- Stufenwechsel
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Der Stufenwechsel (astevaihtelu) ist der regelmäßige Wechsel im Konsonantismus eines Wortes nach Quantität und Qualität. Dabei bedeutet Quantität in diesem Zusammenhang, dass sich die Länge des Konsonanten ändert, Qualität hingegen, dass sich die Art des Konsonanten ändert.
Der Stufenwechsel kommt in den Ostseefinnischen Sprachen (außer im Wepsischen), im Samischen und im Nganasanischen vor, und zwar sowohl in der Deklination der Substantive und Adjektive als auch in der Konjugation der Verben.
Im Finnischen und Estnischen werden zwei Stufen beim Stufenwechsel unterschieden, nämlich die starke und die schwache Stufe, das Samische kennt dagegen drei Stufen.
Inhaltsverzeichnis
Finnisch
Im Finnischen gibt es sowohl den quantitativen als auch den qualitativen Stufenwechsel:
Quantität
Bei dieser Art des Stufenwechsels ändert sich die Länge des Konsonanten, z. B. beim Wechsel vom Nominativ zum Genitiv:
- kk > k: kukka („die Blume“) > kukan („der Blume“)
- tt > t: tyttö („das Mädchen“) > tytön („des Mädchens“)
- pp > p: kauppa („das Geschäft“) > kaupan („des Geschäftes“)
Qualität
Bei dieser Art des Stufenwechsels ändert sich die Art des Konsonanten, oder dieser fällt ganz weg, z. B.:
- p > v: lupa („die Erlaubnis“) > luvan („der Erlaubnis“)
- t > d: pöytä („der Tisch“) > pöydän („des Tisches“)
- k > „ “: poika („der Junge“) > pojan („des Jungen“)
Estnisch
Das Estnische kennt genau wie das Finnische den quantitativen und qualitativen Stufenwechsel. Es unterscheidet sich jedoch vom Finnischen dadurch, dass dieser nicht zwei sondern (wie im Samischen) drei Stufen besitzt. Dies ist ein Widerspruch zu der oben gemachten Aussage! Was stimmt? Es ist kein Widerspruch. Es gibt wie im Finnischen den quantitativen und den qualitativen Stufenwechsel. Im Finnischen haben diese zwei Stufen, im Estnischen drei Stufen.
Quantität
Bei dieser Art des Stufenwechsels ändert sich die Länge des Konsonanten oder der Konsonant wechselt von fortis auf lenis, z. B. beim Wechsel vom Partitiv zum Genitiv:
- pp > p: seppa („Schmied“) > sepa („des Schmiedes“),
- ss > s: poissi („Junge“) > poisi („des Jungen“)
- k > g: auku („Loch“) > augu („des Loches“)
Qualität
Diese Art des Stufenwechsels hat zwei Unterarten, nämlich Konsonantenwechsel und Konsonantenausfall, z. B.:
- b > v: leiba („Brot“, Partitiv) > leiva („des Brotes“, Genitiv)
- b > „ “: tuba („das Zimmer“, Nominativ) > toa („des Zimmers“, Genitiv)
Samisch
Im Samischen ist der Stufenwechsel so komplex, dass hier nur einige Beispiele genügen sollen:
- bb > pp: oabbá („Schwester“) > oappá (Genitiv-Akkusativ)
- dd > tt: loddi („Vogel“) > lotti (Genitiv-Akkusativ)
- hk > g: johka („Fluss“) > joga (Genitiv-Akkusativ)
- hc > z: čeahci („Onkel“) > čeazi (Genitiv-Akkusativ)
- pm > m: sápmi („Samiland“) > sámi (Genitiv-Akkusativ)
- tn > n: latnja („Zimmer“) > lanja (Genitiv-Akkusativ)
Bei einigen Lautfolgen ist die schwache Stufe nicht kürzer sondern länger:
- ld > ldd: šaldi („Brücke“) > šalddi (Genitiv-Akkusativ)
- rf > rff: márfi („Wurst“) > márffi (Genitiv-Akkusativ)
Der Stufenwechsel tritt manchmal zusammen mit einem Wechsel im Vokalismus (Monophthongisierung) auf:
- oa > o und ht > đ: goahti („Samizelt“) > gođiin („in den Samizelten“)
Nganasanisch
Nganasanisch hat einen Stufenwechsel in Verbindung mit den Phonemen h, t, k, s und ś und den Nasalverbindungen nh [ŋh], nt, nk [ŋk], ns und ńś. Er richtet sich primär nach der Silbenzahl (gerade/ungerade) (Rhythmischer Stufenwechsel) und sekundär nach der Qualität der Silbe (offen/geschlossen) (Silbischer Stufenwechsel). Beide Stufenwechsel erfolgen sukzessiv, nie jedoch zweimal in derselben Silbe. Gerade bzw. offene Silben führen zur starken Stufe.
