Sagnac-Interferometer

Sagnac-Interferometer

Ein Sagnac-Interferometer ist ein Interferometer, das es ermöglicht, Rotationen absolut zu messen. Das heißt, ein Beobachter ist in der Lage, anhand dieser Anordnung zu bestimmen, ob er sich in Rotation befindet oder nicht.

Das steht jedoch keineswegs im Widerspruch zum Relativitätsprinzip. Dieses besagt nur die Unmöglichkeit der Bestimmung der gleichförmig translatorischen Eigenbewegung des Beobachters, sofern die dazu benutzte Experimentalanordnung als Ganzes im selben Inertialsystem ruht wie der Beobachter. Die bekannteste Bestätigung dieser Auffassung ist das Michelson-Morley-Experiment, mit der die gleichförmig translatorische Eigenbewegung der Erde „absolut“ gemessen werden sollte, das jedoch ein negatives Resultat erbrachte. Gleichförmig translatorische Bewegung ist also relativ. Bei Drehbewegungen ist dies jedoch anders. Rotationen gegenüber einem Inertialsystem können auch mit einer geschlossenen Experimentalanordnung absolut gemessen werden, denn es ist nicht möglich, ein Inertialsystem zu definieren, in dem sich die gesamte Experimentalanordnung in Ruhe befindet.

Die älteste Methode zur absoluten Rotationsmessung ist das Foucaultsche Pendel, mit dem es erstmals gelang, die Rotation der Erde ohne Himmelsbeobachtungen zu messen und damit das heliozentrische Weltbild des Nikolaus Kopernikus zu bestätigen. Auch Kreiselkompasse und Laserkreisel funktionieren nach diesem Prinzip. Was das Foucaultsche Pendel für die Mechanik ist, ist der Sagnac-Effekt für die Optik. Hier kann beobachtet werden, dass zwischen kohärentem Licht, das im Uhrzeigersinn, und Licht, das im Gegenuhrzeigersinn über Spiegel auf derselben Strecke im Kreis gelenkt wird, eine Phasenverschiebung auftritt, solange man die gesamte Apparatur dreht, d. h., während der Rotation wird für einen Lichtstrahl die Wegstrecke länger, für den anderen kürzer.

Dies bestätigt alle Theorien, in welchen die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der Geschwindigkeit des rotierenden Körpers ist – dazu gehören die Spezielle Relativitätstheorie und die Theorie vom ruhenden Lichtäther (wobei die Übereinstimmung zwischen den beiden Theorien nur bei geringen Geschwindigkeiten gegeben ist). Da jedoch die klassische Äthertheorie durch zahlreiche andere Experimente (vor allem dem Michelson-Morley-Experiment) widerlegt wurde, sind die Spezielle Relativitätstheorie und die mit ihr experimentell äquivalente, jedoch konzeptionell überholte lorentzsche Äthertheorie die einzigen Theorien, welche alle Experimente erklären kann.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Erste Hinweise für das Vorhandensein eines solchen Effektes wurden von Oliver Joseph Lodge (1897) und Albert Abraham Michelson (1904) vorgetragen. Zwei Lichtstrahlen, welche in entgegengesetzter Richtung eine kreisförmige Bahn beschreiben, müssten aufgrund der Erdrotation unterschiedliche Laufzeiten benötigen, was als Verschiebung der Interferenzstreifen nachzuweisen sein müsste. Damit sollte festgestellt werden, ob die Erde den Äther (eine hypothetische Substanz welche nach den damaligen Vorstellungen den Raum ausfüllen sollte) mitführt (negatives Resultat), oder ob der Äther ruht (positives Resultat).[1][2][3] 1911 führte Max von Laue diese theoretische Untersuchung weiter, wobei er bereits die spezielle Relativitätstheorie berücksichtigte. Das Ergebnis seiner Berechnungen war, dass sowohl gemäß der speziellen Relativitätstheorie als auch nach der Theorie des ruhenden Lichtäthers (bei erster Näherung in v / c) annähernd dieselbe Laufzeitdifferenz zu erwarten ist, und zwar aufgrund der Unabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Bewegung der Experimentalanordnung in beiden Theorien. Nur bei vollständiger Äthermitführung (wobei diese Theorie allerdings zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Fizeau-Experimentes bereits als widerlegt galt) ergäbe sich ein negatives Resultat.[4][5] Während Laue den Effekt aus Sicht eines beliebigen Inertialsystems herleitete (was für eine widerspruchsfreie Erklärung des Effekts im Rahmen der SRT durchaus ausreichend ist), wurde von anderen Autoren wie Paul Langevin (1921/35) der Effekt auch aus der Sicht eines mit-rotierenden Bezugssystems, sowohl gemäß der speziellen als auch der allgemeinen Relativitätstheorie, geschildert.

