Talk Radio

Talk Radio

Talkradio (engl. Talk radio) ist ein Hörfunkformat, das einen hohen Wortanteil besitzt und häufig auf politische oder gellschaftliche Diskussionen, aber auch auf Lebensberatung ausgerichtet ist. In der Regel finden Live-Gespräche mit Studiogästen und/oder anrufenden Zuhörern statt, wobei in letzterem Fall auch von Call-In-Sendungen gesprochen wird.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits in den 50er Jahren übertrugen zahlreiche US-Radiostationen vereinzelte Talksendungen, bevor im Jahr 1960 in St. Louis mit KMOW erstmals ein Sender entstand, in dem solche Sendungen einen überwiegenden Anteil einnahmen. Unter dem Namen „Conversation“ startete beim Sender KABC das erste absolut "reine" Talkradio in Kalifornien im Jahr 1961. In den Folgejahren entstanden immer mehr solche Talkradios, da für sie im Gegensatz zu Musikformaten keine Stereoqualität nötig schien und somit auch Mittelwellen-Stationen diesen Trend wohlwollend vorantrieben.

In Anbetracht ihrer Abhängigkeit von Werbeeinnahmen erwies es sich als Problem der Talkradios, dass ihre Hörergemeinde nur sehr langsam wuchs. Während hingegen Musiksender kaum Anlaufzeit benötigten, erreichten Talkradios zufriedenstellende Einschaltquoten erst nach drei bis sechs Jahren. Als vollkommen unrentabel stellten sich zunächst solche Formate heraus, die sich mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen beschäftigten, da sie ein relativ kostspieliges Redaktionswesen beschäftigen mussten. Um dennoch wirtschaftlich arbeiten zu können, schlossen sich einige Stationen zu Netzwerken zusammen. Von diesen konnten schließlich kleinere lokale Sender Programmteile übernehmen.

Von diesen Zusammenschlüssen profitierte insbesondere die Talksendung „Night Call“, die zu einem der bekanntesten Markenzeichen wurde. „Night Call“ wurde ab 1968 über ein Netzwerk von 85 Stationen verbreitet. Mitgestaltet von der Methodistenkirche, behandelte diese Sendung neben Themen wie Sexualität und Lifestyle gezielt Probleme zwischen Weißen und Farbigen, um bessere Verständigung zu erreichen.

Heutige Verbreitung

Talkradio ist vor allem in den USA populär und dort inzwischen fast so stark segmentiert wie die Musiksender. Angeboten werden dort zahlreiche Unterformate, von kontroversen politischen Themen bis hin zur psychologischen Lebensberatung. Bekannte Radio-Talkmaster sind dort unter anderem Rush Limbaugh und Howard Stern.

Die in den US-Talkradios behandelten Themen sind nach wie vor sehr vielfältig. Bei einigen Sendern nimmt dies etwa folgende Gestalt an: Vor- und nachmit-tags unterhalten sich Talkjockeys und Anrufer meistens über Politik (teils mit kommunalem Bezug) sowie über medizinische und psychologische, seltener auch über technische Themen. Abends geht es dann vor allem um Klatsch und je mehr es Nacht wird, desto eindringlicher wird das Talkradio auch zur Besprechung von Beziehungsproblemen oder gar zur sexuellen Kontaktanbahnung genutzt. Am Wochenende dominieren Freizeitthemen wie Auto, Garten, Tiere und Sport. Gastgeber sind meist lokale Moderatoren, auf Netzwerk-Ebene jedoch oftmals auch Experten wie Mediziner, Psychologen oder Finanzberater.

In Deutschland hat sich dieses Format bei den Mainstream-Sendern nur insoweit durchgesetzt, als die Call-In-Sendung Domian des Radiosenders Eins Live von dienstags bis samstags um 1 Uhr nachts gesendet wird und hierbei seit 1995 ein - für diese Sendezeit - sehr hohes Publikum erreicht. Letzteres liegt vor allem daran, dass dieses Format "bi-medial", also parallel zum Radio auch im WDR-Fernsehen ausgestrahlt wird. Als Grund für die insgesamt geringe Etablierung von Talkradios in Deutschland ist die im Vergleich zu den USA eher flüchtigere Hörermentalität zu vermuten: Die geringere Verweildauer der Hörer und die hauptsächliche Nutzung des Radios als Situativ-Medium („nebenbei“) lassen keine intensive Beschäftigung mit dem Inhalt zu.

Deutschsprachige Hörfunksender mit einem hohen Wortanteil sind öffentlich-rechtliche Informationsprogramme wie beispielsweise Deutschlandfunk, WDR 5, SWR cont.ra, Ö1 oder MDR Info, die in der Regel werbefrei und deshalb nicht auf hohe Einschaltquoten angewiesen sind. Die Inhalte sind jedoch nur zu geringem Anteil von Studiogesprächen oder Telefonaten mit Hörern geprägt; die Programme sind deshalb keine Talkradios im eigentlichen Sinn. Ähnliches gilt In den USA für entsprechende wortlastige Programme beim National Public Radio.

Anrufermotive

Es gibt zahlreiche Untersuchungen zu Motiven von Talkradio-Anrufern in den USA: Laut der Untersuchung von Turow (1974) wollten die Anrufer sozialer Isolation entkommen, sich mittels medialer Kommunikation mit anderen Menschen verbunden fühlen. Anderweitig gelinge es ihnen kaum, Zugehörigkeit zur Gesellschaft aufzubauen. Anrufer dieses Typus sind meist älter, ärmer, weniger mobil und sozial weniger integriert als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dass oftmals Einsamkeit zugrunde liegt, bestätigen auch Bierig und Dimmick (1979), die Turows Ergebnisse mit einer noch größeren Stichprobe untermauern. Insbesondere der Anteil Verheirateter ist laut Dimnick unter Talkradio-Anrufern geringer als im Bevölkerungsdurchschnitt (das Nicht-Verheiratetsein war in dieser Studie ein zentraler Indikator für Einsamkeit).

Verfilmung

Nach dem Radioformat benannte Eric Bogosian ein Theaterstück über den Mord an einem Talkmaster; als Vorlage diente ein authentischer Fall. Oliver Stone verfilmte das Stück 1988 mit Bogosian in der Hauptrolle unter dem Titel Talk Radio.

Literatur

  • Paasch, Rolf: Konservative Rededuelle auf der Kurzwelle. In: Frankfurter Rundschau. Jg. 50, 1994, Nr. 274. S. 12.
  • Rubin, Allan und Rebecca: Call-in Talk Radio in den USA. In: Rundfunk und Fernsehen. Jg. 40, Nr. 3 / 1992. S. 386-397.
  • Schwelien, Michael: Volkes Stimme – Stimme des Hasses. In: Die Zeit, Jg. 50, 1995, Nr. 24. S. 49.

Siehe auch


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