- Superlearning
-
Die Suggestopädie ist eine vom Arzt und Psychologen Georgi Losanow (bulgarisch: ausgesprochen Losánov) seit den 1960er Jahren kommerziell verbreitete Lehrmethode, die aufgrund ihres pseudowissenschaftlichen Charakters in der Lehr-Lern-Forschung immer wieder kritisiert wird.
Kern der Methodik ist die Sammlung an sich bekannter Elemente der Lernpsychologie zu einer fassbaren Gesamtmethodik, in der dem Schüler eine hohe Selbstverantwortung für den Lernprozess und ein erheblich mehrdimensionaleres Lernerlebnis geboten und abverlangt wird, als im konventionellen Frontalunterricht, gegen dessen Verbreitung sich die Suggestopädie richtet.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
Unter den beiden Begriffen "Suggestopädie" und "Superlearning" sind vergleichbare Ansätze zu verstehen, die beide durch die Bereitstellung von visuellen, kinästhetischen und auditiven Reizen versuchen, den Lernvorgang gehirngerecht aufzubereiten und ganzheitlich zu gestalten.
Die Aspekte von Suggestopädie (mit Lehrer) und Superlearning (ohne Lehrer) widersprechen dem psychologischen Mainstream nicht grundsätzlich. So wird beispielsweise durch Lernspiele der Wettbewerbsgedanke in Kleingruppen einer Klasse gegeneinander ausgespielt, so dass die Motivationskonzepte sich von konventionellen Unterrichtsformen stark unterscheiden. Im Wechsel von Bewegung und Ruhe eines dramaturgisch abgestimmten Lernprozesses wird die Rolle von Entspannung für Informationsverarbeitung betont und gefordert, um den Wechsel von Anspannung- und Entspannungsphasen für Lernprozesse nutzbar zu machen.
Darüber hinaus werden Lernstrategien auch im Suggestopädischen Unterricht verwendet. So werden beispielsweise zunächst leere Wände von Seminarräumen durch den Einsatz von durch die Lernenden erstellten Lernplakaten visuell gestaltet, so dass die selbst erstellten Inhalte auch im laufenden Unterricht sichtbar bleiben und als periphere Stimuli dienen, wodurch diese Inhalte auch die Vertiefungsphase in der Unterrichtszeit unterstützen.
Unter dem Begriff Superlearning wurde eine mit Entspannung arbeitende Methode bekannt, die mit Lehrmedien wie Text und Audiofiles, jedoch ohne Lehrer arbeitet. Auch wenn der Begriff Superlearning nicht auf Losanow zurückgeht und einige Elemente der Suggestopädie hier nicht auftauchen, weisen die Ansätze dennoch Gemeinsamkeiten auf.
In Langzeituntersuchungen wurde seine suggestopädische Methode im Französischunterricht mit vier suggestopädisch ausgebildeten muttersprachlichen Lehrerinnen, die alle vier Gruppen abwechselnd gleichlang unterrichteten, empirisch untersucht. Durch den Lehrerwechsel konnte die individuelle Lehrkompetenz der Lehrperson ausgeschlossen werden. Die durch sechs unterschiedliche Tests ermittelten Ergebnisse zeigten, dass die Methode im Extensivunterricht von vier Stunden pro Woche keinen signifikanten Unterschied zu den Kontrollgruppen aufwies.
Dies war jedoch im Intensivunterricht von vier Stunden täglich der Fall und es konnte nachgewiesen werden, dass die Gruppe mit einer ständigen suggestopädischen Lehrerin signifikant den Gruppen mit den wechselnden Lehrerinnen überlegen war (Schiffler, 1998).
Für die Begründung der Wirksamkeit derartiger Methoden weder erforderlich noch hinreichend belegt sind dagegen anekdotische Berichte über angebliche Hypermnesien bei Fakiren und Yogis oder Frequenzbereiche, in denen das Hirn je nach Tätigkeit arbeite. Sie gehören jedoch zusammen mit den überzogenen Wirksamkeitsbehauptungen zum pseudowissenschaftlichen Kontext der Methoden.