1913 wurde ein solches Experiment nun tatsächlich von Georges Sagnac durchgeführt, und zwar mit der aus Sicht der Relativitätstheorie (und des ruhenden Äthers) bereits erwarteten Verschiebung der Interferenzstreifen. Sagnac sah den Effekt als Widerlegung der Quellenabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit, d. h. als Widerlegung der Emissionstheorie des Lichtes, und als unmittelbaren Nachweis eines Lichtäthers an – die Relativitätstheorie erwähnte er allerdings nicht.[6][7] Diese Auslassung war jedoch bedeutungslos, da wie erwähnt Laue bereits zwei Jahre zuvor einen solchen Effekt als Konsequenz der speziellen Relativitätstheorie vorausgesagt hatte.[8] (Wie erst später bekannt wurde, wurde bereits zwischen 1909 und 1911 ein ähnliches Experiment von Franz Harress durchgeführt, das als eine Synthese der Fizeau- und Sagnac-Experimente betrachtet werden kann. Er versuche den Mitführungskoeffizienten in Glas zu messen, jedoch benutzte er eine rotierende Versuchsanordnung, welche sehr ähnlich der später von Sagnac benutzten ist. Die von ihm gefundenen Verschiebungen wurde von Harress nicht korrekt interpretiert, jedoch konnte Laue 1920 zeigen, dass das von Harress gefundene Ergebnis dem Sagnac-Effekt entsprach.)[9]

Der Aufbau

Originalskizze von Georges Sagnac

Ein kohärentes Lichtbündel einer Quecksilberdampflampe O wird mit einem Strahlteiler j in zwei Teilstrahlen R und T aufgeteilt. Diese werden mit Hilfe von Spiegeln M1 bis M4 in entgegengesetzter Richtung im Kreis geführt und treffen an dem Strahlteiler wieder aufeinander. Das Interferenzmuster wird auf einem Schirm c beobachtet. Befindet sich die Anordnung in Ruhe, sind die Wege beider Strahlen gleich lang und in der Mitte des Schirms sieht man destruktive Interferenz, denn bei der Reflexion entsteht jeweils eine Phasenverschiebung von 90°, was bei dem im Bild gegen den Uhrzeigersinn laufendem Strahl eine Phasenverschiebung von 180° gegenüber dem im Uhrzeigersinn laufenden Strahl ergibt. Wird nun aber der ganze Aufbau um eine Achse senkrecht zur Strahlebene gedreht, ist der optische Weg für beide Teilstrahlen nicht mehr gleich lang, da sich in der Zeit, die das Licht für einen Umlauf benötigt, der Strahlteiler bereits ein Stück weiter gedreht hat. Dadurch sieht man eine Verschiebung der Interferenzstreifen.

Bemerkenswert an diesem Versuch ist vor allem, dass alle Teile des Systems – Lichtquelle, Zwischenapparat und Messgerät (Beobachter) – mitbewegt werden, man aber trotzdem einen Einfluss der Rotation beobachtet.[10]

Theorie

In jedem Inertialsystem breitet sich Licht mit konstanter Geschwindigkeit c aus. Im Folgenden ist das Inertialsystem das Bezugssystem, und das Interferometer dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit Ω. Licht läuft auf einer beliebig geformten geschlossenen Bahn der Länge l um. Es wird entsprechend durch Spiegel abgelenkt. Die Zeit, die das Licht benötigt, um die Strecke dl zurückzulegen, beträgt

dt = \frac{\mathrm d l}{c}

Während dieser Zeit dreht sich die Apparatur um den Winkel \Omega \cdot \mathrm dt. Das Licht muss also unter der Annahme \Omega \cdot r \ll c in Tangentialrichtung ein um

\mathrm dx = \Omega \cdot r \cdot \mathrm dt = \frac{\Omega \cdot r}{c} \mathrm dl

längeres bzw. kürzeres Wegstück zurücklegen. (r ist nicht der Abstand zwischen der Drehachse und dem Streckenstück dl, sondern der Abstand zwischen der Drehachse und der an dl anliegenden Tangente. \Omega \cdot r ist daher die in Tangentialrichtung zeigende Komponente der Rotationsgeschwindigkeit.) Für den kompletten Umlauf ergibt sich also

x = \oint{ \mathrm dx} = \oint{\frac{\Omega \cdot r}{c} \mathrm dl} = \frac{\Omega}{c} \oint{r\, \mathrm dl}
= \frac{\Omega}{c} \cdot 2 A,

wobei A die vom Strahlengang eingeschlossene Fläche (die Fläche eines Kreises  A = r^2 \cdot \pi ) ist. Die Differenz der Strecken, die die beiden umlaufenden Lichtwellen zurücklegen müssen, beträgt 2x, da eine um x mehr Weg zurücklegt, die andere um x weniger. Die relative Streifenverschiebung ist damit

\Delta \phi = \frac{2 \pi}{\lambda} \cdot 2 x= \frac{8 \pi A}{\lambda c} \Omega .

