- Telefonseelsorge Deutschland
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Die Telefonseelsorge (syn. 'Telefon-Seelsorge') ist in Deutschland ein Seelsorgeangebot in Verantwortung der Evangelischen und der Katholischen Kirche. Sie ist telefonisch aus dem deutschen Festnetz und dem Mobilfunknetz rund um die Uhr unter den bundeseinheitlichen gebührenfreien Rufnummern 0800 1110111 oder 0800 1110222 sowie 116 123 erreichbar, außerdem im Internet per Web-Mail und Chat über www.telefonseelsorge.de. Als einzige Einrichtung in Deutschland bietet sie Tag und Nacht flächendeckend ein telefonisches Gesprächsangebot für Menschen in Krisen an.
Entwicklung in Deutschland
Drei Jahre nach der ersten Telefonseelsorge in London gründete sich in Deutschland Mitte der 50er Jahre die Telefonseelsorge Berlin (6. Oktober 1956), es folgten Kassel (8. Februar 1957) und Frankfurt/M. (1. Oktober 1957). Am 16. September 2006 feierte die TelefonSeelsorge Deutschland ihr 50jähriges Bestehen. In Deutschland haben sich zwei Dachverbände der beiden Konfessionen entwickelt: die evangelische und die katholische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür, die in der gemeinsamen evangelisch-katholischen Kommission die Zusammenarbeit der 105 deutschen (davon 66 ökumenischen) TelefonSeelsorge-Stellen organisieren. Nach Angaben der Evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge in Berlin nutzten im Jahr 2009 rund 2 Mio. Anrufer und Anruferinnen die Telefonseelsorge in Deutschland.
Grundsätze
- Anonymität: Niemand, der anruft, wird nach seinem Namen gefragt. Jede und jeder kann anonym bleiben. Die Rufnummer der Anrufenden erscheint in keinem Display. Das Telefonat ist gebührenfrei und hinterlässt keine Datenspur im Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung. Auch die Telefonseelsorger bleiben anonym.
- Verschwiegenheit: Alle Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht. Sie verpflichten sich, Inhalte der Gespräche nicht nach außen dringen zu lassen.
- Erreichbarkeit: Die Telefonseelsorge-Stellen sind Tag und Nacht bundesweit erreichbar, auch an Wochenenden und Feiertagen.
- Kompetenz: Die Mitarbeiter der Telefonseelsorge werden ausgewählt, ausgebildet, kontinuierlich weitergebildet und durch regelmäßige Supervision von Fachleuten begleitet.
- Offenheit: Die Telefonseelsorge ist offen für alle Problembereiche, für alle Anrufenden in ihrer jeweiligen Situation. Sie ist da für alle Anrufenden – unabhängig von Konfession und Weltanschauung, von Nationalität, von Rasse oder Geschlecht.
- Gebührenfreiheit: Für die Ratsuchenden entstehen keine Kosten. Die anfallenden Telefongebühren übernimmt die Deutsche Telekom AG als Partner der TelefonSeelsorge. Im Internet fallen lediglich die eigenen Verbindungskosten der Ratsuchenden an.
Seelsorge und Beratung im Internet
Auch im Internet hat die Telefonseelsorge Deutschland Pionierarbeit geleistet. Sie bietet neben Gesprächen am Telefon auch Seelsorge per Web-Mail und Chat an. Schon 1995 waren die ersten Stellen der TelefonSeelsorge im Internet vertreten, somit gehört die Telefonseelsorge zum ältesten Beratungsdienst im deutschsprachigen Internet. Mit über 300 Internetberatern in rund 35 Stellen stellt die Telefonseelsorge auch im Internet eine zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Problemen und in Krisen dar. So werden nun auch Ratsuchende erreicht, die nach ihren eigenen Angaben nicht anrufen würden, weil es eine zu große Hürde darstellt, die eigene Stimme beim Besprechen der Probleme zu nutzen. Das Internet erleichtert somit den Zugang zu dieser Hilfseinrichtung noch mehr als zuvor das Telefon.
Ehrenamtliche Mitarbeit
Das telefonische Seelsorgeangebot ist als 24-Stunden-Dienst nur durch die Mitarbeit von deutschlandweit über 8000 Ehrenamtlichen möglich. Durch deren Engagement gelingt es der Telefonseelsorge bereits seit einigen Jahrzehnten, rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres für Gespräche zur Verfügung zu stehen. Die Ehrenamtlichen erklären sich zu Beginn der Ausbildung bereit, nach ihrer Ausbildung eine Mindestzahl (meist 2) von Jahren mitzuarbeiten. Die größte Zahl der Freiwilligen bleibt jedoch weit länger im Dienst. In manchen Stellen gibt es Ehrenamtliche, die 40 Jahre und länger dabei sind. Über 300 Mitarbeiter arbeiten neben dem Telefondienst auch noch im Internet mit.