Entwicklung
Losanow entwickelte mit Hilfe dieser Erkenntnisse ein methodisches System zur Vermittlung von Lehr- und Lerninhalten im o. a. suggestopädischen Kreislauf. Er legte großen Wert auf dessen Abfolge, deren Einhaltung und die durch die o. a. Konzertphasen ausgelöste Entspannung. Wie gesagt, die wichtigste Rolle spielt für ihn die Lehrperson und deren Integrität, umfassende Bildung und Verantwortung für das Wohlergehen der Gruppe und die Förderung des Lernprozesses.
Von ebenso großer Bedeutung sind für Losanow künstlerische Elemente im Lernprozess, besonders in den Phasen, in denen die Lernenden den neu angeeigneten Stoff festigen (Integration und Transfer). In der Integration, dem Abschluss eines mit einem Lernkonzert begonnenen suggestopädischen Kreislaufs, machen sich die Lernenden den Stoff in künstlerischer Form selbst verfügbar. Oft entstehen dabei ein kleines Theaterstück, ein gemeinsames Bild oder Poster, ein Gemeinschaftsprojekt z. B. Interviews, "globale Simulation", oder sogar eine "Opernaufführung". Ein ganzheitliches Bild entsteht, „eine geschlossene Gestalt“. Mit diesem Element leistet die Suggestopädie auch einen wichtigen Beitrag zum Thema Transfer (Aktivierung des Gelernten in veränderten Lernsituationen) von Unterrichtsinhalten.
Suggestion und Desuggestion
Losanow wurde im Laufe seiner Untersuchungen auf das Phänomen der Hypermnesie (abnorme Gedächtnissteigerung) aufmerksam. Ursprünglich befasste sich Losanow mit Fremdsprachenunterricht, weil dieser über die Anzahl gelernter Vokabeln eine einfache Nachweismethode der Hypermnesie darstellte. Die Hypermnesie erreicht der Lehrer durch Suggestion und Desuggestion. Damit ist der Lehrer das zentrale Moment der Methode. Suggestion und Desuggestion erfolgt u. a. dadurch, dass der Lehrer den Lernenden in einen Entspannungszustand versetzt, was diesem ein völlig neuartiges Lernen ermöglicht. In den Zustand der Entspannung führen die beiden einleitenden Konzertphasen, die mit klassischer und barocker Musik gestaltet werden. Suggestion und Desuggestion soll schließlich den Lernenden in dem Gefühl bestärken, dass der Lehrer von dessen Lernerfolg überzeugt ist. Desuggerieren bedeutet dabei soviel, dass der Lehrer durch sein Verhalten und die Methode erreicht, die Lernbarrieren zu überwinden, die der Lernende durch seine bisherige Lernenerfahrung im konventionellen Frontalunterricht aufgebaut hat.
Elemente der Suggestopädie
Kernelemente
- Motivation: negative Selbsteinschätzung wird entschärft, die positive Selbsteinschätzung gefördert
- Musik: sie wird als Katalysator für die Langzeitspeicherung von Wissen eingesetzt (Besonders geeignet: Barockmusik, u. a. Largo-Sätze von Bach oder Vivaldi). Die von Losanow eingesetzte klassische Musik hat sich in der Folgezeit nicht durchgesetzt. Der Grund ist wohl, dass die korrekte Original-Aussprache verzerrt wurde und somit keine Lernvorbild sein konnte.
- Spiele: Lernspiele und spontane zwischenmenschliche Aktionen fördern die Speicherung von Wissen
- Mentale Auseinandersetzung: kritische Auseinandersetzung mit dem Lernstoff fördert das analytische Denken und trainiert die kognitiven Fähigkeiten
- Abwechslung: dramaturgisch stimmige Phasen von geistiger Angeregtheit und Konzentration mit aktiven Spielmomenten helfen Anspannung zu vermeiden
- Gruppenarbeit, Partner- und Kleingruppenarbeit fördern den Austausch und das gemeinsame Erleben.
