Sagnac-Effekt

Sagnac-Effekt

Ein Sagnac-Interferometer ist ein Interferometer, das es ermöglicht, Rotationen absolut zu messen.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Nach der speziellen Relativitätstheorie können translatorische Geschwindigkeiten nur relativ zu einem anderen Bezugssystem gemessen werden. Bei Drehbewegungen ist dies jedoch anders. Rotationen gegenüber einem Inertialsystem können absolut gemessen werden.

Die älteste Methode zur absoluten Rotationsmessung ist das Foucault'sche Pendel, mit dem es erstmals gelang, die Rotation der Erde ohne Himmelsbeobachtungen zu messen und damit das heliozentrische Weltbild des Kopernikus zu bestätigen. Auch Kreiselkompasse und Laserkreisel funktionieren nach diesem Prinzip.

Der Sagnac-Effekt

Ein weiterer Effekt wurde 1913 von Georges Sagnac (1869–1926) entdeckt. Er beobachtete, dass zwischen kohärentem Licht, das im Uhrzeigersinn, und Licht, das im Gegenuhrzeigersinn über Spiegel auf derselben Strecke im Kreis gelenkt wird, eine Phasenverschiebung auftritt, solange man die gesamte Apparatur dreht. Er deutete diese Beobachtung als Nachweis der Existenz des Lichtäthers. Sie lässt sich jedoch auch im Rahmen der Relativitätstheorie erklären, wie weiter unten gezeigt wird.

Der Aufbau

Originalskizze von Georges Sagnac

Ein kohärentes Lichtbündel einer Quecksilberdampflampe O wird mit einem Strahlteiler j in zwei Teilstrahlen R und T aufgeteilt. Diese werden mit Hilfe von Spiegeln M1 bis M4 in entgegengesetzter Richtung im Kreis geführt und treffen an dem Strahlteiler wieder aufeinander. Das Interferenzmuster wird auf einem Schirm c beobachtet. Befindet sich die Anordnung in Ruhe, sind die Wege beider Strahlen gleich lang und in der Mitte des Schirms sieht man destruktive Interferenz, denn bei der Reflexion entsteht jeweils eine Phasenverschiebung von 90°, was bei dem im Bild gegen den Uhrzeigersinn laufendem Strahl eine Phasenverschiebung von 180° gegenüber dem im Uhrzeigersinn laufenden Strahl ergibt. Wird nun aber der ganze Aufbau um eine Achse senkrecht zur Strahlebene gedreht, ist der optische Weg für beide Teilstrahlen nicht mehr gleich lang, da sich in der Zeit, die das Licht für einen Umlauf benötigt, der Strahlteiler bereits ein Stück weiter gedreht hat. Dadurch sieht man eine Verschiebung der Interferenzstreifen.

Verblüffend an diesem Versuch ist vor allem, dass alle Teile des Systems - Lichtquelle, Zwischenapparat und Messgerät (Beobachter) - mitbewegt werden, man aber trotzdem einen Einfluss der Rotation beobachtet.[1]

Theorie

In jedem Inertialsystem breitet sich Licht mit konstanter Geschwindigkeit c aus. Im Folgenden ist das Inertialsystem das Bezugssystem, und das Interferometer dreht sich. Licht läuft auf einer beliebig geformten geschlossenen Bahn der Länge l um. Es wird entsprechend durch Spiegel abgelenkt. Die Zeit, die das Licht benötigt, um die Strecke dl zurückzulegen, beträgt

dt = \frac{\mathrm d l}{c}

Während dieser Zeit dreht sich die Apparatur um den Winkel \Omega \cdot \mathrm dt. Das Licht muss also unter der Annahme \Omega \cdot r \ll c in Tangentialrichtung ein um

\mathrm dx = \Omega \cdot r \cdot \mathrm dt = \frac{\Omega \cdot r}{c} \mathrm dl

längeres bzw. kürzeres Wegstück zurücklegen. (r ist nicht der Abstand zwischen der Drehachse und dem Streckenstück dl, sondern der Abstand zwischen der Drehachse und der an dl anliegenden Tangente. \Omega \cdot r ist daher die in Tangentialrichtung zeigende Komponente der Rotationsgeschwindigkeit.) Für den kompletten Umlauf ergibt sich also

x = \oint{ \mathrm dx} = \oint{\frac{\Omega \cdot r}{c} \mathrm dl} = \frac{\Omega}{c} \oint{r\, \mathrm dl}
= \frac{\Omega}{c} \cdot 2 A,

wobei A die vom Strahlengang eingeschlossene Fläche ist. Die Differenz der Strecken, die die beiden umlaufenden Lichtwellen zurücklegen müssen, beträgt 2x. Die relative Streifenverschiebung ist damit

\Delta = \frac{2 x}{\lambda} = \frac{4 A \Omega}{\lambda c}.

Auf diese Art und Weise lassen sich allerdings mit realistischen Werten nur relativ schnelle Rotationen messen. Bei einer Fläche A = 1 (in der Skizze mit S bezeichnet) und einer Wellenlänge λ = 633 nm benötigt man eine Winkelgeschwindigkeit Ω von 227 Umdrehungen pro Minute, um von maximalem Signal zu Auslöschung (Δ = 1/2) zu wechseln.

Michelson-Gale-Versuch

1925 gelang es Albert Abraham Michelson und Henry G. Gale mit einem Interferometer von 613 m Länge und 339 m Breite nach diesem Prinzip die Rotation der Erde mit einer relativen Genauigkeit von 2% zu messen. Die relative Streifenverschiebung betrug 0,23. Um scharfe Interferenzstreifen zu erhalten, war der komplette Lichtweg auf 17 mbar evakuiert. Für ausreichend Licht sorgte ein Kohle-Lichtbogen. Das Besondere beim Michelson-Gale-Experiment[2] ist, dass es - anders als beim rotierenden Sagnac-Interferometer - keine Relativbewegung zum Bezugssystem der Erde gibt.

Michelson und Gale erkannten bereits selbst korrekt, dass ihr Experiment keine Aussage über die Existenz des Äthers macht. Es lässt sich sowohl mit der Relativitätstheorie als auch mit einem ruhenden Äther erklären. Das Michelson-Gale-Experiment ist aber insofern von großer Bedeutung, als es allen Versuchen, das negative Ergebnis des Michelson-Morley-Experiments durch eine Mitführung des Äthers zu erklären, den Boden entzieht. Es erscheint nämlich widersinnig, dass bei Translation (Michelson-Morley-Versuch) volle Mitführung des Äthers durch die Erde stattfindet, bei Rotation (Michelson-Gale-Versuch) hingegen der Äther relativ zu den Fixsternen ruht.[3]

Referenzen

  1. Siehe G. Joos, Lehrbuch der theoretischen Physik, 12. Auflage 1959, Seite 448
  2. Michelson-Gale-Pearson-experiment - siehe auch die Abhandlung von Michelson und Gale unter Literatur
  3. Siehe G. Joos, Lehrbuch der theoretischen Physik, 12. Auflage 1959, Seite 450

Literatur

Siehe auch: Faserkreisel, Ringlaser


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