Stahlnetz: Das Haus an der Stör

Stahlnetz: Das Haus an der Stör
Filmdaten
Deutscher Titel: Das Haus an der Stör
Produktionsland: Bundesrepublik Deutschland
Erscheinungsjahr: 1963
Länge: 83:49 Minuten
Originalsprache: Deutsch
Stab
Regie: Jürgen Roland
Drehbuch: Wolfgang Menge
Produktion: Norddeutscher Rundfunk Hamburg
Musik: Siegfried Franz; Viktor Reschke, Erwin Halletz
Kamera: Walter Fehdmer
Schnitt: Manfred Jentsch
Besetzung

Das Haus an der Stör aus dem Jahre 1963 ist einer der bekanntesten und berühmtesten Kriminalfilme aus der Reihe Stahlnetz, die zwischen 1958 und 1968 vom NDR unter der Regie von Jürgen Roland produziert wurden. Wie alle Folgen der Serie beruhte auch dieser Film auf einer wahren Begebenheit, bei der nur Ort und Personen der Handlung geändert wurden. Der Originalfall war hier der Fall Ruth Blaue, siehe Weblinks. Die Erstausstrahlung des spannend erzählten Films fand am 26. Mai 1963 in der ARD statt.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Die Geschichte beginnt auf dem Bahnhof der schleswig-holsteinischen Stadt Itzehoe, wo der Leiter der dortigen Mordkommission Oberkommissar Roggenburg und die Leiterin der weiblichen Kriminalpolizei Frau Johannson eine Dienstreise mit der Bahn antreten, die sie über Hamburg-Altona und München nach Bad Tölz führt. Dort sollen die Täter eines Mordfalles verhaftet werden, der bereits 17 Jahre zurückliegt. Frau Johannson, die keinerlei Kenntnisse von dem Fall hat, wird von ihrem Kollegen während der langen Zugfahrt über alle Einzelheiten unterrichtet.

In dem extrem kalten Winter 1947 finden zwei Kinder in dem Wasserloch eines zugefrorenen Fischteiches bei Meldorf die Leiche eines ermordeten Mannes, der offensichtlich schon seit vielen Monaten im Wasser gelegen hat. Die Leiche befindet sich in einem mit Schweißdraht verschlossenen Seesack, der mit Mauersteinen beschwert worden ist. Die polizeilichen Untersuchungen führen zu keinem Ergebnis. Selbst die Identität des Toten kann nicht festgestellt werden. So wird der Fall nach relativ kurzer Zeit zu den Akten gelegt.

Roggenburg, der erst 1952 nach Itzehoe kommt, nimmt sich der unaufgeklärten Fälle aus der Vergangenheit an. Einige Jahre später stößt er zufällig auf den ersten Hinweis zu dem alten Mordfall. Nun beginnt für ihn eine mühselige Kleinarbeit. Von den damals über 100 als vermisst gemeldeten Personen, bleiben nach der Überprüfung nur noch zwei übrig, auf die die Beschreibung des Toten passen könnte. Anhand eines Goldzahns kann der Ermordete als Helmut Noack identifiziert werden. Die erste Spur führt zu dem im Gefängnis einsitzenden Einbrecher Eduard Vollmer, der schon 1947 durch die Aussage seiner Ex-Freundin Selma in Verdacht geriet. Doch Roggenburg stellt schon bald dessen Unschuld an dem Verbrechen fest. Jetzt untersucht der Kriminalbeamte das private Umfeld des Toten genauer. Die Ermittlungen ergeben, dass der erst mehrere Monate nach Kriegsende heimgekehrte Noack vor hatte, einen Fuhrbetrieb zu eröffnen. Angeblich wollte er in die Ostzone, wo er glaubte billig an einen Lastwagen zu kommen. Roggenburg erfährt, dass ein Freund aus Hamburg ihm einen preisgünstigen LKW beschaffen konnte, wodurch sich eine riskante Fahrt nach drüben erübrigt hätte. Noack hatte sich das Fahrzeug aber nicht mal angesehen. Nach der Aussage seiner Frau soll er sich mit 15.000 Mark auf den Weg in die Zone gemacht haben. Roggenburg hört, dass ein Bildhauer namens Reinhold als Untermieter schon vor Noacks Heimkehr bei seiner Frau als Untermieter gewohnt hat. Der Beamte, der auch weiter jeder auch noch so kleinen Spur nachgeht, findet schließlich in einem abgelegenen Haus an dem kleinen Fluss Stör die Lösung des Falles.

