Stanislaw Kubicki

Stanislaw Kubicki

Stanislaw Kubicki (* 1889 in Ziegenhain in Hessen; † 1943 in Polen) war deutsch-polnischer Schriftsteller, Philosoph, Übersetzer und expressionistischer Maler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er besuchte 1910 die Königliche Kunstschule in Berlin. Von 1914 bis 1918 war er Soldat im Ersten Weltkrieg. Während des Krieges heiratete er 1916 die Künstlerin und Kunsterzieherin Margarete Schuster (1891–1984). Er machte sich als origineller Graphiker und Wortsprecher der Posener Expressionsitengruppe Bunt (Revolte) einen Namen, jedoch auch seine kubo-konstruktivistischen und abstrakten Gemälde verdienen eine besondere Aufmerksamkeit. Seine bildnerischen, poetischen und programmatischen Werke sowie naturphilosophische Abhandlungen gehören zu den interessantesten in der ersten Phase der klassischen (historischen) Avantgarde im Mitteleuropa.[1] Zusammen mit seiner Frau pflegte er seit 1916 Kontakte zum Herausgeber der Berliner Kunstzeitschrift „Die „Aktion“. Um 1917 initiierten sie gemeinsame Verlags- und Ausstellungsinitiativen deutscher und polnischer Expressionisten.[2] Kubicki stellte auch 1919/1920 seine Werke aus, als einer der sieben Künstler aus Polen und der einzige Vertreter der Gruppe Bunt in der berühmtesten Galerie der Avantgarde, „Der Sturm“ und veröffentlichte seine Graphiken in der gleichnamigen Kunstzeitschrift Herwarth Waldens.

Er pflegte auch Kontakte zum Kreis der Berliner Dadaisten, vor allem zum „Dadasophen“ Raoul Hausmann und zum „Oberdada“ Johannes Baader. Das Ergebnis davon bildete die so genannte kubo-dadaistische Episode im seinen Schaffen.[3] Das Zürcher Dada, insbesondere die programmatischen und formalen Ideen Tristan Tzaras interpretierte er im Geiste der avantgardistischen Utopie vom „neuen Menschen“.[4] Zusammen mit Hausmann realisierte er Ende 1920er und Anfang 1930er Jahre botanisch-photographische Experimente.[5]

1919–1922 verfasste er seine Gedichte und programmatischen Beiträge im Geiste des avantgardistischen Internationalismus parallel auf Deutsch und Polnisch.[6]

In den 1920er Jahren schließt er Freundschaft mit den Künstlern Jankel Adler, Raoul Hausmann, Otto Freundlich und Franz Seifert. Nebenbei begann er für deutsche und polnische sozialrevolutionäre Magazine zu übersetzen. 1922 nahm er an der „1. Internationalen Kunstausstellung“ in Düsseldorf teil. Stanislaw Kubicki wurde schließlich politisch aktiv und war Teilnehmer am Kongress der „Union fortschrittlicher internationaler Künstler“. Seine Frau und er beklagten den „schlammigen Opportunismus“ der wieder „allzu etablierten Künstlergruppen“ im 1922 erschienenen Manifest der Kommune. 1923 schließt sich Kubicki der offiziell noch nicht gegründeten „Gruppe progressiver Künstler“ an. Nach 1933 zerstörten SA-Männer bei mehreren Hausdurchsuchungen Werke von Kubicki und seinen Künstlerfreunden. Nach den Repressalien entschließt er sich 1934 zur Emigration nach Polen.

Sein letztes Gemälde Moses vor dem brennenden Dornbusch 1933/34 blieb unvollendet.[7] In den Jahren 1935–1938 im Gut der Grafen Mycielskis in Kobylepole bei Posen schuf er noch sein einziges architektonisches Werk (und zugleich einziges Auftragswerk), Denkmal zu Ehren von Marschall Józef Piłsudskis.[8]

Während der deutschen Besatzung in Polen schloss er sich der polnischen Widerstandsbewegung an und wirkte als Kurier zur Botschaft Mandschukos zwischen Warschau und Berlin.[9]

Bei dem Begräbnis seines 1942 im Konzentrationslager ermordeten Freundes Witold Hulewicz wurde er von der Gestapo festgenommen und 1943 durch die Gestapo in Polen ermordet.