Dieses System wird von einigen Regeln modifiziert. So führen Vokalsequenzen stets zu einer schwachen Stufe der Folgesilbe. Sie zählen jedoch nur in der Stammsilbe (CVV-) doppelt (phonologisch), in anderen Positionen sind sie nur "einwertig", was wiederum Auswirkungen auf den Rhythmischen Stufenwechsel hat. Nach einem Konsonanten dagegen kann nur eine starke Stufe folgen, wobei hier auch von hypothetischen (Nullkonsonanten) C bzw. N ausgegangen wird, um irreguläre Stufenwechsel - von denen es eine ganze Reihe gibt - zu begründen.
Es existiert eine Verbindung zu einer als Nunation bezeichneten Erscheinung, bei der bei schwachstufigen Formen der starkstufige Nasal restituiert wird, sofern die vorhergehende Silbe aus einem (einzigen) Nasal plus Vokal(sequenz) besteht.
Auf dem Stufenwechsel beruht die Unterscheidung dreier ng. Stammvarianten ((S1) Nominativ Singular, (S2) Genitiv/Akkusativ Singular (~ Nominativ Plural), (S3) Genitiv Plural). S2 und S3 lassen sich - abgesehen von der Flexionsendung - jedoch nur aufgrund einer nicht immer auftretenden Änderung des Stammauslautvokals unterscheiden. S2 ändert/ergänzt seinen Stammauslautvokal nur bedingt, z.B. bei Konsonantstämmen.
Beispiele:
Wechsel Beispiel Bedeutung S1 > S2 (S2) > S3 h > b bahi > babi (babi-") > babi-" 'wildes Ren' t > δ ŋuta > ŋuδa (ŋuδa-") > ŋuδa-" 'Beere' k > g məku > məgu (məgu-") > məga-" 'Rücken' s > dj basa > badja (badja-") > badja-" 'Eisen' ŋh > mb koŋhu > kombu (kombu-") > komba-" 'Welle' nt > nd djintə > djində (djində-") > djindjü-" 'Bogen' ŋk > ŋg bəŋkə > bəŋgə (bəŋgə-") > bəŋgü-" 'Erdhütte' ns > njdj bənsə > bənjdjə (bənjdjə-") > bənjdji-" 'alle' Quellen
- Hans-Hermann Bartens: Lehrbuch der saamischen (lappischen) Sprache, Helmut Buske Verlag Hamburg, 1989, ISBN 3-87118-885-9, Seiten 22-27, 30-39
- Michael Katzschmann: Chrestomathia Nganasanica : Texte, Übersetzung, Glossar, Grammatik ; ... , BoD Norderstedt, 2008, ISBN 978-3837011210, S. 346 ff. (Stufenwechsel), 351 ff. (Nunation), 336 ff. (Stammklassen)
- Kauderwelsch Band 192, Samisch für Lappland Wort für Wort, ISBN 3-89416-360-7, Seiten 21-24
- Kauderwelsch Band 15, Finnisch Wort für Wort, 2002, ISBN 3-89416-014-4, Seiten 20-22
- Dr. Richard Semrau: Langenscheidts Praktisches Lehrbuch Finnisch, 1995, ISBN 3-468-26140-3, Seiten 58-59
- Kauderwelsch Band 55, Estnisch Wort für Wort, 2002, ISBN 3-89416-245-7, Seiten 52-54
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