Inzwischen sind die beiden Kriminalbeamten am Ziel ihrer Reise angekommen. Auf einem Faschingsball wird die Ehefrau des Ermordeten als Täterin verhaftet. Ihr Geliebter und Komplize Reinhold entzieht sich der Verhaftung durch einen Selbstmord.

Die Auflösung

Frau Noack hatte das Haus an der Stör angeblich für ihren Mann gekauft. Dort hat Roggenburg die Überreste von misslungenen Plastiken gefunden: Angefertigt von Herrn Reinhold, mit dem Gesicht von Frau Noack: Diese muß also unmittelbar nach dem Mord an ihrem Mann - bevor sie nach Süddeutschland ging - dort mit Herrn Reinhold zusammengelebt haben. Darüber hinaus wurde bei den Plastiken genau der gleiche Schweißdraht verarbeitet, mit dem auch der improvisierte Leichensack zusammengebunden war.

Das Urteil

Am Ende des Films wird das Urteil und die Urteilsbegründung in einem Nachsatz erwähnt. Wörtlich heißt es da:

Das Schwurgericht in Itzehoe verurteilte am 24. Mai Hildegard Noack zu lebenslangem Zuchthaus unter gleichzeitiger Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. Ihr Komplize Reinhold hatte sich seinen irdischen Richtern durch Selbstmord entzogen. Wenn sich das Gericht auch zu der Ansicht bekannte, dass die tödlichen Schläge nicht von Frau Noack, sondern von ihrem Geliebten Reinhold geführt worden waren, bzw. zuerst zugeschlagen habe, dann, obwohl Noack schon tot war, Frau Noack ebenfalls mit dem Beil auf ihren Mann einhieb, blieb es wegen der Zumessung der Strafe nach §211 StGB unerheblich, weil es nach §49 StGB dem Täter zur Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet wurde.

Anmerkungen

Es mag aus heutiger Sicht verwundern, dass die Polizei damals so kurz nach dem Leichenfund die Untersuchung einstellte, aber so wenige Monate nach Kriegsende ging so vieles drunter und drüber. Kurze Zeit vorher kamen Millionen Menschen ums Leben, was machte ein Toter mehr da schon aus. Auch war die Polizei damals noch stark unterbesetzt und hatte in dem Wirrwarr der frühen Nachkriegszeit sehr viele Probleme gleichzeitig zu bewältigen.

Der Film hat zwei Erzähler. Da ist zunächst die Stimme im Hintergrund, die wie bei allen Stahlnetz-Folgen, Grundsätzliches zum Fall erzählt. Der zweite Erzähler ist der Oberkommissar Roggenburg, der seine Kollegin über jeden seiner Schritte in dem Fall unterrichtet. Das führt dazu, dass Hauptdarsteller Rudolf Platte fast in jeder Szene zu sehen ist. Alle anderen Akteure, außer Andrea Grosske haben nur kurze, meist einmalige Auftritte. Der Haupttäter Reinhold tritt gar nicht in Erscheinung, seine Komplizin (Mady Rahl) sieht man nur bei einer Befragung in Itzehoe und später bei ihrer Verhaftung.

Wie in vielen Stahlnetz-Episoden treten auch hier wieder bekannte Hamburger Volksschauspieler auf. Diesmal sind es Otto Lüthje und Henry Vahl vom Ohnsorg-Theater und Christa Siems vom St. Pauli Theater. Besonders Henry Vahl als Pathologe Professor Bildt überzeugte das Publikum in der für ihn eher untypischen Rolle.