Literatur

  • Lidia Głuchowska: Stanislaw Kubicki. Kunst und Theorie. 2. Auflage. WIR-Verlag, Berlin Sept. 2001, Okt. 2003, ISSN 0948-6313.
  • Lidia Głuchowska, Peter Mantis: Stanislaw Kubicki. Ein Poet übersetzt sich selbst. Gedichte zwischen 1918–1921 / Poeta tłumaczy sam siebie. Wiersze z lat 1918–1921. WIR-Verlag, Berlin Okt. 2003, ISSN 0948-6313 (auf Deutsch und Polnisch).
  • Lidia Głuchowska: Roger Loewig – Stanislaw Kubicki. Inseln der Menschlichkeit – Wyspy człowieczeństwa. Vorwort Helmut Börsch-Supan und Jan Hoesch. WIR-Verlag, Berlin Okt. 2003, ISSN 0948-6313 (auf Deutsch und Polnisch). Hrsg. von der Roger-Loewig-Gesellschaft. Ausstellungskatalog; Ausstellungen 2003 in Krzyżowa, Sitz der Stiftung „Kreisau“ für Europäische Verständigung; sowie 2004 in Architekturmuseum Breslau und im Museum Nikolaikirche – Stadtmuseum Berlin.
  • Lidia Głuchowska: Avantgarde und Liebe. Margarete und Stanislaw Kubicki 1910–1945. Gebr. Mann, Berlin 2007, ISBN 978-3-7861-2541-9 (Dissertation Humboldt Universität Berlin 2004).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lidia Głuchowska: Dokąd człowieku? – czyli o poszukiwaniach artystycznych Stanisława Kubickiego. In: Ikonotheka. 17/2004, S. 139–163
    Piotr Piotrowski: Central European Avant-Gardes: Exchange und Transformation 1910–1930. Cambridge MA 2002, red. Timothy O. Benson: Expressionism and Futurism in Poland. S. 175–176.
    Timothy O. Benson, Éva Forgács (Hrsg.): Sourcebook of Central European Avant-Gardes, 1910–1930. Beetween Worlds, Los Angeles 2002.
  2. Ein Paar zwischen Ost und West – Stanislaw Kubicki (1889–1942) und Margarete Kubicka (1891–1984). Kritische Berichte 2/2002, S. 19–31; Lidia Głuchowska: Margarete i Stanisław Kubiccy a początki grupy Bunt. W: Bunt. Ekspresjonizm Poznański 1917–1925. [Katalog einer Ausstellung in Muzeum Narodowe in Poznań], hrsg. von Grażyna Hałasa i Agnieszka Salamon. Poznań, 2003, S. 46–64.
    Lidia Głuchowska: Margarete und Stanislaw Kubicki – ein deutsch-polnisches Künstlerpaar zwischen Posen und Berlin. [Margarete i Stanisław Kubicki – polsko-niemiecka para artystyczna między Poznaniem a Berlinem]. In: Małgorzata Omilanowska, Anna Straszewska (Hrsg.): Wanderungen: Künstler – Kunstwerk – Motiv – Stifter. [Wędrówki: Artysta – Dzieło – Wzorzec – Fundator]. Warszawa 2005, S. 129–149.
    Das deutsch-polnische Künstlerpaar Margarete und Stanislaw Kubicki in der Posener Expressionistenvereinigung „Bunt“. In: Katja Bernhardt, Piotr Piotrowski (Hrsg.): Grenzen überwindend. Festschrift für Adam S. Labuda. Berlin 2006, S. unpagin.
  3. Lidia Głuchowska: Miejsca puste, czyli co nie dochodzi do głosu w obrazie. Tzw. epizod dadaistyczny w twórczości Stanisława Kubickiego. In: Maria Poprzęcka (Hrsg.): Brak słów. Warszawa 2007, S. 207–233
  4. Lidia Głuchowska: Tristan Tzara – monsieur dada i polskie konteksty dadaizmu. In: Rita Baum (13) Winter 2009, S. 65–71
    Lidia Głuchowska: Avantgarde: Berlin – Poznań. In: Robert Traba (Hrsg.): My, berlińczycy / Wir Berliner. Geschichte einer deutsch-polnischen Nachbarschaft. Berlin 2009, S. 160–195.
  5. Lidia Głuchowska: Avantgarde und Liebe. Margarete und Stanislaw Kubicki 1910–1945. Berlin 2007, S. 72–76.
  6. Lidia Głuchowska: Der Turmbau zu Babel. Stanisław Kubickis zweisprachige Gedichte aus den Jahren 1918–1921 und die Utopie des „neuen Menschen“. In: Marion Brandt (Hrsg.): Grenzüberschreitungen. Deutsche, Polen und Juden zwischen den Kulturen (1918–1939). München 2006, S. 15–44.
  7. Lidia Głuchowska: Ostatni obraz. Mojżesz przed krzewem gorejącym Stanisława Kubickiego. In: Maria Poprzęcka (Hrsg.): Wielkie dzieła, wielkie interpretacje. Warszawa 2007, S. 215–228.
  8. Lidia Głuchowska: Stanislaw Kubicki. Kunst und Theorie. Berlin 2001, S. 46–47.
  9. Lidia Głuchowska: Zwischen Kunst und Politik. Porträt des deutsch-polnischen Malers und Dichters Stanislaw Kubicki / Między sztuką a polityką. Portret polsko-niemieckiego malarza i poety Stanisława Kubickiego. In: Dialog 62–63/2003, S. 118–125
    Lidia Głuchowska: „Verschwörer und Revolutionäre“. Zum Kriegsschicksal des Künstlers und Widerstandkuriers Stanisław Kubicki. In: Inter Finitimos. 6/2008, S. 100–117.

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