Scheimpflugsche Regel

Scheimpflugsche Regel
Scheimpflugsche Regel: Bildebene (oben), Objektivebene und Objektebene/Schärfeebene (unten) schneiden sich in einer gemeinsamen Geraden.
Der Fotograf Rudolf Schäfer mit Fachkamera unter Anwendung der Scheimpflugschen Regel.

Die Scheimpflugsche Regel besagt, dass bei einer optischen Abbildung die Bild-, Objektiv- und Schärfeebene sich in einer gemeinsamen Geraden schneiden.

Die Scheimpflug-Bedingung wird eingehalten, das heißt, dass die gewünschte Objekt-Ebene mit maximaler Schärfe abgebildet wird, wenn Objekt-, Objektiv- und Bildebene sich in einer gemeinsamen Geraden schneiden. Die als Schärfeebene bezeichnete scharf abgebildete Objektebene kann somit eine geneigte Ebene sein, wenn sich entweder die Objektiv- oder die Bildebene einer Kamera neigen lässt. Der englische Fachbegriff tilt effect (tilt: neigen, kippen) beschreibt diesen Vorgang treffender als der deutsche Fachbegriff Schärfedehnung nach Scheimpflug[1], denn die Schärfentiefe wird dabei nicht vergrößert.

Der Grenzfall dafür, dass sich die drei Ebenen in einer gemeinsamen Geraden schneiden, ist deren Parallelität. Er gilt beim normalen Fotoapparat, in dem Objektiv- und Bildebene zueinander fix parallel angeordnet sind. Folglich schneidet auch die Schärfeebene die optische Achse im rechten Winkel, was als Selbstverständlichkeit allgemein bekannt ist.

Als Objektiv-Ebene gilt die Hauptebene des Objektivs. Die meisten Objektive haben zwei Hauptebenen, eine objektseitige und eine bildseitige. Die Scheimpflugsche Regel lautet präziser, dass sich die Schärfeebene mit der objektseitigen Hauptebene in der gleichen Entfernung von der Achse des Objektivs schneidet wie die Bildebene mit der bildseitigen Hauptebene, und dass beide Schnittgeraden zueinander parallel sind. Beide Schnittgeraden befinden sich auf derselben Seite der optischen Achse.

Inhaltsverzeichnis

Erklärung und Anwendung

Kölner Dom mit normalem Fotoapparat aufgenommen, das heißt ohne Beachtung der Scheimpflug-Bedingung, zu erkennen in der Unschärfe im oberen Teil des Turms.
links: Objektiv parallel zur Bildebene nach oben verschoben (shift; von Scheimpflug nicht angewendet); scharf und keine stürzenden Linien.
rechts: Fotografieren einer hohen Wand (Turmfront) vom Boden aus unter Beachtung der Scheimpflug-Bedingung: Objektiv gegen Bildebene um einen kleinen Winkel gekippt (tilt); scharf, aber stürzende Linien.
Tilt-Shift-Objektiv
links: gegen Kamera-Anschluss vertikal verschiebbar
rechts: gegen Kamera-Anschluss schwenkbar

Die Regel wurde 1907 von dem österreichischen Offizier und Kartographen Theodor Scheimpflug (1865–1911) formuliert. Sie betont die allgemeine Gültigkeit der Linsengleichung

 \frac{1}{a} + \frac{1}{a'} = \frac{1}{f}

mit a = Objektweite (gemessen ab objektseitiger Hauptebene), a' = Bildweite (gemessen ab bildseitiger Hauptebene) und f = Brennweite des Objektives.
Diese ist insofern allgemeingültig, dass sie jedem einzelnen Objekt-Punkt den scharf entstehenden Bild-Punkt zuweist. Ist die abzubildende Objektebene nicht rechtwinklig zur Achse des Objektivs, so ist die Bildebene dazu auch nicht rechtwinklig, sondern in dem Maße schief wie es die Scheinpflugsche Regel und die Scheimpflug-Bedingung beschreiben.

Bei einem üblichen, einfachen Fotoapparat liegen die Bildebene (der Film) und die Objektivebene parallel zueinander. Folglich liegt die scharf abgebildete Objektebene zu beiden parallel. Die gemeinsame Schnittgerade ist in unendlicher Entfernung vorstellbar. Wird nun ein (ebenes) Objekt fotografiert, das schief zur Schärfeebene liegt, so wird dieses Objekt nur im Bereich der Schnittgeraden von Schärfeebene und Objektebene vollständig scharf abgebildet. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man ein hohes Gebäude aus nächster Nähe von unten fotografiert (siehe Foto des Kölner Doms).

