- Solange II
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Im Solange-II-Beschluss (Beschluss vom 22. Oktober 1986, Az: 2 BvR 197/83) revidierte das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung zur Prüfung der Vereinbarkeit von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften mit deutschem Verfassungsrecht. Abweichend von der so genannten „Solange-I-Entscheidung“ von 1974 stellte das BVerfG nun fest, dass der Rechtsschutz durch die Organe der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) den Maßstäben der deutschen Grundrechte genüge, so dass das BVerfG im Regelfall keine eigene Prüfung durchführen müsse. Dies hatte weitgehende Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden.
Inhaltsverzeichnis
Der Beschluss
Die entscheidende Passage im Solange-II-Beschluss lautete:
„Solange die Europäische Gemeinschaft, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das BVerfG seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte oder Behörden im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte überprüfen; entsprechende Vorlagen nach Art. 100 I GG sind somit unzulässig.[1]“
Damit hat das BVerfG einen ausreichenden Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene durch den EuGH anerkannt. Seit dem Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 155) wird die Aufgabenverteilung zwischen BVerfG und EuGH als Kooperationsverhältnis bezeichnet. Das heißt, nunmehr…
„übt das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem 'Kooperationsverhältnis' zum Europäischen Gerichtshof aus.[2]“
Die Grenzen
Zu beachten bleibt aber der im Beschluss gemachte Vorbehalt: Das BVerfG verzichtet auf die Ausübung seiner Rechtsprechung nur insoweit und nur solange, wie auf Gemeinschaftsebene ein ausreichender Grundrechtsschutz durch den EuGH generell gewährleistet ist und dieser Schutz den Wesensgehalt der Grundrechte und damit den vom GG gebotenen Mindeststandard generell verbürgt.
Bananenmarkt-Entscheidung
Den durch Solange II eingeschlagenen Kurs hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner „Bananenmarkt-Entscheidung“[3] im Juni 2000 weiter konkretisiert. So heißt es dort:
„Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten, die eine Verletzung in Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend machen, sind von vorneherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des EuGH nach Ergehen der Solange-II-Entscheidung unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei.“
– BVerfG, Az. 2 BvL 1/97 ; BVerfGE 102, 147
Quellen
- ↑ Bundesverfassungsgericht: Solange II, BVerfGE 73, 339
- ↑ Bundesverfassungsgericht: Maastricht-Entscheidung, BVerfGE 89, 155
- ↑ Bundesverfassungsgericht: Bananenmarktentscheidung, Az 2 BvL 1/97
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