- Thingstätte (Heidelberg)
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Die Heidelberger Thingstätte ist eine in der Zeit des Nationalsozialismus nach dem Vorbild antiker griechischer Theater als Thingstätte errichtete Freilichtbühne auf dem Heiligenberg bei Heidelberg.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bau und Nutzung im Dritten Reich
Die Heidelberger Thingstätte ist einer von etwa 40 Thingplätzen der frühen Zeit des Nationalsozialismus und wurde von 1934–35 nach Plänen des Architekten Hermann Alker vom Reichsarbeitsdienst und Heidelberger Studenten erbaut. Geografisch ist sie das Gegenstück zum Heidelberger Ehrenfriedhof, der etwa zur selben Zeit (1934) auf dem Ameisenbuckel, einem dem Heiligenberg auf der anderen Neckarseite gegenüberliegenden Höhenzug, für gefallene Heidelberger Soldaten des Ersten Weltkrieges angelegt wurde.
In den 56 Zuschauerreihen, die 25 Meter schräg ansteigen, fanden bei der Eröffnung 20.000 Menschen Platz. Das Halbrund der Feierstätte (vom Begriff Thingstätte hatte man sich damals bereits getrennt) wurde am 22. Juni 1935 von Propagandaminister Joseph Goebbels eröffnet. Zu diesem Anlass waren zum einzigen Mal während der Hitler-Zeit die Plätze voll besetzt. Goebbels führte in seiner Ansprache aus: »In diesem monumentalen Bau haben wir unserem Stil und unserer Lebensauffassung einen lebendigen plastischen und monumentalen Ausdruck gegeben. [...] Diese Stätten sind in Wirklichkeit die Landtage unserer Zeit. [...] Es wird einmal der Tag kommen, wo das deutsche Volk zu diesen steinernen Stätten wandelt, um sich auf ihnen in kultischen Spielen zu seinem unvergänglichen neuen Leben zu bekennen.«[1]
Die Thingstätte soll auf einem angeblichen germanischen Kultplatz errichtet worden sein, womit sie als Bestandteil der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Mystik ausgegeben wurde. Die Bühne sollte vor allem für Propagandaveranstaltungen genutzt werden. In den darauf folgenden Jahren gab es einige Vorstellungen von Thingspielen wie etwa »Der Weg ins Reich«, oder »Das Oratorium der Arbeit«. Doch schon bald verloren die Nationalsozialisten das Interesse an der Anlage, da der Rundfunk ein effektiveres Instrument zur Verbreitung von Propaganda darstellte. Bis 1939 wurden weiterhin Feste zur Sonnenwende inszeniert, wobei insbesondere die für die damalige Zeit hochtechnische Ausstattung mit Tonmischpult, Lautsprecheranlage und Scheinwerferbeleuchtung erwähnenswert ist. Im Jahr 1939 führte das Stadttheater Heidelberg Schillers »Braut von Messina« auf. Während des Zweiten Weltkriegs war die Thingstätte weitgehend ungenutzt.
Nutzung der Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ man die als Feierstätte ausgeschilderte Thingstätte weitestgehend verfallen. Einige Jahre lang hielt die US-amerikanische Gemeinde in Heidelberg ihre Ostersonnenaufgangsfeier auf der Thingstätte ab oder es trafen sich dort Jugend- oder Sportgruppen.
Inzwischen steht die Anlage unter Denkmalschutz und wird im Sommer regelmäßig für Open-Air-Konzerte (zum Beispiel Opernaufführungen, Konzerte von Udo Jürgens, Placido Domingo, Montserrat Caballe oder André Rieu) genutzt, auch wenn das Gelände wegen der schwierigen Infrastruktur (fehlende sanitäre Anlagen, schwierige Zufahrt usw.) nicht einfach zu bewirtschaften ist.
So schwierig der Ort kommerziell nutzbar ist, so großer Beliebtheit erfreut er sich in der Heidelberger Bevölkerung für die größte inoffizielle Feier Heidelbergs. Jedes Jahr ziehen in der Walpurgisnacht zum 1. Mai Tausende von Menschen auf den Heiligenberg und feiern ein Fest, bei dem es weder kommerzielle Verkaufsstände noch elektrisches Licht gibt. Das Betreten der Anlage ist zwar in der Walpurgisnacht von Seiten der Stadt aus Haftungsgründen offiziell verboten, wird jedoch seit Jahren geduldet. Polizei und Feuerwehr erlauben üblicherweise ein größeres Feuer sowie Feuerspucker, die ihr Können zur Schau stellen. In den Tagen danach bedecken enorme Mengen Müll das Gelände. In manchen Jahren nahmen bis zu 20.000 Menschen an der Feier teil. Zuletzt waren in der Nacht zum 1. Mai 2010 rund 8000 Personen in der Thingstätte.[2]
Der Verfall der Thingstätte geht jedoch weiter und der Ausblick auf Heidelberg wird inzwischen durch Bäume verdeckt. Auf den Postkarten der Thingstätte aus den 1930er Jahren kann man erkennen, dass der Blick auf Heidelberg und die Rheinebene eigentlich Konzerte und Veranstaltungen begünstigen würde.
Einzelnachweise
- ↑ Heidelberger Volksblatt, vom 24. Juni 1935, Nr. 144.
- ↑ Bericht in der RNZ vom 3. Mai 2010
Literatur
- Rainer Stommer: Die inszenierte Volksgemeinschaft: Die „Thing-Bewegung“ im Dritten Reich. Marburg, Jonas. 1985. ISBN 3-922561-31-4
- Wolfgang von Moers-Messmer: Der Heiligenberg bei Heidelberg. Ein Führer durch seine Geschichte und seine Ruinen. Herausgegeben von der Schutzgemeinschaft Heiligenberg e. V., 1987
- Emanuel Gebauer: Fritz Schaller. Der Architekt und sein Beitrag zum Sakralbau im 20. Jahrhundert. (= Stadtspuren - Denkmäler in Köln; Bd. 28). Bachem, Köln 2000, ISBN 3-7616-1355-5 (zugl. Dissertation, Universität Mainz 1994 unter dem Titel: Das Thing und der Kirchenbau. Fritz Schaller und die Moderne 1933–1974), enthält Kapitel über den Bau der Thingstätten zu Beginn des Nationalsozialismus
- Oliver Fink: Zeitreise durch Heidelberg. Ausflüge in die Vergangenheit. Bildband. Hrsg. Peter Blum im Auftrag der Stadt Heidelberg / Stadtarchiv Nr. 16. Wartberg-Verlag: 80 Seiten. 2006. ISBN 3-8313-1583-3, S. 68-69
Weblinks
Commons: Thingstätte Heiligenberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Unkommentiertes Video auf video.zeit.de
- Artikel im Rhein-Neckar-Wiki
- thirdreichruins.com: Postkarten aus den 1930er Jahren
49.4233333333338.7063888888889Koordinaten: 49° 25′ 24″ N, 8° 42′ 23″ OKategorien:- Thingbewegung
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