Auf diese Art und Weise lassen sich allerdings mit realistischen Werten nur relativ schnelle Rotationen messen. Bei einer Fläche A = 1 (in der Skizze mit S bezeichnet) und einer Wellenlänge λ = 633 nm benötigt man eine Winkelgeschwindigkeit Ω von 227 Umdrehungen pro Minute, um von maximalem Signal zu Auslöschung (Δ = 1/2) zu wechseln.

Michelson-Gale-Versuch

1925 gelang es Albert Abraham Michelson und Henry G. Gale mit einem Interferometer von 613 m Länge und 339 m Breite nach diesem Prinzip die Rotation der Erde mit einer relativen Genauigkeit von 2 % zu messen. Die relative Streifenverschiebung betrug 0,23. Um scharfe Interferenzstreifen zu erhalten, war der komplette Lichtweg auf 17 mbar evakuiert. Für ausreichend Licht sorgte ein Kohle-Lichtbogen. Das Besondere beim Michelson-Gale-Experiment ist, dass es – anders als beim rotierenden Sagnac-Interferometer – keine Relativbewegung zum Bezugssystem der Erde gibt.[11] [12]

Michelson und Gale erkannten bereits selbst korrekt, dass ihr Experiment keine Aussage über die Existenz des Äthers macht. Es lässt sich sowohl mit der Relativitätstheorie als auch mit einem ruhenden Äther erklären. Das Michelson-Gale-Experiment ist aber insofern von großer Bedeutung, als es allen Versuchen, das negative Ergebnis des Michelson-Morley-Experiments durch eine Mitführung des Äthers zu erklären, den Boden entzieht. Es erscheint nämlich widersinnig, dass bei Translation (Michelson-Morley-Versuch) volle Mitführung des Äthers durch die Erde stattfindet, bei Rotation (Michelson-Gale-Versuch) hingegen der Äther relativ zu den Fixsternen ruht.[13]

Siehe auch

Referenzen

  1. Anderson, R., Bilger, H.R., Stedman, G.E.: Sagnac effect: A century of Earth-rotated interferometers. In: Am. J. Phys.. 62, Nr. 11, 1994, S. 975-985. doi:10.1119/1.17656.
  2. Lodge, Oliver: Experiments on the Absence of Mechanical Connexion between Ether and Matter. In: Phil. Trans. Roy. Soc.. 189, 1897, S. 149-166.
  3. Michelson, A.A.: Relative Motion of Earth and Aether. In: Philosophical Magazine. 8, Nr. 48, 1904, S. 716-719.
  4. Pauli, Wolfgang: Die Relativitätstheorie. In: Encyclopädie der mathematischen Wissenschaften, 5.2, S. 539–776 1921
  5. Laue, Max von: Über einen Versuch zur Optik der bewegten Körper. In: Münchener Sitzungsberichte. 1911, S. 405-412.
  6. Sagnac, Georges: L’éther lumineux démontré par l’effet du vent relatif d’éther dans un interféromètre en rotation uniforme. In: Comptes Rendus. 157, 1913, S. 708-710.
  7. Sagnac, Georges: Sur la preuve de la réalité de l’éther lumineux par l’expérience de l’interférographe tournant. In: Comptes Rendus. 157, 1913, S. 1410-1413.
  8. Witte, Hans: Der Sagnac-Effekt: ein Experimentum crucis zugunsten des Äthers?; Nochmals Sagnac-Effekt und Äther; Sagnac-Effekt und Emissionstheorie. In: Berichte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. 16, 1914, S. 142-150, 754-755, 755-756.
  9. Laue, Max von: Zum Versuch von F. Harreß. In: Annalen der Physik. 367, Nr. 13, 1920, S. 448-463.
  10. Siehe G. Joos, Lehrbuch der theoretischen Physik, 12. Auflage 1959, Seite 448
  11. Albert Abraham Michelson: The Effect of the Earth's Rotation on the Velocity of Light I. In: The Astrophysical Journal. 61, 1925, S. 137-139. doi:10.1086/142878.
  12. Albert Abraham Michelson, Henry G. Gale: The Effect of the Earth's Rotation on the Velocity of Light II. In: The Astrophysical Journal. 61, 1925, S. 140-145. doi:10.1086/142879.
  13. Siehe G. Joos, Lehrbuch der theoretischen Physik, 12. Auflage 1959, Seite 450

Literatur

  • J. Anandan: Sagnac effect in relativistic and nonrelativistic physics. Phys. Rev. D 24, 338–346 (1981), doi:10.1103/PhysRevD.24.338

Weblinks


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