Organisation in Deutschland
Die älteste deutsche Einrichtung dieser Art, die Telefonseelsorge Berlin, ist kirchlich nicht gebunden und finanziert sich größtenteils über private Spenden. Ansonsten wird die Telefonseelsorge in Deutschland vorwiegend von der evangelischen und katholischen Kirche getragen. Dies geschieht derzeit in 105 selbständigen TS-Stellen durch über 8000 ehrenamtliche und etwa 350 hauptamtliche Mitarbeiter.
Grundsätzlich sind die Stellen der Telefonseelsorge deutschlandweit unter folgende Rufnummern zu erreichen:
- 0800 1110111[1][2] - Evangelische Telefonseelsorge[3]
- 0800 1110222[1][2] - Katholische TelefonSeelsorge[3]
Rechtlich sind die Stellen unterschiedlich konzipiert. Zum Teil sind die Telefonseelsorge-Stellen der Kirchen Dienststellen von Landeskirchen oder Diözesen, die selbst Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Häufig werden sie in der Form eines eingetragenen Vereins (e. V.) geführt. Als Träger fungieren insgesamt unterschiedliche Rechtsträger: Landeskirchen, Diözesen, Dekanate, Kirchenkreise vereinzelt auch Verbände der Diakonie und Caritas. Finanziert wird die TelefonSeelsorge überwiegend aus Mitteln der Kirchensteuer. Hinzu kommen Spenden und vereinzelt in wenigen Stellen staatliche Zuschüsse. In Deutschland gibt es zwei Dachverbände der Telefonseelsorge entsprechend den beiden Konfessionen: Die Evangelische und die Katholische Konferenz für TelefonSeelsorge und Offene Tür. Beide zusammen bilden die Evangelisch-katholische Kommission für Telefonseelsorge und Offene Tür. Dieses gemeinsame Gremium entscheidet unter anderem, welche Stellen im Verbund der Telefonseelsorge mitarbeiten, die gebührenfreien Telefonnummern in ihrem Einzugsbereich nutzen und den markenrechtlich geschützten Namen „TelefonSeelsorge“ tragen dürfen.
Qualitätssicherung
Sowohl die technischen Bedingungen als auch das Anrufverhalten von Menschen und ihre Probleme verändern sich im Laufe der Zeit. Um die Qualität der Arbeit zu gewährleisten, muss somit eine ständige Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit stattfinden. Dies findet auf Verbandsebene unter anderem durch internationale oder nationale Kongresse, Weiterbildungen und Fachtagungen der Mitarbeiter statt. In den Stellen vor Ort oder bei regionalen und überregionalen Treffen werden hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiter regelmäßig weitergebildet und supervidiert. Darüber hinaus gibt es nationale und internationale Standards zur Auswahl, Aus- und Weiterbildung sowie Supervision der Mitarbeiter.
Anonymität und Datenschutz
Seit der Digitalisierung des Telefonnetzes setzen sich die Verantwortlichen der Telefonseelsorge Deutschland aktiv mit den Fragen des Datenschutzes auseinander, um für die Anonymität und Sicherheit der Ratsuchenden wirksam eintreten zu können. So stellen der mögliche Einzelverbindungsnachweis und das Internet große Herausforderungen für eine anonyme Beratung dar. Auch auf politischer Ebene hat sich die TelefonSeelsorge diesbezüglich mit Erfolg eingesetzt. Mittlerweile wird der anonyme und unbeobachtbare Zugang zum telefonischen Beratungsangebot sogar durch ein Bundesgesetz (§ 97 des Telekommunikationsgesetzes in der aktuellen Fassung von Juni 2004 TKG) gewährleistet. Darüber hinaus hat die Telefonseelsorge aber auch bei der Online-Beratung ein umfassendes Sicherheitskonzept realisiert und das Sewecom-Projekt für sichere Internetkommunikation mit initiiert. Die staatlichen Gesetze von Bund und Ländern gelten bei der TelefonSeelsorge nicht unmittelbar, da dieser Bereich von den Kirchen eigens geregelt wird (kirchlicher Datenschutz). Zuständig sind somit die Datenschutzbeauftragten der örtlichen kirchlichen Träger.
Persönliche Beratung am Ort / Offene Türen
Seelsorge per Telefon oder per Mail und Chat hat ihre medial bedingten Begrenzungen. Nach einem Gespräch mit einer Telefonseelsorgerin kann es sinnvoll sein, sich darüber hinaus persönlich zu einem Beratungsgespräch zu treffen und vielleicht sogar eine Zeitlang bei Veränderungsprozessen qualifiziert begleitet zu werden. In einigen Telefonseelsorge-Stellen gibt es eine solche Möglichkeit für eine persönliche Beratung.
In manchen deutschen Städten ist es außerdem möglich das Beratungsangebot der "Offenen Türen" zu nutzen. Das sind Beratungseinrichtungen, die eng mit der Telefonseelsorge zusammenarbeiten oder direkt einer Stelle angegliedert sind. Sie bieten im unmittelbaren Kontakt Beratung, Krisenbegleitung und Seelsorge für Menschen in seelischen, religiösen und sozialen Nöten. Ebenso wie bei den anderen Angeboten der Telefonseelsorge werden die Gespräche absolut vertraulich behandelt und auch hier besteht die Möglichkeit, bezüglich des eigenen Namens anonym zu bleiben.
