Stromspiegel

Stromspiegel

Der Stromspiegel stellt in der Elektronik eine elementare Transistor-Schaltung dar, mit der es möglich ist, von einem vorhandenen Referenzstrom einen weiteren Strom abzuleiten. Der Stromspiegel ermöglicht es, Ströme zu kopieren und zu skalieren, und stellt somit eine stromgesteuerte Stromquelle dar.

Inhaltsverzeichnis

Motivation

Die Stromspiegelschaltung wird vor allem als eine Teilschaltung in analogen integrierten Schaltungen, wie Differenzverstärkern, Operationsverstärkern und Komparatoren, beispielsweise zur Einstellung von Arbeitspunkten in Verstärkerstufen, eingesetzt. Auch eine Verschiebung des Gleichspannungs-Pegels analoger Signale ist damit möglich.

MOSFET-Stromspiegel werden auch als elektronische Lasten eingesetzt, hierbei dient der Ausgangswiderstand des Stromspiegels als Lastwiderstand eines Verstärkers.

In der Schaltungstechnik wird oft eine Replik eines bereits vorhandenen Stromes benötigt. Mit Stromspiegeln ist es möglich, einen identischen Strom oder einen im festen Verhältnis stehenden zu erzeugen. Hierfür werden Transistoren benutzt, die in ihrer Bauform identisch oder gleich geformt, jedoch nicht flächengleich sind - so lässt sich über die Flächenverhältnisse der aktiven Flächen, Gatefläche oder Emitterfläche, das Verhältnis der Ströme allein über deren Flächen festlegen.

Sind die Transistoren eines Stromspiegels dicht benachbart (gleiche Temperatur) und durch den gleichen Fertigungsprozess (d. h. auf einem Chip) entstanden, lassen sich präzise Stromspiegel bauen - mit diskret aufgebauten Schaltungen war dies in der Vergangenheit nicht möglich.

Funktionsprinzip des Stromspiegels

Stromspiegel besitzen im Gegensatz zu spannungsgesteuerten Konstantstromquellen einen niedrigen Eingangswiderstand und wie jene einen möglichst hohen Ausgangswiderstand.

Schaltung mit Bipolartransistoren

Einfacher Stromspiegel mit Bipolartransistoren

Bipolartransistoren verhalten sich, wenn sie nicht gesättigt betrieben werden, ausgangsseitig wie eine Stromquelle, sie sind daher gut für Stromspiegel geeignet.

Ein einfacher Stromspiegel besteht aus zwei Transistoren, wie im Bild rechts dargestellt. Beim Transistor Q1 sind Kollektor- und Basisanschluss verbunden. Fließt ein Eingangsstrom Ie durch den Transistor Q1, stellt sich eine Basis-Emitter-Spannung UBE ein, die mit Ie über den folgenden Zusammenhang näherungsweise von der temperaturabhängigen Temperaturspannung UT und vom exemplarabhängigen Sperrstrom IS verknüpft ist


I_e \approx I_{C1} = I_{S1} \cdot e^{\frac{U_{BE}}{U_T} }

(Ein Teil des Eingangsstromes Ie fließt als Basisstrom in die Transistoren Q1 und Q2, dieser Anteil wurde hier vernachlässigt.)

Es entsteht am Transistor Q1 eine Basis-Emitter-Spannung die ausschließlich über die Transistoreigenschaften und die Temperatur mit dem Eingangsstrom verknüpft ist. Die Basisanschlüsse der beiden Transistoren sind verbunden, sodass an beiden Transistoren die gleiche Basis-Emitter-Spannung ist. Der Strom des Transistors Q2 hängt von UBE ab, es gilt ebenfalls:


I_a \approx I_{C2} = I_{S2} \cdot e^{\frac{U_{BE}}{U_T} }

Sind die Eigenschaften der Transistoren Q1 und Q2 und deren Temperaturen gleich, so ist auch die Abhängigkeit des Kollektorstroms von der Basis-Emitterspannung gleich und es fließt auch der gleiche Kollektorstrom durch Q2.

