- Thermo-mechanische Ermüdung
-
Als thermo-mechanische Ermüdung (englisch thermo-mechanical fatigue) wird die Überlagerung einer mechanischen Ermüdungsbelastung (siehe Materialermüdung) mit einer zyklischen thermischen Belastung bezeichnet. Bei der Auslegung und Konstruktion von Gasturbinen und Turbinen für Flugzeuge ist thermo-mechanische Ermüdung ein wichtiger Punkt.
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Für thermo-mechanische Ermüdung wird, auch im deutschen Sprachgebrauch, häufig die Abkürzung des englischen Begriffs thermo-mechanical fatigue (TMF) verwendet. Eher selten findet man in der Literatur die deutsche Abkürzung TME.
Abgrenzung der Thermo-mechanischen Ermüdung
Herkömmliche Materialermüdung ist die zyklische, mechanische Belastung des Materials bei isothermen Verhältnissen (konstanter Temperatur), die schließlich zum Verlust von Festigkeit und zum katastrophalen Materialversagen durch Bruch führen kann.
Thermische Ermüdung ist die zyklische Belastung des Materials durch Temperaturänderungen ohne Krafteinwirkung. Das Materialversagen tritt hierbei durch das Auftreten von Thermospannungsgradienten ein.
Werden nun zyklische thermische und zyklische mechanische Belastung gekoppelt, so spricht man von thermo-mechanischer Ermüdung, die eine große Bedeutung bei Konstruktion und Auslegung von thermisch und mechanisch belasteten Bauteilen hat.
Grundlagen
Ein Bauteil, wie auch eine Probe unter thermo-mechanischer Belastung unterliegt zugleich einer zyklischen mechanischen Dehnung εmech, z. B. durch Fliehkräfte, und der zyklischen thermischen Dehnung εtherm. Das Material unterliegt somit der folgenden Gesamtdehnung εtotal
εtotal = εmech + εtherm
Typen der thermo-mechanischen Ermüdung
Zwischen der zyklischen thermischen und mechanischen Belastung kann eine Phasenverschiebung δ existieren, die die Ermüdungslebensdauer sowie die plastische Verformung merklich beeinflusst. Anhand der Phasenverschiebung unterscheidet man mehrere Fälle eines thermo-mechanischen Versuches:
- In-Phase-Test (IP): δ= 0°, d. h. die Probe erfährt gleichzeitig eine Dehnung durch eine Zugkraft, wie auch eine thermische Ausdehnung durch Erwärmen
- Out-Of-Phase-Test (OP, manchmal auch OOP): δ= 180°, d. h. die Probe erfährt gleichzeitig eine Stauchung durch eine Druckkraft, wie auch eine thermische Ausdehnung durch Erwärmen
- Clockwise-Diamond-Test (CD): δ= 90°, dies ist der klassische CD-Test
- Counter-Clockwise-Diamond-Test (CCD): δ= -90°, dies ist der klassische CCD-Test
- im Allgemeinen kann jeder TMF-Test mit [0°, 180°] als CD- bzw. CCD-Test betrachtet werden
Die größte Materialbelastung tritt hierbei beim OP-Test auf, sodass hier die Ermüdungslebensdauer in den meisten Fällen am geringsten ist, verglichen mit (C)CD- und IP-Test. Die Lebensdauern von IP-, OP- bzw. verschiedener (C)CD-Tests sind nicht miteinander oder mit isothermen bzw. thermischen Ermüdungstests vergleichbar, da die Belastungen auf das Material sehr komplex und nicht vorhersehbar ist.
Ein Bauteil (z. B. Turbinenschaufel) kann in verschiedenen Bereichen mehreren Arten von thermo-mechanischer Belastung ausgesetzt sein (z. B. IP-Belastung an der Eintrittskante der Turbinenschaufel, CCD-Bedingungen im Schaufelmaterial).
Weiterhin sind für die Charakterisierung eines TMF-Versuches die Heiz- bzw. Kühlraten (üblicherweise ca. 10 K/s), die Haltezeit bei Maximaltemperatur, die untere und obere Temperaturgrenze des TMF-Versuches sowie die mechanische Dehnungsamplitude εmech und eine eventuell vorhandene Mitteldehnung εmean, die eine nicht-symmetrische Dehnungsaufbringung zur Folge hat (-1). Als Ergebnis mehrerer TMF-Versuche erhält man dann Dehnungs-Wöhlerdiagramme, die bei der Bauteilauslegung von wichtiger Bedeutung sind.
Anwendung
Flugturbinenwerkstoffe werden im TMF-Versuch getestet, um die Start-Landezyklen zu simulieren. Beim Start einer Turbine wird der Werkstoff schnell von Umgebungstemperatur auf die Betriebstemperatur (ca. 1050 °C) erhitzt, bei gleichzeitiger mechanischer Beanspruchung; umgekehrt dann bei der Landung und dem Abschalten der Turbinen. Da heutige Turbinenschaufeln hauptsächlich aus einkristallinen Nickelbasis-Superlegierungen bestehen, die bei hohen Temperaturen auch gegen Korrosion und Oxidation anfällig sind, werden die Bauteile häufig mit einer Oxidationsschutzschicht oder mit Wärmedämmschichten (sog. TBC, engl. Thermal Barrier Coating) vor dem Angriff geschützt.
Für Fahrzeugmotoren werden spezielle TMF-Tests eingesetzt, bei dem zur TMF-Belastung noch zusätzlich eine hochfrequente Vibrationsbelastung überlagert wird, um die Schädigung im späteren Einsatz besser simulieren zu können.
Komplexität thermo-mechanischer Ermüdung
Neben der reinen thermo-mechanischen Ermüdungsbelastung wirken auf ein Bauteil im Einsatz noch weitere Belastungen ein:
- HCF-Ermüdung (High Cycle Fatigue), z. B. durch Vibrationen im Motor/in der Turbine (Langzeitermüdung)
- LCF-Ermüdung (Low Cycle Fatigue), bei niedriger Lastspielzahl (Kurzzeitermüdung)
- Kriechbelastung, z. B. durch die Zentrifugalkraft auf eine Turbinenschaufel
- Reibermüdung/tribologische Belastung, z. B. in den Schwalbenschwanzeinspannungen der Turbinenschaufel
- Oxidation, z. B. durch die heiße Umgebungstemperatur
- Heißgaskorrosion, z. B. durch Abgase, die korrosive Verbrennungsprodukte enthalten
- Impaktbelastung, z. B. durch Vogelschlag
Da jede dieser einzelnen Belastungen schon komplexe Reaktionen im Material auslösen können, ist die Gesamtbelastung nicht einfach die Summe der Einzelbelastungen, sondern muss gesondert in einem Bauteilversuch untersucht werden.
Für die Materialforschung ist es hingegen wichtig die einzelnen Schädigungseinflüsse separat zu untersuchen, da damit bei der Legierungsentwicklung und bei der Feststellung der Schadensmechanismen spezielle Anpassungen vorgenommen werden können.
Wikimedia Foundation.