Bei Verwendung eines Balgengeräts oder eines Tilt-Objektivs als Zubehör oder einer Fachkamera mit Balgen (zum Beispiel von Linhof) lassen sich Film- und Objektivebene gegeneinander verkippen. Dadurch verschiebt sich ihre gemeinsame Schnittgerade aus dem Unendlichen in die Nähe der optischen Achse. Die zugehörende Schärfeebene fluchtet mit dieser Schnittgeraden. Sie kann zum Beispiel nach hinten gekippt sein (horizontale Schnittgerade) und mit der Frontebene des hohen Gebäudes zusammenfallen, das man aus nächster Nähe mit schräg nach oben gerichteter Kamera fotografiert (siehe rechts in der Zeichnung). Diese Front wird jetzt trotz unterschiedlicher Entfernung seiner Teile von unten bis oben scharf abgebildet. Hauptanwendungsbereich ist die Architekturfotografie und die Fotografie historischer Gebäude. Dabei werden großformatige Bilder hoher Schärfe verlangt. Das Aufnahmeformat ist bereits groß und die Schärfentiefe klein. Deshalb ist es besonders wichtig, die Scheimpflug-Bedingung einzuhalten.

Stürzende Linien und ihre Entzerrung

Scheimpflug machte Luftaufnahmen, um daraus Landkarten herzustellen. In seiner Zeit gab es noch keine Flugzeuge, die Aufnahmen wurden von einem Ballon aus gemacht. Er musste auch Schrägaufnahmen machen, weil der Ballon nicht ausreichend manövrierfähig war, um zu beliebigen Aufnahmepunkten zu gelangen. Bei der nötigen Entzerrung der Luftbilder entdeckte er die nach ihm benannte Regel und richtete sein Entzerrungsgerät (eine Art Vergrößerungsgerät) entsprechend ein, damit die in der Aufnahme enthaltene Schärfe nicht verloren ging.

Fotografien sind immer perspektivische Abbildungen (Zentralperspektive), das heißt, dass Parallelen im Objekt im Allgemeinen nicht parallel zueinander abgebildet werden, vertikale Linien erscheinen oft als sogenannte stürzende Linien. Vor der Verbreitung von sogenannten Shift-Objektiven (oder der Anwendung von Fachkameras) wurden solche perspektivische Korrekturen gleich wie von Scheimpflug im Fotolabor mit Hilfe eines verstellbaren Vergrößerungsgerätes vorgenommen. War nur eine Ebene kippbar (in der Regel die Platte mit dem Fotopapier), wurde das Objektiv stark abgeblendet, um ausreichende Schärfe zu bekommen.

Parallele Linien, die sich außerhalb der Mitte im Objekt befinden, bleiben im Bild parallel, wenn das parallel zur Objektebene bleibende Objektiv nur seitlich verschoben (englisch: shifted; siehe links in der Zeichnung) wird. Dadurch wird der Bildwinkel aus der Mitte "geschwenkt, die gesamte Objektebene wird mit gleichem Maßstab abgebildet. Dieser Vorgang hat keine Beziehung zur Scheimpflug-Bedingung (außer dass der Grenzfall gilt, in dem die drei Ebenen parallel zueinander sind), wird aber unkorrekter Weise oft mit ihr in Verbindung gebracht. Dem wird dadurch Vorschub geleistet, dass korrigierende Objektive meistens sowohl kippbar als auch verschiebbar sind: Tilt-und-Shift-Objektive.

Auch in speziellen Overhead-Projektoren wird durch seitliches Verschieben des Objektivs die Vorlage auf eine über den Köpfen des Publikums angebrachte vertikale Leinwand unverzerrt projiziert, wobei besonders häufig unkorrekter Weise vom Scheimpflug-Prinzip die Rede ist. Das Objektiv ist horizontal in Richtung zur Leinwand verschoben. Die Vorlage wird schräg nach oben projiziert, hinter (oder im) Objektiv mittels eines Spiegels umgelenkt und von da aus mit gleicher Schrägung gegen die Horizontale auf die höher angebrachten Leinwand geworfen. [2] Es tritt kein Trapezeffekt auf, denn Rechtecke bleiben erhalten, werden nicht als Trapeze abgebildet. Als Schrägungswinkel wird ein Wert zwischen 8° und etwa 30° gewählt.

„Doppelter“ Scheimpflug

Manche Publikationen nennen das mögliche Verkippen um zwei Achsen den doppelten Scheimpflug im Gegensatz zum einfachen Scheimpflug, bei dem die Schärfeebene nur um die horizontale oder um die vertikale Achse verkippt wird. Geometrisch ist der doppelte Scheimpflug eine einfache Verkippung um eine schräg liegende Achse. Die Scheimpflug-Regel macht keine Aussage über die Richtung der Schnittgeraden zwischen den drei Ebenen und umfasst daher auch den doppelten Scheimpflug.

Einzelnachweise

  1. Schärfedehnung nach Scheimpflug [1]
  2. Overhead-Projektor, mit dem gegen die Horizontale 10° nach oben ohne Trapez-Effekt projiziert werden kann, [2]

Weblinks


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