Heilbrunn 2002.
  • Beate Blaseio: Entwicklungstendenzen der Inhalte des Sachunterrichts. Klinkhardt: Bad Heilbrunn 2004.
  • Simone Seitz: Zeit für inklusiven Sachunterricht. Baltmannsweiler 2005.
  • Marcus Rauterberg: Bibliographie Sachunterricht: Eine kommentierte Auswahl 1976 - 2003. Baltmannsweiler, Schneider 2005, ISBN 978-3896769886

Weblinks

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