Der wirkliche Kriminalfall

Ruth Blaue, eine ehemalige Prostituierte, eröffnete nach dem Krieg in Abwesenheit ihres Mannes John Blaue in Elmshorn das Cafe „Blaue Stube“ mit angeschlossener Bibliothek. Blaue verliebte sich 1946 in den 10 Jahre jüngeren und ebenfalls kunstsinnigen Bildhauer Horst Buchholz. Er zog bei ihr ein und schnitzte Madonnen mit dem Gesicht von Ruth Blaue. John Blaue war ursprünglich ein gelernter Spediteur und späterer Seemann und war zu dieser Zeit noch in Kriegsgefangenschaft 1946 kam John Blaue überraschend aus der Gefangenschaft nach Hause zurück. Er zog wieder bei seiner Frau ein, der Geliebte blieb ebenfalls. "In der Hauptsache war ich für meinen Mann fürs Bett. Ich hatte Hausfrau und Ehefrau zu sein. Ich hatte doch wirklich nicht die ganze Zeit zu Hause gesessen und gestrickt. Mein Leben war inzwischen weitergegangen." sagte sie bei Vernehmungen aus. Im November 1946 verschwand John Blaue plötzlich. Seine Ehefrau Ruth Blaue erzählte den Nachbarn, dass er in die Ostzone gezogen sei um eine Spedition zu eröffnen. Nach einiger Zeit erstattete Ruth Blaue trotzdem Vermisstenanzeige. Gerd Killisch entdeckte im Sommer 1947 in dem flachen Badetümpel einer Kiesgrube beim Dorf Klein Nordende bei schleswig-holsteinischen Elmshorn einen mit einem Draht verschnürten Seesack, er enthielt die halbverweste Leiche eines Mannes. Eine Verbindung mit dem vermissten John Blaue wurde zuerst nicht hergestellt. Der in einem Seesack gefundene Kopf besass einen Goldzahn, Ruth Blaue bestritt, dass ihr Ehemann einen hatte. 1955 brachte der Seesack die Wahrheit ans Licht. Der Draht der zum verschnüren des Seesackes benutzt worden war, war genau der Typ Draht, mit dem Horst Buchholz seine Kunstwerke verpackte. Ruth Blaue und der Bildhauer hatten sich zwischenzeitlich im Schwarzwald niedergelassen. Und wurden jetzt verhaftet. Es gab von beiden Aussagen, mehrfache Geständnisse und wiederholte Widerrufe. Ob aus Liebe beide jeweils den Mord allein auf sich nehmen wollten blieb unklar. Buchholz beging in der Untersuchungshaft Selbstmord und ab diesem Zeitpunkt beschuldigte Ruth Blaue ihn als Alleintäter. Wahrscheinlich wurde John Blaue mit einem Schlafmittel betäubt, dann mit fünf Axthieben getötet. Wer die tödlichen Hiebe dem Opfer beibrachte konnte nicht geklärt werden. Das Paar transporterierte auf einem Fahrrad die verpackte Leiche zu dem Badetümpel und feierten danach ausgelassen ein Geburtstagsfest.

Ruth Blaue hatte Vorstrafen wegen Betrug, Urkundenfälschung und Unterschlagung. Im November 1955 wurde Ruth Blaue vom Gericht in Itzehoe wegen Mittäterschaft des Mordes an John Blaue zu lebenslänglichem Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. 1969 wurde sie wegen einer lebensgefährlichen Krankheit frühzeitig entlassen. Bis zu ihrem Tod 1972 bestritt sie jede Beteiligung an dem Mord.

Medien

Der Mordfall wurde zweimal verfilmt: Das Haus an der Stör ist in zwei Versionen erschienen:

  • Die Filmversion auf DVD als Teil der 2005 erschienenen Serien-Box (4er-Schuber mit allen 22 Folgen), ISBN 3-86635-005-8.
  • Die Hörspielfassung als CD in Der Audio Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-89813-459-8. Sie enthält die überarbeitete Tonspur des Films. Zum Teil wurden Szenen, die im Film nur dem Rahmen dienen aber die Handlung nicht weiterbringen, geschnitten (z. B. die Szene mit dem Mädchen im Zug).
  • 2009 – Serie „Wenn Frauen morden“, Titel „Madonna oder Mörderin“, Erstsendung am 12. Januar.

Weblinks


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