Stromspiegel werden daher aus gleichartigen, auf einem Chip befindlichen Transistoren gebaut. Dadurch entstehen sie durch den gleichen Fertigungsprozess und haben gleiche Temperaturen.

Werden die Basisströme berücksichtigt, ergibt sich genaugenommen

IC1 = IeIB1IB2

Somit ergibt sich beim einfachen Stromspiegel mit Bipolartransistoren ein Fehler, der mit steigendem Stromverstärkungsfaktor sinkt. Ein weiterer Fehler entsteht durch den Early-Effekt, der eine Spannungsabhängigkeit des Ausgangsstromes durch eine Modulation der virtuellen Basisbreite verursacht. Die dazugehörige Kenngröße Earlyspannung weist Exemplarstreuungen auf, sollte für gute Stromkonstanz groß sein und steigt mit der physischen Basisbreite und somit in der Regel mit sinkender Stromverstärkung an. Transistoren mit hoher Stromverstärkung verringern daher zwar den Fehler durch den Basisstrom, liefern aber einen weniger hohen Ausgangswiderstand - der Ausgangsstrom ändert sich stärker mit der Ausgangsspannung.

Schaltung mit MOSFETs

Einfacher Stromspiegel mit MOSFETs

Wird der einfache Stromspiegel mit identischen MOSFETs aufgebaut, so erhält man für den Zusammenhang zwischen Eingangsstrom Ie und der Gate-Source Spannung UGS:


I_e = I_{D1} = \frac{k_P}{2} \frac{W_{1}}{L_{1}} (U_{GS1} - U_{th})^2

Für den Ausgangsstrom Ia gilt:


I_a = I_{D2} = \frac{k_P}{2} \frac{W_{2}}{L_{2}} (U_{GS2} - U_{th})^2

Somit erhält man für das Verhältnis der beiden Ströme:


\frac{I_a}{I_e} = \frac{\frac{k_P}{2} \frac{W_{1}}{L_{1}} (U_{GS1} - U_{th})^2}
                       {\frac{k_P}{2} \frac{W_{2}}{L_{2}} (U_{GS2} - U_{th})^2} \stackrel{\mathrm{Text}}= 1

Nachdem für identische Transistoren auch sämtliche Parameter wie W, L und Uth gleich sind und UGS durch die Verschaltung gleich ist, kann man diese Größen kürzen und erhält Ia = Ie.

Die Spannung Uth ist die Schwellspannung am Gate, ab der der Kanal zu leiten beginnt

Eine Abweichung von diesem idealen Verhalten ergibt sich aufgrund der Kanallängenmodulation der Transistoren, die hier aber vernachlässigt wurde. Fehler ergeben sich aus der Temperaturabhängigkeit unter anderem von Uth; daher und aufgrund der erforderlichen Gleichheit der Schichtdicken und somit der Bauteilparameter sind solche Stromspiegel vorzugsweise monolithisch (auf einem Chip) aufgebaut.

Nachteil des MOSFET-Stromspiegels gegenüber dem bipolaren Stromspiegel ist die Spannungsabhängigkeit des gesteuerten Ausgangsstromes.

Beispiele

Die Tabelle zeigt typische Beispiele für Stromspiegel in bipolarer Technik und die äquivalenten MOS-Schaltungen. Die Widerstände bei den bipolaren Stromspiegeln sind optional, in MOS-Technik sind sie unüblich.

Wesentliche Kriterien bei der Auswahl einer Stromspiegelschaltung sind die minimale Versorgungsspannung, der Ausgangswiderstand sowie die Genauigkeitsanforderungen an den gespiegelten Strom.