- Stimuli: periphere Stimuli (zumeist Lernplakate an den Wänden oder NLP-Anker) unterstützen durch unbewusste Aufnahme von Lernstoff die Behaltensrate.
- Raumgestaltung: Licht,Temperatur, Tischanordnung, Farbgebung und Geruch können die Lernleistung beeinflussen. Die Suggestopädie nutzt diese Erkenntnisse.
- Metaphern und Geschichten, vor allem in der Form der Stoffvermittlung: sie vereinfachen die Darstellung auch komplexer Inhalte und erhöhen die Behaltensleistung.
- Künstlerische Elemente: Der einzelne macht sich den erlernten Stoff in künstlerischer Form verfügbar, fügt ihn also in sein eigenes System der Weltwahrnehmung und des Selbstausdrucks ein. Das so nachhaltig gefestigte Wissen steht so dem Transfer eher zur Verfügung.
Spielpädagogik
Parallelen zur Spielpädagogik in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen lassen sich aus der zunehmenden Akzeptanz von Unternehmenstheater und Improvisationsarbeit in Rollenspielen der betrieblichen Weiterbildungspädagogik erkennen. Nach Müller-Rolli, 1988 ist die Spielpädagogik ein junger Ansatz pädagogischer Arbeit mit den Medien Spiel und Theater und legt ihren Schwerpunkt auf Kurzzeitprojekte, in denen mehr Wert auf den Prozess des Spielens gelegt wird als auf das künstlerische Endprodukt. In diesem Prozess lassen sich soziale Lerninhalte durch kontextbezogene Aufgaben aus dem Unternehmenumfeld erarbeiten.
Unterrichten nach diesem Prinzip bedeutet zunächst einmal einen erheblichen Mehraufwand an Vorbereitung. Damit sich dieser Mehraufwand lohnt, sollten mindestens zwei Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen. Besonders für den Intensivunterricht mit mehreren Stunden am Tag, möglicherweise sogar mehrere Tage oder Wochen hintereinander, ist dieses Verfahren unabdingbar, um einer Überforderung der Lernenden vorzubeugen. Deswegen findet sich die Methodik vor allem in Langzeitmaßnahmen wie Sprachkursen, Umschulungen und intensiven Weiterbildungen wieder.
Kritik
Kritiker der Suggestopädie weisen darauf hin, dass im Rahmen suggestopädischer Lehrmaterialien und Seminare häufig aus der Forschung bekannte Effekte (z.B. Entspannungstechniken wie die progressive Muskelrelaxation oder der als Pygmalion-Effekt bekannte Glaube des Lehrers an den Erfolg des Schülers) mit überzogenen Wirkungsversprechen kombiniert werden (vgl. Lukesch, 2000). Hinzu kommen oft wirtschaftliche Motive. Ballstaedt (2005) fasst die Kritik wie folgt zusammen: "Sie wollen die Angst vor den Anforderungen des Lernens nehmen und damit Geld verdienen. Im Milieu der ‚Demiscience‘ angesiedelt, bieten die Theoreme und Praktiken zwar nicht nur Unsinn, aber sie können ihre Versprechen nicht halten (Lukesch 2000). Theoretisch greifen sie meist in simpler Form auf die Gehirnforschung zurück (zum Beispiel die Hemisphärenspezialisierung), Empirisch lassen sich die Erfolge nicht bestätigen."[1]
In kritischen Veröffentlichungen zur Suggestopädie in wissenschaftlichen Fachzeitschriften mit Peer-Review-Verfahren wird daher unabhängig von einer etwaigen Wirksamkeit der Methoden die Pseudowissenschaftlichkeit als Hauptkritikpunkt herausgestellt. Kennzeichen von Pseudowissenschaft ist, dass die Einhaltung wissenschaftlicher Standards nur vorgegeben wird. Zudem weisen Kritiker der Suggestopädie darauf hin, dass die behaupteten spektakulären Wirkung der Methode experimentellen Replikationsversuchen nicht standgehalten haben (vgl. Lukesch, 2000; Beitinger, Mandl & Renkl 1993; Dieterich 1987 und Edelmann 1991[2]). Die eindrucksvollen Ergebnisse Lozanows empirischer Kurzzeitexperimente (300, 500 und 1000 Vokabeln in mehreren Stunden), die das Renommee seiner Suggestologie und Suggestopädie begründeten und angeblich zur Unterstützung durch die Unesco führten, konnten von ihren Kritikern nicht repliziert werden.