Ausbildung der Ehrenamtlichen
Die Ausbildung zur ehrenamtlichen Telefonselsorgerin findet in den Stellen vor Ort entsprechend den Rahmenrichtlinien der Dachverbände statt. Vor der Ausbildung wird ein Auswahlverfahren durchgeführt, das Einzelgespräche und Gruppenverfahren enthalten kann. Die Ausbildung dauert in der Regel zwölf bis 18 Monate und beinhaltet Selbsterfahrung als Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen und Lebensthemen und befasst sich mit Gesprächsführung in einem helfenden Gespräch. Die fachlichen Schwerpunkte (tiefenpsychologisch, gestalttherapeutisch, systemisch usw.) können in den einzelnen Stellen differieren. Fachliche Basis der Ausbildung ist dabei insgesamt die klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers und die darin formulierte förderliche Grundhaltung für ein helfendes Gespräch. Die fachlich fundierte Ausbildung in Gesprächsführung und die supervisorische Begleitung und Weiterbildung macht die Tätigkeit bei der TelefonSeelsorge für viele Menschen interessant. Jährlich werden von der Telefonseelsorge ca. 1000 Menschen zu Telefonseelsorgern neu ausgebildet.
Einzelnachweise
- ↑ a b Die Deutsche Telekom übernimmt die Kosten der Telefonverbindung und sorgt für eine Verteilung der Anrufe nach regionaler Nähe.
- ↑ a b Aus dem Ausland ist diese Nummer nicht erreichbar. Für deutschsprachige Notleidende im nichtdeutschsprachigen Ausland existiert momentan kein Auffangsystem.
- ↑ a b In vielen deutschen Städten und Regionen bieten die beiden großen Konfessionen ein gemeinsames Angebot unter den Nummern -111 und -222.
Literatur
- Clemens Müller-Störr: Subjektive Krisentheorien in der Telefonseelsorge. Schöppe & Schwarzenbart. Tübingen 1992. ISBN 3-928111-01-9
- Ingo Habenicht: Telefonseelsorge als Form intentionaler Seelsorge. Geschichte, Phänomenologie und Theologie. Eine Untersuchung zum Selbstverständnis der Telefonseelsorge aus poemenischer Perspektive. Hamburg, Kovac 1994. ISBN 3-86064-184-0
- Klaus-Peter Jörns: Telefonseelsorge - Nachtgesicht der Kirche. Ein Kapitel Seelsorge in der Tele-Kultur. Neukirchner. Neukirchen-Vluyn 1994. ISBN 3-7887-1505-7
- Jörg Wieners: Handbuch der Telefonseelsorge. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 1995. ISBN 3-525-62348-8
- Traugott Weber (Hg.): Handbuch Telefonseelsorge,Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen ²2006, ISBN 3-525-62386-0
- Monika Maaßen, Thomas Groll, Hermann Timmerbrink: Mensch versteht sich nicht von selbst - Telefonseelsorge zwischen Kommunikationstechnik und Therapie Kommunikationsökologie. Bd. 5. LIT Verlag. Münster 1999. ISBN 3-8258-3539-1
- Frank van Well: Psychologische Beratung im Internet. E. Ferger-Verlag.B ergisch Gladbach 2000.
- Cordula Eisenbach-Heck, Traugott Weber: Sechs Jahre "Telefonseelsorge im Internet". Ein Bericht über die Entwicklung der E-Mail-Beratung. In: Elmar Etzersdorfer, Georg Fiedler, Michael Witte (Hrsg.): Neue Medien und Suizidalität - Gefahren und Interventionsmöglichkeiten. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2003. S. 73-86. ISBN 3-525-46175-5
- Joachim Wenzel: Vom Telefon zum Internet. Onlineberatung der Telefonseelsorge. In: Bauer, Stephanie / Kordy, Hans: E-Mental-Health. Neue Medien in der psychosozialen Versorgung. Heidelberg 2008. S. 89-103. ISBN 978-3-540-75735-1
- Joachim Wenzel: Vertraulichkeit und Anonymität im Internet. Problematik von Datensicherheit und Datenschutz mit Lösungsansätzen. In: Elmar Etzersdorfer, Georg Fiedler, Michael Witte (Hrsg.): Neue Medien und Suizidalität - Gefahren und Interventionsmöglichkeiten. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2003. S. 56-70. ISBN 3-525-46175-5
- Birgit Knatz, Bernard Dodier. Hilfe aus dem Netz. Theorie und Praxis der Beratung per E-Mail. Stuttgart 2003. Klett-Cotta-Verlag. ISBN 3-608-89720-8
- Helmut Harsch: Theorie und Praxis des beratenden Gesprächs: Ausbildungskurs der Evangelischen Telefonseelsorge München. München 1973.
- Chad Varah: Samariter. Hilfe durchs Telefon. Stuttgart 1966.
- Erich Stange: Telefonseelsorge. Kassel 1961.
Weblinks
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