Varianten von Stromspiegeln
  Einfacher Stromspiegel 3-Transistor-Stromspiegel
(Unterstützter Stromspiegel)
Kaskode-Stromspiegel Wilson-Stromspiegel
(Geregelter Stromspiegel)
Bipolar Einfacher Stromspiegel.svg 3-Transistor-Stromspiegel.svg Kaskode-Stromspiegel.svg Wilson-Stromspiegel.svg
MOS Einfacher Stromspiegel (MOS).svg   Kaskode-Stromspiegel (MOS).svg Wilson-Stromspiegel (MOS).svg
Widlar-Stromspiegel, Patentschrift von 1967
Widlar-Stromspiegel
Der Widlar-Stromspiegel, benannt nach seinem Entwickler Robert Widlar, ist eine Variation des einfachen Stromspiegels und stellt mit nur zwei Transistoren einen besonders einfachen Stromspiegel dar. [1] Das Stromverhältnis wird über die Emittervielfachheit (Gatevielfachheit) eingestellt. Alternativ kann das Stromverhältnis bei Bipolartransistoren, wie in nebenstehender Abbildung dargestellt, auch über einen Gegenkopplungswiderstand im Emitterzweig eingestellt werden, falls die Genauigkeitsanforderungen nicht hoch sind. Der Widlar-Stromspiegel kann aus dem einfachen Stromspiegel gewonnen werden, indem der bei dem einfachen Stromspiegel links im Referenzzweig eingezeichnete Emitter-Gegenkopplungswiderstand kurzgeschlossen wird. Aufgrund der starken Stromabhängigkeit des Übersetzungsverhältnisses ist der Widlar-Stromspiegel im Regelfall nur für Konstantströme geeignet.
3-Transistor-Stromspiegel
Der Transistor in der Mitte reduziert den Fehler, der durch den Basisstrom eines Bipolartransistors entsteht. Fügt man in der Bipolarausführung einen Widerstand in der Mitte ein, der von der gemeinsamen Basis zur Masse führt, wird dieser Stromspiegel erheblich schneller.
Kaskode-Stromspiegel
Beim einfachen Stromspiegel besteht eine Abhängigkeit des Ausgangsstromes von der Ausgangsspannung aufgrund des endlichen Ausgangswiderstandes der Transistoren. Dieser Effekt kann durch Kaskodierung des Transistors auf der Ausgangsseite reduziert werden. Zur Arbeitspunkteinstellung wird auf der Eingangsseite ebenfalls ein Transistor eingefügt.
Wilson-Stromspiegel
Weitere Varianten sind der Wilson-Stromspiegel und der erweiterte Wilson-Stromspiegel. Letzterer umfasst vier Transistoren und bietet gegenüber dem Wilson-Stromspiegel eine verbesserte Linearität.

Um die Genauigkeitsanforderungen zu erfüllen, werden Stromspiegel möglichst symmetrisch aufgebaut, üblicherweise in quad-Layout oder common-centroid-Layout. In MOS-Stromspiegeln werden nur Gates gleicher Länge und gleicher Weite verwendet, das Spiegelverhältnis wird daher nur über die Anzahl der Transistoren festgelegt. Der Stromspiegel wird mit sogenannten Dummy-Gates umgeben, die eine gleichmässige Umgebung um den Stromspiegel erzeugen sollen. Für Anwendungen mit hohen Genauigkeitsanforderungen muss der Spannungsabfall über der Drain-Source-Strecke möglichst identisch sein und die Gate-Verbindung stromlos gehalten werden, ansonsten würde die Gate-Source-Spannung der verschiedenen Transistoren unterschiedlich sein, was zu großen Fehlern im Spiegelverhältnis führt.

Siehe auch

Konstantstromquelle

Literatur

  • Ulrich Tietze, Christoph Schenk: Halbleiter-Schaltungstechnik. 12 Auflage. Springer Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-540-42849-6.

Einzelnachweise

  1. Robert J. Widlar: US Patent Number 03320439; Beantragt 26. Mai 1965; Erteilt 16. Mai 1967

Weblinks


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