Den vielfältigen, in Fachzeitschriften mit Peer-Review-System publizierten negativen Bewertungen aus Sicht der psychologischen Lehr-Lern-Forschung stehen positive Bewertungen durch den Fremdsprachen-Didaktiker Ludger Schiffler gegenüber (Schiffler, 1989). Dieser will auch bei einigen Probanden eine hypermnetisch zu nennende Lernleistung festgestellt haben (Schiffler, 2002).
Ausbildung
Es existiert die DGSL (Deutsche Gesellschaft für Suggestopädisches Lehren und Lernen), die einen gesetzlich nicht geschützten Abschluss als Suggestopäde DGSL verleiht. Kritiker weisen darauf hin, dass diese Ausbildung in keiner Weise in universitären Strukturen im Rahmen der Lehr-Lernforschung verankert ist. [3].
Quellen
- ↑ Ballstaedt, S.-P. (2005). Kognition und Wahrnehmung in der Informations- und Wissensgesellschaft In: Kübler, H.-D. & Ellring, E. (2005).Wissensgesellschaft: Neue Medien und ihre Konsequenzen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
- ↑ Zeitschrift für Pädagogische Psychologie Nr. 2+3/2000
- ↑ Lukesch, H. (2000): Lernen ohne Anstrengung? Der Sirenengesang der geheimen Verführer. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie. 14 (2/3). 59-62
Literatur
- Rupprecht S. Baur: Superlearning und Suggestopädie. Anregungen - Kritik - Perspektiven, Langenscheidt, München 1991
- Walter Edelmann: Suggestgopädie/Superlearning, Heidelberg, Ansanger 1998
- Claudia Grötzebach (Hrsg.): Trainieren mit Herz und Verstand. Einführung in die suggestopädische Trainingspraxis, Gabal, Offenbach 2006
- Jeremy Harmer: The Practice of English Language Teaching, 3rd Edition. Person Education Limited, 2001
- Georgi Lozanow: Suggestopaedia, Gordon & Breach Science Publishers, Philadelphia, Tokyo, Paris, 1971
- Georgi Lozanov: Suggestopaedia - Desggestive Teaching Communicative Method on the Level of the Hidden Reserves of the Human Mind, http://dr-lozanov.dir.bg/book/start_book.htm 4/30/2006
- H. Lukesch: Lernen ohne Anstrengung? Der Sirenengesang der geheimen Verführer, in: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie. 14 (2/3), 2000, S. 59-62
- Josef Meier: Mehr Freude und Erfolg beim Englischlernen mit innovativen Lern- und Mentaltechniken, IBS, München 1999
- Katja Riedel: Persönlichkeitsentfaltung durch Suggestopädie. Grundlagen der Schulpädagogik, Schneider, Hohengehren 2000
- Ludger Schiffler: Suggestopädie und Superlearning - empirisch geprüft. Einführung und Weiterentwicklung für Schule und Erwachsenenbildung, Diesterweg, Frankfurt am Main 1989
- Ludger Schiffler: Fremdsprachen effektiver lehren und lernen - Beide Gehirnhälften aktivieren. Auer, Donauwörth 2002
- Ludger Schiffler: Interhemispheric Foreign Language Learning - Activating Both Sides of the Brain, http://www.ludger-schiffler.de, 2003
Weblinks
Wikimedia Foundation.